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Zivilcourage? Ja aber ohne uns

 
     
 
Am 20. Juli hat nicht zuletzt die Führung der Bundeswehr die Offiziere geehrt, die vor 60 Jahren den Putsch gegen die Reichsregierung wagten. Sie bescheinigte ihnen ein hohes Maß an Zivilcourage, das man nur loben könne, wobei jene, die am Putsch beteiligt waren, stillschweigend eines Mangels an eben dieser löblichen Charaktereigenschaft beschuldigt wurden.

Man könnte es als Ironie der Geschichte deuten, daß im zeitlichen Umfeld dieser die Zivilcourage hoch preisenden Veranstalt
ungen im kleineren Rahmen etwas geschah, was auf das Maß an Zivilcourage schließen läßt, das heutzutage bei der höheren Bundeswehrführung nicht nur erwünscht, sondern vorhanden ist.

Die Clausewitz-Gesellschaft, nach ihren satzungsmäßigen Zielen eine hoch ambitionierte Vereinigung von überwiegend Generalstabsoffizieren der Bundeswehr, will das "geistige Erbe des Generals Carl von Clausewitz" nicht nur bewahren (Clausewitz verließ in Opposition zur Politik seines Königs 1812 sogar Preußen und wechselte nach Rußland, um so an der Befreiung Preußens von Napoleon mitzuwirken), sondern sogar weitertragen, so unter anderem durch Veranstaltungen und historische Fachtagungen, militärisch-wissenschaftliche Colloquien, sicherheitspolitische und Informationstagungen. Man will "den Gedankenaustausch über sicherheitspolitische, strategische und wehrwissenschaftliche Probleme fördern". Die Gesellschaft steht der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese nahe. Präsident ist der frühere Befehlshaber des Joint Command Centres, General a. D. Dr. Klaus Reinhardt.

Der Regionalkreis Südwest hatte einen Referenten eingeladen, der, ähnlich wie der Namensgeber der Gesellschaft, der General von Clausewitz, gegen den Stachel des derzeitigen Verteidigungsministers und der ihm blind folgenden höheren Generalität der Bundeswehr gelöckt hatte, als er, damals Territorialer Befehlshaber für Niedersachsen und Bremen, öffentlich das Bundesverfassungsgericht wegen dessen Soldaten-sind-Mörder-Urteils kritisierte und auch etwas daran auszusetzen hatte, daß die Wehrpflicht verkürzt werden sollte. Der Generalmajor Schultze-Rhonhof mußte daraufhin seinen Abschied einreichen, was 1992 erhebliches Aufsehen nicht nur in den Medien hervorrief.

Schultze-Rhonhof hat die seit dem damaligen Eklat verstrichene Zeit genutzt, um zwei Bücher zu schreiben. In dem ersten, das den Titel trägt "Wozu noch tapfer sein?", übte er weiterhin, wenn auch in der für Generalstabsoffiziere gebotenen Zurückhaltung, Kritik an der verbreiteten Konformität. 2003 erschien dann ein umfangreiches Werk des Generalmajors, in dem er den Beginn des Zweiten Weltkrieges unter dem Titel "1939 - Der Krieg der viele Väter hatte" nach umfangreichen Studien in in- und ausländischen Archiven an Hand von Dokumenten, Memoiren und anderen Aussagen von Politikern und hohen Offizieren untersuchte. Das Ergebnis wird im Titel bereits deutlich: Von einer deutschen Alleinschuld könne nicht die Rede sein.

In den Kreisen der verbeamteten Bundeswehrführung wie der Historiker im Staatsdienst machte er sich damit keine Freunde, doch ist er seitdem ein vielgefragter Referent bei privaten Organisationen, Geschichtsvereinen und Diskussionszirkeln. Die Veranstaltungen, in denen er referiert, sind überfüllt. Die Nachfrage nach dem Buch war so groß, daß sie in kurzer Zeit eine Neuauflage erlebte.

Nun wollte sich die Leitung der Clausewitz-Gesellschaft Südwest an der Diskussion mit Schultze-Rhonhof beteiligen und lud ihn zum Vortrag ein. Am 5. Juli sollte er in Ulm stattfinden. Die Bundesgeschäftsstelle des Vereins, davon unterrichtet, schwieg zunächst - bis Ende Juni die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN" eine Presseerklärung veröffentlichte, mit der sie gegen das Auftreten des Generalmajors protestierte unter der Überschrift "Geschichtsverfälschender Vortrag bei der Clausewitz-Gesellschaft".

Nun muß man wissen, wer diese VVN ist. Dazu genügt ein Blick in jeden beliebigen Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums, in dem unter der Überschrift "Linksextremistische Bestrebungen" die VVN seit Jahrzehnten einen prominenten Platz einnimmt. Bis zum Zerfall der DDR wurde sie aus Ost-Berlin finanziert. Im Jahre 2001 hat sich der westdeutsche Zweig VVN mit dem Bündnispartner aus der DDR, dem "Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand" zusammengetan. Das Bundesministerium des Innern berichtet: "Tatsächlich dominieren in der Vereinigung nach wie vor Anhänger und Sympathisanten des traditionellen orthodox-kommunistischen ‚Antifaschismus . Aktive Mitglieder aus der ‚Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) und der ‚Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie diesen nahestehende Personen blieben in den Gremien und Gliederungen politisch tonangebend ..." Die VVN habe "auch Basisgruppen, die autonomen und gewaltbereiten Anitfa-Gruppen gleichen". Zu ihrer Arbeitsweise sagt das Bundesministerium: "Sie benutzte ‚Antifaschismus weiterhin als Vorwand, die Einschränkung der Grundrechte ihr mißliebiger politischer Gegner zu verlangen ... In ihrem ‚antifaschistischen Kampf lehnte die VVN rechtsstaatliche Grundsätze ... ab."

