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Wiedergutmachung:Wo sind die deutschen Gelder?

 
     
 
Seit im Dezember des vergangenen Jahres die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die sogenannte "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft zur Regelung von NS-Zwangsarbeiterentschädigungen", getragen von einigen Deutschen Großfirmen, dem Druck der "Jewish Claims Conference" (JCC) auf Zahlung von zehn Milliarden
Mark nachgegeben haben, reißt der Streit um die Verwendung der Summe nicht ab. Auch werden unglaubliche Skandale offenkundig, die sich im Laufe der Jahrzehnte um die Ausschüttung früherer deutscher Gutmachungsgelder abgespielt haben.

Von den zehn Milliarden Mark sollen fünf Milliarden von deutschen Wirtschaftsunternehmen aufgebracht werden, gleichgültig, ob die Firmen während des Zweiten Weltkrieges schon bestanden haben oder ob es sich um Neugründungen handelt. Die zweite Hälfte des Betrages soll aus Steuergeldern aufgebracht werden. Doch ist tatsächlich der Anteil an öffentlichen Mitteln viel höher, da die Firmen ihre "Spenden" von der Steuer absetzen können, so daß in Wahrheit die deutschen Normalbürger für ca. 7,5 Milliarden Mark aufkommen müssen.

Die Gelder sollen aufgrund eines von der Bundesregierung entwickelten Gesetzes an frühere KZ-Häftlinge und an Fremdarbeiter vor allem in Osteuropa ausgezahlt werden. Und darüber gab es den ersten Krach. Kaum war triumphierend verkündet worden, die deutsche und die amerikanische Seite hätten sich geeinigt, da ging das Gezerre der Anwälte, die sich geschmeidig "Opferanwälte" nennen, in eine neue Runde. Während die deutsche Seite davon ausging, deren Honorare, die sich in Millionenhöhe bewegen, seien in der gesamten Wiedergutmachungssumme eingeschlossen, verlangen die Anwälte, daß sie zusätzlich zu den zehn Milliarden zu zahlen seien. Nach unseren Informationen schwelt dieser Streit weiter. Die Forderungen der Anwälte werden immer schriller.

Wesentlich gravierender und politisch brisant ist die Ursache für einen weiteren Skandal. Während in dem deutschen Gesetzentwurf vorgesehen ist, daß bereits von deutscher Seite in der Vergangenheit gezahlte Entschädigungsleistungen gegengerechnet werden, verlangt die Gegenseite, daß die früheren deutschen Zahlungen unberücksichtigt bleiben.

Damit gibt die fordernde Seite zu, daß entgegen bisherigen Behauptungen sehr wohl Deutschland bereits Wiedergutmachungszahlungen geleistet hat. Man will mit Hilfe internationalen Drucks Deutschland ein weiteres Mal zur Kasse bitten. Wer will ausschließen, daß nach geraumer Zeit diese jetzt so erfolgreich verlaufene Aktion zum dritten und dann zum vierten Mal wiederholt wird?

Wäre es nicht selbstverständlich, daß die deutsche Regierung, in deren Händen alle Unterlagen über frühere Wiedergutmachungszahlungen sind, angesichts der erneuten Forderungen auf die Leistungen aus den 50er Jahren verweist? Seltsamerweise duckt sich aber die Bundesregierung, was auf Uninformiertheit wohl kaum zurückzuführen ist.

