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Für Berlins SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit begann schon die Wahl zum ersten rot-roten Senat der Hauptstadt mit allerlei bösen Vorzeichen. Da erhielt er zunächst nur 74 Stimmen - dabei haben SPD und PDS 76 Mandate im Abgeordnetenhaus. Zwei SPD-Parlamentarier hatten offenbar aus Scham über den peinlichen Bund mit den Dunkelroten nicht mitgespielt. Wowereits "Königsmacher", Berlins SPD-Chef Peter Strieder, kam gar erst im zweiten Wahlgang in die Regierung.
Vor dem Portal des Berliner Abgeordnetenhaus es zerschnitten während der Wahlprozedur einige altgediente Sozialdemokraten demonstrativ ihre Parteibücher, die Berliner Presse berichtete über weitere Austritte von ehemals führenden Berliner Sozialdemokraten, ansonsten nahm die Mehrheit der Bevölkerung von diesem Vorgang kaum Notiz. Auch die Öffentlichkeit hat nach dem ermüdenden Wahltheater das Thema neue Stadtregierung offenbar schnell abgehakt. Es gab keine Sekt-Empfänge und Hoch-Rufe, eine eher beiläufige Pflichtübung hatte man hinter sich gebracht, und nur auf den Fernsehbildern rang man sich zu den triumphierend breit gezogenen Mundwinkeln durch, überzeugend wirkten die Bilder nicht einmal beim neuen Wirtschaftssenator Gysi und Genossen.
Ihren wirklichen Triumphzug veranstaltete die PDS erst zwei Tage später: Am Sonntag zogen rund 100.000 (einhunderttausend!) überzeugte Kommunisten nach Berlin-Friedrichsfelde zum traditionellen Gedenktag für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Diese beiden (Haupt-)Begründer des deutschen Kommunismus waren im Januar 1919 ermordet worden und sind dort beigesetzt. Schon in der SED-Diktatur gehörte der "Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa" zu den wichtigsten Pflichtübungen für Systemfunktionäre - was hieß, daß dort auch die Spitzen der "Block"-Parteien aus der "Nationalen Front" mit anzutreten hatten. Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes waren es Anfang der neunziger Jahre deutlich weniger geworden, in den letzten Jahren zeigten aber wieder mehr alte wie junge Kommunisten Flagge.
Dieses jüngste Defilee erinnerte nun aber haargenau an die Rituale unter Ulbricht und Honecker, Stasi- und NVA-Offiziere trugen ihre Orden nun lediglich am Zivil unter den Wintermänteln, ansonsten war man halt wieder völlig ungeniert unter sich.
Ungeniert auch insofern, als Jungkommunisten genau jene Bilder von Marx, Engels, Lenin und Stalin vorantrugen, welche als die von der SED-Propaganda-Abteilung genehmigten "Standardbilder" galten. Da hatte zumindest seit 1957, nach der sogenannten Entstalinisierung unter Chrusch-tschow, das Bild von Stalin gefehlt. Der darf nun offensichtlich in der PDS wieder als "Lehrmeister des Sozialismus" zurückgeholt werden. Damit aber verhöhnt die PDS nicht nur die Millionen völlig unschuldiger und unpolitischer Mordopfer dieses blutrünstigsten und skrupellosesten Despoten des zwanzigsten Jahr- hunderts, sondern auch die Opfer ihrer eigenen Partei. Längst ist historisch belegt, daß vom Hitlerregime etwa 70 namhafte deutsche Kommunisten ermordet worden waren. Die historische Kommission der PDS hatte indes unmittelbar nach der Wende in einer Schrift (die heute allerdings nicht mehr vertrieben wird) nachgewiesen, daß dem Stalinschen Terror zehnmal so viele, nämlich mehr als 700 hochrangige deutsche Kommunisten (und das hieß außer Pieck und Ulbricht fast die gesamte Parteiführung der Weimarer Zeit) zum Opfer gefallen waren. Mit ihrem neuen Koalitionspartner dürfte sich für die SPD daher künftig in Berlin das Thema "Vergangenheitsbewältigung" fast ausschließlich auf den Nationalsozialismus beschränken, damit die Opfer des roten Terrors so schnell wie möglich in Vergessenheit gerate |
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