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Beobachtet man nach dem Nationalfeiertag des 3. Oktober 2002 die Lage der Nation, dann fallen in diesem deutschen Herbst zwei Momentauf- nahmen auf, die mehr sagen als umfangreiche Analysen: einmal bedurfte es erst triumphierender Presseberichte aus der Türkei, bis die Deutschen bemerkten, daß es die Stimmen eingewanderter Türken waren, die das Ergebnis der jüngsten Wahl zum Deutschen Bundestag entscheidend beeinflußten, und zum anderen geriet die Gestaltung des Nationalfeiertag es selbst zu einem eher peinlichen "Event", wie das heutzutage heißt.
Wiesen doch nach Angaben der allgemein als seriös geltenden Frankfurter Allgemeinen fast alle türkischen Zeitungen nicht nur darauf hin, daß drei "türkische" Abgeordnete in den Bun-destag eingezogen sind. Darüber hinaus habe die Zeitung Sabah ermittelt, daß 60 Prozent der 471.000 "türkischen Wähler" in Deutschland SPD und weitere 22 Prozent die Grünen gewählt, sich also insgesamt 82 Prozent für RotGrün entschieden hätten. Angesichts des knappen Vorsprungs der SPD vor den Unionsparteien von nicht einmal 9.000 Stimmen ist es naheliegend, wenn die Zeitung Hürriyet daraus den Schluß zieht, Gerhard Schröder sei als "Kanzler von Kreuzberg" gewählt worden.
Hürriyet meinte überdies, die "Türken" hätten in Berlin-Kreuzberg den Gewinn des einzigen grünen Direktmandats durch den Alt-Linken Ströbele in Berlin-Kreuzberg ermöglicht. Dadurch sei, so die Zeitung weiter, mit ziemlicher Sicherheit das dort mögliche dritte Direktmandat für die kommunistische PDS verhindert worden, durch dessen Gewinn die Fünfprozentklausel außer Wirkung gesetzt worden wäre und alle in Deutschland für die Kommunisten abgegebenen Stimmen zu über 20 Bundestagsmandaten geführt hätten. Damit wären weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb allein regierungsfähig gewesen. Schröder hätte sich entweder von der PDS wählen lassen oder eine Ampel (SPD, Grüne, FDP) bilden müssen, wenn es nicht zu einer großen Koalition gekommen wäre.
Folgt man auch hier der Betrachtungsweise der türkischen Presse, wird der Einfluß der Doppelpaßbesitzer auf das deutsche Wahlergebnis mehr als deutlich. Frühere Hinweise auf die Möglichkeit solcher Entwicklungen als Folge der "doppelten Staatsbürgerschaft" waren jedoch im besten Fall als "Unsinn" abgetan, im schlimmsten als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und gar Rassismus angeprangert worden.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung mitteilte, habe ein Kommentator der Milliyet geschrieben, daß "die Türken ihre Stimmkraft gezeigt" hätten. Der Sieg von Schröder und Fischer sei gut für die Türken in Deutschland und gut für die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union.
Die Zeitung Türkiye gehe noch weiter und freue sich darüber, daß die ausgewanderten Türken heute in Deutschland die wahlentscheidende Gruppe stellten. Erst mit Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit sei es gelungen, daß in den Parlamenten Europas eine erhebliche Anzahl von "türkischen Abgeordneten" vertreten sei. Nun gehe es darum, "türkische Minister" am Kabinettstisch zu haben. Das türkische Blatt habe weiter geschrieben, schließlich entspreche "unsere in Europa lebende Bevölkerung" nicht der Luxemburgs, vielmehr der Finnlands und Dänemarks ...
Wenn sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nun entrüstet, daß die "türkischen" Wähler in Europa gewissermaßen als Manövriermasse für türkische Interessen genutzt würden oder sich so empfänden, bleibt nur die Frage, in welchem Wolkenkuckucksheim die FAZ eigentlich lebt. Sind doch die Einwanderer sogar in einem doppelten Sinne "Manö-vriermasse": nämlich nicht nur für nationale türkische Interessen, sondern auch für diejenigen, die ihnen die doppelte Staatsbürgerschaft angedient haben, um sie für sich als Wähler zu gewinnen. Diese doppelte Rechnung ist angesichts des türkischen Pressejubels und des Wahlergebnisses offensichtlich aufgegangen.
Welche Betrachtungsweise auch immer angelegt wird, die Realität zeigt, daß die bunten Luftballons der Multikulti-Gesellschaft an den Realitäten zerplatzen. Klassische Einwanderungsländer wissen das längst und verlangen von ihren Zuwanderern die volle Integration und das ausschließliche Bekenntnis, als verantwortungsbewußte Bürger den Eid auf die Verfassung und die Fahne des Einwanderungslandes und dessen Werte zu schwören sowie alle früheren Bindungen abzulegen. Erst dann wird ihnen das Wahlrecht zuteil.
So gesehen ist in unserem Land der Weg vom Doppelpaß zum Doppelspaß nicht weit, wie der Ablauf des Nationalfeiertages in Berlin bewies, der als eine Art "Spaßparty" angelegt war. Gewiß ist es vorstellbar, daß Berlins Bürgermeister Wowereit weiß, wie man eine Party feiert. Aber wie man einen Nationalfeiertag begeht, weiß er nicht. Wie sollte er auch?
Folgerichtig beauftragte er einen "Eventmanager", um den 3. Oktober 2002 in Berlin zu organisieren. Schließlich sollte an diesem Tag das renovierte Brandenburger Tor wieder in den Alltag der deutschen Hauptstadt zurückkehren. Die eine Million Menschen, die daran teilhaben wollten, und die Fernsehzuschauer in aller Welt erlebten statt dessen einen Ballon mit der rätselhaften Werbeaufschrift "Vattenfall", an dem ein Modemacher hing, der symbolisch die Plane löste, mit der das Brandenburger Tor verhüllt war.
Werbesprüche - natürlich in englischer Sprache - zierten diese Plane, unter der Deutschlands eindrucksvollstes nationales Symbol versteckt war. "Power for unity" - "Power for peace". Das wiederum hat viel mit "Vattenfall" zu tun, der schließlich Strom produziert. Nun wußte jeder: dieses Deutschland ist fest im Griff des "Marketing". Ein gewollt fröhlicher Dampfplauderer, pardon, ein "Moderator", begleitete das Ganze, Ne-na ließ 99 Luftballons steigen, Clinton hatte seinen Auftritt, Pumuckel schwebte über dem Ganzen, und Politiker liefen dazwischen umher. Die Nationalhymne ertönte allerdings nicht - sie fand nicht statt am Brandenburger Tor. Der "Eventmanager" soll dazu erklärt haben, der Auftraggeber - Herr Wowereit also - habe sie nicht verlangt. Und das ist nicht gut so wie vieles, was uns in diesem Herbst von unseren europäischen Nachbarn und demokratischen Vorbildern in aller Welt unterscheide |
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