Dieser in der Wolle kommunistisch gefärbte Verband protestierte gegen den geplanten Vortrag des Generalmajors der Bundeswehr, weil sein Buch "geschichtsrevisionistisch" sei. Als besonders besorgniserregend schätzt die Vorsitzende der VVN, Cornelia Kerth, die Tatsache ein, daß ausgerechnet die "renommierte Clausewitz-Gesellschaft, der mehrheitlich aktive und ehemalige Generalstabs-/Admiralstabsoffiziere der Bundeswehr angehören ... eine derart geschichtsrevisionistische Veranstaltung organisiert". Sie droht an, daß, falls der Vortrag nicht von der Gesellschaft verboten werde, die Führungsakademie der Bundeswehr aufgefordert werde, ihr "Verhältnis zur Clausewitz-Gesellschaft zu überprüfen".

Es vergingen nur wenige Tage, bis der Präsident der Clausewitz-Gesellschaft in Abstimmung mit seinem Vizepräsidenten, Generalmajor Hans-Christian Beck, dem Kommandeur der Bundeswehrführungsakademie, der Forderung der VVN nachkam und dem Regionalkreis Südwest die Veranstaltung verbot. Auf Nachfrage erklärte man, das Verbot habe man "in Abstimmung mit Kreisen des Bundesministeriums der Verteidigung nur zum Wohle der Gesellschaft" ausgesprochen.

Der Vorsitzende des Regionalkreises Südwest, General Odenthal, trat daraufhin aus Protest von seinem Posten zurück. Sein Vorstandsmitglied, Oberst a. D. D. Lassonczyk, der Programmgestalter, verließ gar die Clausewitz-Gesellschaft und organisierte die Vortragsveranstaltung auf privater Basis, auf der dann Schultze-Rhonhof vor einem großen Zuhörerkreis die Thesen seines Buches zur Diskussion stellen konnte.

Vier pensionierte Obersten schrieben - neben einer Reihe anderer Vereinsmitglieder - einen Protestbrief an den Vereinsvorstand und bezeichneten "den Vorgang in seinem Kern als beschämend". Das Vorgehen des Vorstandes nannten sie "fürsorgliche Entmündigung von oben", die sich nicht vertrage mit einer "angeblich unabhängigen Vereinigung", die die Clausewitz-Gesellschft nach ihrer Satzung sein will. "Die Mitglieder der Clausewitz-Gesellschaft sind durchweg erwachsene und urteilsfähige Persönlichkeiten, die selbst entscheiden können, wen sie zum Vortrag einladen." Als besonders kränkend wird empfunden, wie man mit dem in seiner Dienstzeit stets hoch eingeschätzten Generalmajor Schultze-Rhonhof umgeht. Dazu die vier Obersten: "Wer diesen Mann auslädt, zeigt, daß er die Diffamierungskampagne gegen einen Offiziers- und Generalstabskameraden als gerechtfertigt betrachtet und sie durch sein Handeln unterstützt. Dies erscheint uns ... als eine menschliche Fehlleistung, die einer umgehenden Korrektur und Entschuldigung bedarf." Und weiter: "Wer einen Mann wie General Schultze-Rhonhof kurzerhand auslädt, signalisiert, daß die Clausewitz-Gesellschaft künftig auch für weitere ideologische Erpressung offen ist."

Den Präsidenten interessierten die Proteste nicht. Als die Gesellschaft zur 38. Sicherheitspolitischen Informationstagung in der Führungsakademie zusammenkam, wich Präsident Reinhardt aus, indem er behauptete, das Verbot habe nichts mit dem Inhalt der Bücher von Schultze-Rhonhof zu tun, sondern sollte lediglich Unruhe von der Führungsakademie fernhalten. Falls man den Generalmajor hätte referieren lassen, wäre fürderhin die Zusammenarbeit zwischen der Clausewitz-Gesellschaft und der Führungsakademie beziehungsweise dem Bundesverteidigungsministerium unmöglich geworden, auf die der Verein angewiesen sei. Außerdem habe er die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft vor "Gewissenskonflikten" bewahren wollen - eine rätselhafte Bemerkung, die intern zu Diskussionen führte.

Das Verhalten von Präsident und Vizepräsident erscheint noch peinlicher, wenn man sich daran erinnert, daß die Bundeswehr einmal gegründet worden ist, um Westeuropa vor dem Kommunismus zu schützen. Zwar ist die bewaffnete Macht, der Sowjetkommunismus, zusam-mengebrochen, doch wird immer deutlicher, daß kommunistische Gruppierungen und Gedankengänge im Stil der alten DDR in ganz Deutschland an Boden gewinnen. Und die bundesrepublikanische Gesellschaft knickt ein und überläßt ihnen die Meinungsführerschaft.

 
     
     
 
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