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Vergewaltigungen deutscher Frauen kein Thema

 
     
 
Ende April wird die erste deutsche Ausstellung über Flucht und Vertreibung im Bonner "Haus der Geschichte" geschlossen. Über die Ausstellung haben wir bei ihrer Eröffnung berichtet. Wie alle Vertriebenen, die entgegen fester Versprechungen immer noch kein eigenes Zentrum gegen Vertreibungen besitzen, haben wir uns darüber gefreut, daß 60 Jahre nach der völkerrechtswidrigen Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus ihrer Heimat ihr Schicksal in dem zentralen deutschen Geschichts
museum Thema wurde.

Die Ausstellung geht jetzt nach Berlin und Leipzig. Hoffentlich nicht in unveränderter Form. Denn hinter den Kulissen wird seit einem Jahr ein Konflikt verborgen gehalten, der seit Eröffnung der Ausstellung zwischen dem Ausstellungskurator und seinen Kritikern schwelt. Dabei geht es nicht darum, was Gutes und Lobendes über die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" zu sagen, sondern darum, was in dieser Ausstellung fehlt, so auffällig fehlt, daß man getrost davon sprechen kann, daß dieses Thema bewußt ausgeblendet werden sollte: Daß viele Hunderttausende deutscher Frauen und Mädchen, viele von ihnen noch Kinder, während der Flucht oft wochenlang vergewaltigt wurden, von russischen Soldaten und auch von Angehörigen der polnischen und tschechischen Milizen. Viele der Frauen und Mädchen haben die Folgen der massenhaften Vergewaltigungen nicht überstanden, Tausende gaben sich auch selbst den Tod. Wer dennoch überlebte, war oft für immer traumatisiert, ebenso wie die Kinder, die die barbarischen Akte mit ansehen mußten. Längst sind die Morde, schweren Körperverletzungen und Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen geächtet, und überall auf der Welt werden sie heute als solche gebrandmarkt, ob sie in Bosnien, in Albanien, in Afrika oder in Asien verübt werden, und fast jeden Tag wird über Vergewaltigungen berichtet und die Täter werden, wenn möglich vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal angeklagt, gleich, ob es um Frauen und Mädchen in Sudan, in Uganda, oder, wie in diesen Tagen im Kongo geht.

Nur für deutsche Opfer schien bisher kein Interesse zu bestehen - dabei handelt sich bei den gezielten Massen-Vergewaltigungen der Roten Armee um das größte Gewaltverbrechen der Nachkriegszeit.

Deutsche Gutmenschen, bei denen die Umerziehung in der dritten Generation schon ins Groteske umgeschlagen ist, haben im Jahr 2006 auch dafür noch eine Entschuldigung zur Hand. Und viel Verständnis.

Diese jungen Soldaten, sagen uns manche unserer nach 1945 geborenen Gutmenschen, mordeten und vergewaltigten deutsche Mädchen und Frauen, weil nach vielen Monaten der gnadenlosen Kämpfe mit den deutschen Soldaten - Gefangene wurden auf beiden Seiten kaum noch gemacht - nur noch Haß gegen die Deutschen kannten und diesen Haß auf die deutschen Frauen übertrugen. Und ihn an ihnen ausließen.

Außerdem hätten die jungen Soldaten bei ihrem Vormarsch überall die von Deutschen zerstörten Dörfer und Städte und ihre getöteten Landsleute gesehen, und so aus Rache die Gewalttaten an Frauen begangen. Diese These wird uns immer wieder aufgetischt, wenn von den Vergewaltigungen der Roten Armee die Rede ist, auch in Guido Knopps Fernsehserie "Die große Flucht". Die sich im Wortlaut gleichenden, fast stereotypen Erklärungen, vorgetragen von wohlmeinenden, letzten Endes aber voreingenommen Publizisten und Wissenschaftlern, sogar von Augenzeugen und Opfern selbst (!) sollen Kriegsverbrechen entschuldigen, die auch gern abschwächend "Übergriffe" genannt werden.

Auffallend oft, meist erst auf bohrende Nachfragen der Reporter, kommt der Hinweis auf die Verbrechen der Nazis, an deren Schuld ohnehin niemand der Zuschauer gezweifelt hat. Vielleicht steckt keine Absicht dahinter, aber die Wirkung ist eindeutig. Die Kriegsverbrechen der Russen, Polen oder Tschechen werden relativiert. Sie sollen gegen deutsche Geiselmorde und andere Kriegsverbrechen aufgerechnet werden.

Aber man kann Völkermord und Kriegsverbrechen nicht relativieren und die Toten nicht gegeneinander aufrechnen. Das genau ist ja die Methode der Rechtsextremisten. Und der Stalin-Anhänger, von denen es in Deutschland weit mehr bekennende Anhänger gibt als NPD-Leute.

