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Von Einseitigkeit geprägt?

 
     
 
Die Betreuung von Spätaussiedlern ist nicht gerade das Steckenpferd der rot-grünen Bundesregierung. So ist der Bundesbeauftragte für nationale Minderheiten in Deutschland auch gleichzeitig - nebenberuflich sozusagen - für Aussiedlerfragen zuständig.

Dieses Amt füllt der SPD-Bundestagsabgeordnete Jochen Welt aus. Vergangene Woche lud er zu einer Pressekonferenz im Innenministerium. Dabei drehte es sich fast ausschließlich um national
e Minderheiten. Eigentlich war Welt zunächst nur Aussiedlerbeauftragter. Seit Ende 2002 übt er nun das Amt in Doppelfunktion aus.

Als nationale Minderheiten sind vier Gruppen anerkannt: Dänen, Friesen, Sorben sowie Sinti und Roma. Nur sie erfüllen die Kriterien der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Sie sind deutsche Staatsangehörige, haben jedoch eine eigene Identität, die sie bewahren wollen. Und: Sie leben seit Jahrhunderten in Deutschland, sind also nicht erst in der jüngeren Vergangenheit zugezogen.

Am besten bestellt ist es um die 50.000 Personen zählende dänische Minderheit. 1955 einigten sich Bonn und Kopenhagen darauf, daß sich jeder Staatsbürger zur nationalen Zugehörigkeit des jeweils anderen Staates bekennen kann. Es gibt 49 dänische Schulen und dänische Kindergärten, in denen etwa 7.500 Kinder erzogen werden.

Ferner gibt es rund 12.000 Friesen. Friesisch gilt nicht als deutscher Dialekt, gehört jedoch wie Deutsch, Niederländisch oder Englisch zur westgermanischen Sprachgruppe. Dagegen haben die rund 60.000 Sorben slawische Vorfahren. Die Sorben leben heute im südlichen Brandenburg und im nördlichen Sachsen. Auf 70.000 Personen werden die Sinti und Roma geschätzt, die jedoch über das Bundesgebiet verstreut leben.

Die Aufgabe des Beauftragten der Bundesregierung für diese Minderheiten liegt in erster Linie im Informationsaustausch. So hat er im vergangenen Jahr den "Zweiten deutschen Staatenbericht zur Sprachencharta" erarbeitet - ein 1.300-Seiten-Pamphlet. Wer soll das lesen? Der Eindruck entsteht, daß dieses Amt als Versorgungsposten für Soziologen mit SPD-Parteibuch ins Leben gerufen worden ist. Jochen Welt zumindest ist Diplomsoziologe. Außerdem hat im vergangenen Ok-tober eine Konferenz von Vertretern der europäischen Minderheiten in Berlin stattgefunden. Teilnehmer aus 17 Staaten und drei russischen Republiken haben daran teilgenommen.

In diesem Jahr soll ein neuer Bericht erarbeitet werden: der "Zweite Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten". Dank der europäischen Bürokratie hat der Beauftragte immer viel zu tun!

Welt ist sehr an der Entwicklung des Minderheitenrechts auf europäi-scher Ebene gelegen. Am liebsten würde er den Minderheitenschutz in der EU-Verfassung festschreiben. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt. Das Scheitern dieses Unterfangens war jedoch programmiert. Nicht alle EU-Mitgliedsstaaten behandeln ihre Minderheiten so - vergleichsweise - pfleglich wie die Italiener die Südtiroler, über die Welt übrigens kein Wort verliert.

So fragt einer der anwesenden Journalisten, wie Minderheitenschutz auf europäischer Ebene durchzusetzen sei, "solange Staaten wie Frankreich und Griechenland die schiere Existenz von Minderheiten leugnen". Recht hat er, denn in Frankreich gibt es nur Franzosen, keine

Basken, keine Korsen, keine Bretonen. Auch die Griechen erkennen Türken, Bulgaren oder Mazedonier nicht als nationale Minderheiten an.

Ein polnischer Pressevertreter verlangt dann die Anerkennung der ins Ruhrgebiet zugewanderten Polen als weitere nationale Minderheit. Vor dem Hintergrund polnischer Repressalien zum Beispiel gegenüber alteingesessenen Oberschlesiern ist dies Dreistigkeit, die beeindruckt. Jochen Welt antwortet klar und bestimmt: Polen im Ruhrgebiet, die im übrigen vollständig assimiliert sind, fallen nicht unter die Regelung.

Die Fragestunde wird fortgesetzt von einer scheinbar deutschen Journalistin, die sich jedoch als Vertreterin einer tschechischen Presseagentur ausgibt. Der dänischen Minderheit in Deutschland ginge es - gemessen an finanziellen Zuwendungen - sehr viel schlechter als der deutschen Minderheit in Dänemark, argumentiert sie. Welt widerspricht abermals. Die Zuwendungen für die deutsche Minderheit sind vermutlich deswegen höher, weil es eine größere Anzahl von Personen ist.

Am Ende der Pressekonferenz geht Welt auf die Lage in Kasachstan ein. Er fördere hier stets das "Miteinander" statt des "Gegeneinanders". Das heißt vermutlich, daß außer den Rußlanddeutschen auch andere Volksgruppen in Kasachstan finanziell unterstützt werden.

Zweifellos sind die Minderheiten ein wertvoller Bestandteil der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Wenn die Bundesregierung jedoch ein spezielles Amt schafft, dann sollte dies wenigstens auch die deutschen Minderheiten im Ausland aufmerksam betreuen. Diese Pressekonferenz nährte den Verdacht, daß dies nicht angemessen geschieht.

Jochen Welt (SPD): MdB und Bundesbeauftragter für nationale Minderheiten
 
     
     
 
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