An ihrer Stelle arbeitet ein US-amerikanischer Geschichtswissenschaftler jüdischer Herkunft dieses bedeutsame Kapitel auf. Das berichtete bereits am 5. Februar von den schweren Vorwürfen des 46jährigen Historikers Norman Finkelstein, der am 29. Januar 2000 in der "Berliner Zeitung" unter Vorgriff auf sein im Sommer in den USA und in Großbritannien erscheinendes Buch "The Holocaust Industry – An Essay on the Exploitation of Jewish Suffering" (Die Holocaust-Industrie – Ein Essay über die Ausbeutung jüdischen Leids) darlegte, wie die Jewish Claims Conference mit den damaligen Wiedergutmachungszahlungen umgegangen ist. Tatsächlich hat die JCC, ein Dachverband zahlreicher jüdischer Vereinigungen, bereits in den 50er Jahren mit der damaligen deutschen Bundesregierung über Wiedergutmachungen für KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter verhandelt, und zwar überaus erfolgreich. Der jüdische Dachverband und die Bundesregierung schlossen ein Abkommen, das auch die Entschädigung der meist jüdischen Zwangsarbeiter in den Konzentrationslagern vorgesehen habe, so Finkelstein. Dem folgte nach einiger Zeit ein zweites Abkommen, wonach Deutschland finanziell die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in Israel unterstützen sollte. Als sich herausstellte, daß mit diesen beiden Abkommen noch nicht alle betroffenen Juden abgefunden werden konnten, wurde ein drittes Abkommen geschlossen. Es wurde festgelegt, daß die Gelder allein Opfern der Nazis, die nur ungenügend entschädigt wurden, zugute kommen sollten.

Danach zahlte Deutschland jährlich über zehn Millionen Dollar an den jüdischen Dachverband, und zwar bis 1965, mit der vertraglich gesicherten Auflage, daß die Gelder weitergegeben werden an die früheren Zwangsarbeiter. Nach der Rechnung von Finkelstein entspricht der von Deutschland ausgeworfene Betrag einem heutigen Wert von einer Milliarde Dollar.

Die JCC dachte jedoch nicht daran, die Masse der Zwangsarbeiter mit den deutschen Geldern zu entschädigen, obwohl sie sich vertraglich dazu verpflichtet hatte. Lediglich Rabbiner und sogenannte Führungspersönlichkeiten jüdischer Gemeinden erhielten Entschädigungen, und das bis heute. Die große Masse der deutschen Gelder jedoch verwendete die JCC für andere Projekte. Es ging darum, Israel und jüdische Gemeinden überall in der Welt zu stärken. Nach Aussage von Finkelstein flossen die als Wiedergutmachung gedachten deutschen Gelder in jüdische Gemeinden in arabischen Ländern, offenbar mit dem Ziel, die Ausreise dieser Juden nach Isreal vorzubereiten. Mit weiteren Summen "kaufte" die JCC beim kommunistischen Regime in Rumänien Juden frei, damit sie nach Israel auswandern konnten. Ein weiterer Teil des Geldes wurde und wird für den Holocaust-Unterricht an Schulen und Universitäten benutzt. Weiter flossen Mittel in die israelische Gedenkstätte Yad Vashem. Finkelstein wörtlich: "Die JCC allein ist verantwortlich dafür, daß viele Opfer nie entschädigt wurden."

Als die dubiose Praxis in Deutschland bekannt wurde, hat offenbar die Bundesregierung nachgefragt, doch wurden ihre kritischen Fragen abgeschmettert mit der gespielten Empörung, ob es die Deutschen etwa wagten, der Jewish Claims Conference nicht zu trauen. Daraufhin verstummten die deutschen Fragen; man ließ den Mißbrauch weiter geschehen. Ein weiterer Vorwurf von Norman Finkelstein ist seine Behauptung, der jüdische Verband habe bei seinen jetzigen Verhandlungen mit der deutschen Seite falsche Zahlen von angeblich noch lebenden KZ-Häftlingen genannt. Die JCC behauptete, im Namen von 135 000 ehemaligen KZ-Häftlingen zu verhandeln. Tatsächlich aber gibt es nach Finkelsteins Berechnung noch rund 25 000. Der amerikanische Historiker sagt voraus, daß von den von Deutschland jetzt zu zahlenden zehn Milliarden Mark etwa die Hälfte auf die Konten der JCC fließen werde. Er rechnet mit dann noch 20 000 Bewerbungen um eine Wiedergutmachung; jeder soll einen Pauschalbetrag von 15 000 Mark erhalten, so daß am Ende ein hoher Milliarden-Betrag bei der jüdischen Organisation verbleibe. Diese hat bereits angekündigt, daß diese Restsumme an die 23 jüdischen Organisationen verteilt wird, die in der JCC zusammengeschlossen sind.

Über das Selbstverständnis der jüdischen Organisationen urteilte Finkelstein: "Es tut den Opfern weh, wenn sie von den hohen Gehältern der Funktionäre und der Rechtsanwälte erfahren."

