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Am 18. November fand im Großen Saal des Wiener Musikvereinsgebäudes ein Konzert statt, das in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert war. Zunächst schon deshalb, weil es in diesem weltberühmten Haus stattfinden konnte, welches das Domizil der Wiener Philharmoniker ist, seit seiner Eröffnung im Jahre 1870 sämtliche renommierten Orchester und Dirgenten der Welt zu Gast hatte und wegen seiner Akustik für Tonaufnahmen besonders geschätzt wird. Ferner, weil Otto von Habsburg, Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer (ÖVP) und der Wiener FPÖ-Obmann Kabas den Ehrenschutz übernommen hatten - dies läßt erahnen, daß es dafür besondere Gründe gegeben haben muß.
Tatsächlich handelte es sich um eine Veranstalt ung der Harmonia Classica, eines privaten „Vereins für harmonische Musik“, der von jener linken Kultur-Schickeria, welche die Wiener Szene nach wie vor beherrscht, eifrig geschnitten wird. Der selbstgestellte Auftrag der Harmonia Classica ist es nämlich, Aufführungsmöglichkeiten zu bieten für zeitgenössische Komponisten, die aus der Tradition der klassischen Musik heraus einen eigenen harmonisch-melodischen Musikstil entwickelt haben. „Schöne neue Musik“ ist den Ewigfortschrittlichen aber suspekt, sie riecht „heimattreu“ - und so falsch ist dies natürlich nicht.
Daß das jüngste Konzert der Harmonia Classica von den System-Medien besonders pflichtbewußt totgeschwiegen wurde, dürfte vor allem am Oratorium „Die Vertriebenen“ gelegen haben, jenem Stück, das den Höhepunkt und Abschluß der Veranstaltung bildete.
Das Programm umfaßte zwölf Chor- und Orchesterwerke verschiedener Komponisten, darunter auch des verstorbenen Dresdners Hellmuth Pattenhausen. Klangkörper war die Mährische Philharmonie, die je nach Stück ergänzt wurde durch Vokal- und Instrumentalsolisten sowie durch mehrere Chorvereinigungen, etwa auch den Kinderchor der American International School, Wien. Dirigiert wurde von dem in Atlantic City geborenen Paul Polivnick. Daß die Mährische Philharmonie aus Olmütz, der historischen Kulturhauptstadt Mäh- rens, für die Veranstaltung zur Verfügung stand, mag gewisse Leute zusätzlich irritiert haben.
Die Heimatvertriebenen-Passion von Alexander Blechinger gliedert sich in fünf Abschnitte. Den Anfang macht „Wagen an Wagen“, wobei ein Gedicht von Agnes Miegel als Vorlage dient („Um Allerseelen in der dunklen Nacht ...“). Es folgt „Deutscher Weg“ mit einem Gedicht der Sudetendeutschen Ursel Peter und mit Musikzitaten aus Volksliedern („Tief drin im Böhmer- wald ...“), kontrastiert durch Zitate polnischer und tschechischer Politiker sowie von Stresemann mit seiner Kritik am Versailler Diktat. Hier kommt die aufgeladene Atmosphäre der Zwischenkriegszeit zum Ausdruck.
Der dritte Teil rankt sich um die Benesch-Dekrete, die AVNOJ-Beschlüsse, einen Hetzaufruf des Ilja Ehrenburg und den Umsiedlungsbefehl der polnischen Regierung. Stellvertretend für alle Stätten der Vertreibung werden 66 Orte verlesen. Dazu klingt zerrissen und zerbrochen das Ostdeutschlandlied. Auch in diesem Teil wird vom Kontrast zwischen Musik und feindseligem Textzitat Gebrauch gemacht. Der vierte Teil „Es war ein Land“ benützt ein weiteres Gedicht von Agnes Miegel („Oh kalt weht der Wind über leeres Land, oh leichter weht Asche als Staub und Sand ...“). Elegisch wird die Situation „danach“ symbolisiert.
Als fünfter Teil und Finale folgt „Heimatrecht ist Menschenrecht“. Gestützt auf Texte aus der Charta ’50 sowie der Deklaration 1969 der deutschen Heimatvertriebenen und teils verflochten mit dem Schlesierlied („... wir sehn uns wieder am Oderstrand“) werden die neue Hoffnung und das wiedergewonnene Selbst- vertrauen zum Ausdruck gebracht.
Die schwierige Gratwanderung zwischen musikalischem Anspruch und politischer Aussage wurde vom Publikum mit lange andauerndem Applaus honoriert. Der Gegensatz zu dem, was man sonst vorgesetzt bekommt - seien es die ausschließlich an Quoten orientierten Auftragswerke oder die überaus subventionsträchtigen Verstümmelungen von Werken klassischer Dichter und Komponisten - war allzu offenkundig. Doch diejenigen, denen die Botschaft gelten sollte, waren nicht anwesend, und sie wollen ja auch gar keine anderen Botschaften zulassen, nur ihre eigenen.
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