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Unsere Nationalhymne beginnt mit dem Vers "Einigkeit und Recht und Freiheit" und erinnert uns an unsere Pflicht zur Verteidigung des Rechts und der persönlichen Freiheit aller Bürger. "Recht" bedeutet auch das Recht jedes einzelnen auf Leben und Eigentum. Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das seinem Träger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sichert und ihm damit einen eigenverantwortlichen Gestaltungsraum des Lebens ermöglicht.
Die Bundesregierung hat im Zuge der Wiedervereinigung demgegenüber einen Rechtsbruch begangen, indem sie sich die von den Kommunisten enteigneten Ländereien, Häuser und Industriebetriebe einverleibt hat, anstatt sie den Alteigentümern zurückzugeben.
Die Überlebenden der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 fühlen sich durch dieses Regierungshandeln sehr betroffen. Sie hatten aus Gewissensgründen für die Wiederherstellung des Rechts, das von den Nazis durch Mord und Raub mit Füßen getreten wurde, unter Einsatz ihres Lebens gekämpft. Diesem politischen Vermächtnis des deutschen Widerstandes fühle ich mich als einer der letzten Überlebenden des 20. Juli weiter verpflichtet.
Daher habe ich mich bereits kurz nach der Wiedervereinigung für die Beseitigung des neuen Unrechts eingesetzt, das durch die Weigerung zur Rückgabe des enteigneten Eigentums entstanden ist. Erst auf äußeren Druck hin wurde schließlich von der Regierung den jüdischen Verfolgten und den Erben derjenigen Attentäter, die von den Nazis umgebracht und enteignet worden waren, ihr Besitz zurückgegeben. Aber die wenigen Widerstandskämpfer, die von den Nazis nicht entdeckt und daher auch nicht enteignet worden waren, wurden bei dieser Regelung nicht berücksichtigt, unter dem Motto "Nur ein toter Widerstandskämpfer ist ein guter", wie Axel Freiherr von dem Bussche, einer von ihnen, verbittert feststellte.
Sebastian Haffner weist in seinem Buche "Geschichte eines Deutschen" nach, wie es den Nazis erst durch eine großangelegte Propaganda mit dem Tenor "Die Juden sind an allem schuld!" gelang, die Bereitschaft zu einem derart aggressiven Antisemitismus zu schaffen.
Gleiches hatte Hitler wohl auch mit den "Junkern" und der Kirche vor. Hitler sagte am Abend des 30. Juni 1934 (Röhmputsch) im kleinen Kreis: "Nachdem ich meine Freunde so behandelt habe, sollen mich jetzt meine Feinde, die Juden, Junker und Pfaffen kennenlernen."
Den ersten Teil seiner Drohung hat Hitler noch im Krieg wahrgemacht. Die "Junker und Pfaffen" sollten erst nach dem Krieg liquidiert werden. Und so gab es auf seine Anweisung nach dem 20. Juli 1944 eine Verordnung des "Inspekteurs für den Führernachwuchs", daß die Söhne aus adeligen oder bisher staatstragenden Familien nicht als Offizieranwärter in Kavallerie- und Panzerregimenter eintreten dürften, da die Attentäter aus diesen Kreisen gestammt hätten. Ergänzend hierzu tönte Robert Ley bei einer Besichtigung des "Vergeltungskorps Robert Ley" im Frühjahr 1945 in Böhmen: "Den Junkern werden wir es nach dem Krieg noch zeigen!"
Nicht nur den Nazis, sondern auch den Kommunisten waren die unabhängigen Bürger im Lande ein Stein des Anstoßes, und so führten die Kommunisten nach einer intensiven Propagandaaktion unter dem Motto "Junkerland in Bauernhand" die Enteignungen der größeren Landwirte durch. Aber wie konnte es geschehen, daß dieser kommunistische Unrechtsakt bei der Wiedervereinigung nicht sofort beseitigt wurde, wie dies in all den Jahren vorher von der Bundesregierung den Alteigentümern versprochen worden war? Hat die verlogene nationalsozialistische und kommunistische Propaganda nachträglich doch noch Erfolg gehabt?
Beherrschte das Bild aus dem Simplicissimus von 1913 mit dem monokeltragenden "Junker" noch die Vorstellung der Verantwortlichen in der Bundesrepublik? Denn wie die "Junker", die Lehndorffs und Dohnas, wirklich früher lebten, kann man im kürzlich erschienenen Buch von Wolf Jobst Siedler, "Ein Leben wird besichtigt", nachlesen.
Wie paßt es in das verfälschte Bild vom Landadel, daß dessen Anteil im Widerstand besonders hoch war? Allein das Infanterieregiment 9, in dem viele "Junker" dienten, leistete mit 13 toten Widerstandskämpfern einen besonders hohen Tribut. Und weiß man heute nicht mehr, daß Stauffenberg Anfang Juli 1944 auf ein baldiges Attentat drängte, um seinen Freund, den sozialdemokratischen Parteiführer Julius Leber, der kurz vorher verhaftet worden war, noch zu retten?
Mit der bisherigen Regelung droht auch dem politischen Vermächtnis der dem 20. Juli gewidmeten Gedächtnisfeiern ein Glaubwürdigkeitsverlust, da bei diesen Veranstaltungen von den Repräsentanten unseres Staates immer wieder betont wird, daß die Männer des 20. Juli ihr Leben für die Wiederherstellung des Rechts geopfert hätten. Gleichzeitig weigert sich dieser Staat aber, das von früheren Regierungen konfiszierte Eigentum an die Erben dieser Männer zurückzugeben. Damit macht sich der heutige Staat zum späten Vollstrecker von Nazi- und kommunistischer Justiz.
Meiner Generation wird heute der Vorwurf gemacht, zur Nazizeit nicht früher gegen das Unrecht aufgestanden zu sein. Ich kann nur die heutige Generation bitten: Wehret den Anfängen! Auch wenn die Tatbestände und das Unrecht nicht vergleichbar sind: Ich fühle mich daran erinnert, daß auch die Morde des Röhmputsches am 30. Juni 1934 nachträglich mit einer erlogenen Begründung legalisiert wurden.
Der letzte seiner Art: Philipp Freiherr von Boeselager, geboren 1917, ist der letzte Überlebende aus dem inneren Kreis der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. |
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