Nachdem die Regreßverhandlungen der JCC zunächst mit der kleinen Schweiz, dann mit Deutschland so überaus erfolgreich verliefen, wird der Verband nach Einschätzung Finkelsteins nunmehr die Fühler ausstrecken nach den Ländern Osteuropas. Man werde auch von Polen, Ungarn und der Slowakei Wiedergutmachung verlangen; so höre man, daß von den Polen 60 Milliarden Dollar für Immobilien ermordeter Juden verlangt würden. Finkelstein: "Das wäre der wirtschaftliche Bankrott des Landes." Sollte Polen dieser Forderung nicht nachgeben, dann, so drohe die JCC, werde man Polens Eintritt in die EU blockieren.

Aufschlußreich ist Finkelsteins Information, die eigentlich schon längst von deutschen Medien hätte aufgenommen werden müssen, daß die 1,25 Milliarden Dollar, die die JCC vor zwei Jahren der Schweiz durch Androhung eines Wirtschaftsboykotts abgerungen hat, noch immer nicht an die Opfer weitergegeben worden seien. "Die Anwälte der jüdischen Organisation streiten sich um ihre Anteile an der Summe, und die ,World Jewish Restitution Organization‘ hat noch immer keinen Verteilungsplan für das Geld erstellt."

Angesichts solcher eigenartigen Vorkommnisse, die nun der Öffentlichkeit bekannt geworden sind, wird vielleicht verständlich, warum sich die Deutsche Wirtschaft zurückhält bei Einzahlungen in den Entschädigungsfonds. Von den verlangten fünf Milliarden Mark aus der Wirtschaft fehlen noch drei Milliarden. Die "Opferanwälte" haben bereits gedroht, sollten die deutschen Firmen sie nicht aufbringen, würden sie in den USA Sammelklagen in die Wege leiten. Dann könnten Milliardenforderungen auf einzelne Firmen zukommen, indem etwa, falls die Kläger in den USA erfolgreich sind, deutsche Waren boykottiert oder gar deutsche Niederlassungen in den USA beschlagnahmt würden.

Nun läge nahe, daß die deutsche Seite angesichts der zutage getretenen Mißstände darauf besteht, daß die Beträge wirklich den tatsächlichen Zwangsarbeitern zugute kommen. Aber die Bundesregierung wagt offenbar nicht, kritisch nachzuhaken. Sie hat bereits angekündigt, daß sie darauf verzichtet, früher gezahlte Wiedergutmachungs-Leistungen mit den jetzt erneut verlangten zu verrechnen.

Streit droht statt dessen auch wegen der Forderungen Polens. Eine "Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung" verlangt ein Viertel der gesamten Entschädigungssumme für polnische Fremdarbeiter. In Rußland ist man bescheidener; man will sich 800 Millionen Mark sichern. Dabei hat die polnische Stiftung bereits vor acht Jahren einen Betrag von 500 Millionen Mark für die Befriedigung der An-sprüche von Fremdarbeitern erhalten. Eine Milliarde floß 1993 zu eben den gleichen Zwecken an Rußland, die Ukraine und Weißrußland. Sowohl in Polen als auch in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion war die Weitergabe mit zahlreichen offenen Fragen verbunden. Es sind erhebliche Beträge verschwunden und nie bei den ehemaligen Fremdarbeitern angekommen.

Bundeskanzler Schröder hatte vor gar nicht langer Zeit eine entschiedene Haltung zu den ausländischen Forderungen demonstriert. Im Februar 1999 verkündete er, die Wiedergutmachung sei ein "abgeschlossenes Thema". Staatliche Zahlungen an den Fonds schloß er kategorisch aus. Er stellte sich schützend vor die deutsche Wirtschaft. Die Unternehmen, so Schröder, hätten sich ihrer Verantwortung immer gestellt. Sie müßten geschützt werden gegen Kampagnen, die den Ruf der deutschen Firmen beschädigen könnten.

Innerhalb von nicht einmal einem Jahr blieb von dieser klaren Haltung nichts mehr übrig.

 
     
     
 
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