Außerdem sprechen die heute bekannten Tatsachen gegen die Rache-These. Die kämpfende, kampfgewohnte Truppe, vor allem die Besatzungen der Panzer und Sturmgeschütze, das bestätigen alle Augenzeugen, vergewaltigte im allgemeinen nicht, griff vielleicht nach Uhren und Schnaps und zog rasch weiter. Die nachrückenden Reserven junger Rekruten aber hatten in ihrer Heimat, in der Mongolei keine Toten oder verbrannte Häuser zurücklassen müssen, die sie jetzt an halbwüchsigen Mädchen oder alten Frauen hätten rächen wollen. Sie hatten gerade, einige Wochen zuvor, bei ihrem Einmarsch ins Baltikum, auch die Frauen und Kinder der Letten, Esten und Litauer vergewaltigt und getötet. Sie wurden mit der gleichen Brutalität behandelt, wie später die jungen Mädchen und Frauen aus Ostdeutschland.

Die jungen Männer aus der Mongolei, die im Raum Königsberg und in Danzig, in Pommern und in Schlesien besonders barbarisch wüteten, waren nicht grausamer geboren als andere Männer. Der Grund für die an allen Frontabschnitten auftretenden Gewalttaten und Morde war ein anderer: Sie begingen die Verbrechen, weil sie es durften. Weil das Gewaltverbot, das seit Kain und Abels Zeiten gilt, für sie aufgehoben war.

Den angeblichen "Rassestolz" der deutschen Frauen sollten die russischen Soldaten nach einem Aufruf des Schriftstellers Ilja Ehrenburg durch massenhafte Vergewaltigungen "brechen". Wörtlich heißt es in einem Flugblatt aus dem November 1944: "Folgt der Weisung des Genossen Stalin und zerstampft für immer das faschistische Tier in seiner Höhle. Brecht mit Gewalt den Rassehochmut der germanischen Frauen! Nehmt sie als rechtmäßige Beute!" Die Urheberschaft des berühmten Schriftstellers an diesem Text ist nicht zweifelsfrei nachzuweisen, aber seine rund 3000 veröffentlichten Flugblatt-Texte und Aufrufe atmen den gleichen Geist des Hasses.

Der Ermunterungen durch solche Flugblätter bedurften die jungen Soldaten aus den asiatischen Provinzen der Sowjetunion nicht - sie wußten schon, was sie mit den Frauen und Mädchen tun wollten - und taten. Das, was sie in ihren verborgensten Träumen und Phantasien schon immer gewollt hatten, das gleiche, was sich alle potentiellen Sexualtäter und Mörder überall auf der Welt auch heute in ihren gar nicht so seltenen Gewaltträumen wünschen, was aber in allen Kulturstaaten mit lebenslangem Gefängnis oder der Todesstrafe bedroht ist: Das junge Mädchen, die Frau demütigen, mit Gewalt nehmen, dem Opfer Schmerz zufügen und es am Ende sogar ermorden.

Tatsächlich wurden die bis zur Bewußtlosigkeit mißbrauchten deutschen Frauen und halbwüchsigen Mädchen von den russischen Soldaten nicht selten nach der Vergewaltigung getötet. Viele empfanden es als Erlösung.

Seit Eröffnung der Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" fordert eine Kölner Frauenhilfsorganisation "medica mondiale" in Gesprächen mit dem Ausstellungsleiter Hans-Joachim Westholt eine "angemessene Würdigung des Themas".

Aber nicht einmal, als Prominente wie die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich oder ihr Kollege Horst Eberhard Richter Protestbriefe schrieben, wurde eine Ergänzung der Ausstellung ins Auge gefaßt.

Es war offenkundig, daß der Kurator während der ganzen Zeit das Thema blockierte. Angeblich sei das Thema Vergewaltigung nicht ins Bild zu setzen. Obwohl die Ausstellung zahlreiche Tonbanddokumente anbietet, in der Betroffene über ihre Erlebnisse erzählen, und Presseausschnitte, Filme, Akten und wissenschaftliche Dokumentationen über Einzelheiten der Vertreibung sonst ausführlich berichten. Selbst als "medica mondiale" dem Kurator das Buch eines Opfers für die Ausstellung anbot, blockte Westholt ab. Dabei gibt es nicht nur ein Buch einer Frau über ihre Vergewaltigung.

Die Vertriebenenverbände haben Tausende von Augenzeugenberichten betroffener Frauen, auch als Videofilme gesammelt, und solche Interviews sind auch bereits mehrfach im deutschen Fernsehen gesendet worden, unter anderem in Filmen von Guido Knopp.

Eine Woche vor der Schließung der Ausstellung in Bonn (!) lenkte der Ausstellungskurator in einem Gespräch mit dem "Kölner Stadtanzeiger" vom 14. April plötzlich ein und erklärte, er würde einen Ausweg aus der verfahrenen Situation begrüßen. Seitdem warten die Redaktion des "Kölner Stadtanzeigers" und die Frauen von "medica mondiale" gespannt darauf, daß Herr Westholt sich bei ihnen meldet.

Möglichkeiten, nun auch das Thema der Massenvergewaltigungen angemessen in der Ausstellung zu realisieren, gäbe es viele. Die Sprecherin der Frauenhilfsorganisation, Margret Meyer, bezweifelt allerdings den guten Willen des Ausstellungskurators: "Herr Westholt wollte das Thema einfach nicht, weil es ein Tabu berührt", vermutet sie. Auf seine Stellungnahme darf man gespannt sein.
 
     
     
 
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