|
Wer auf der äußersten Südspitze der iberischen Halbinsel über das Meer nach Süden blickt, der sieht an manchen Tagen zum Greifen nah den afrikanischen Kontinent. Auf der anderen Seite liegt Marokko. Dort liegt nicht nur ein anderes Land, ein anderer Kontinent, sondern dort gibt es auch eine andere Kultur, eine andere Religion. Das Bevölkerungsgemisch aus Arabern und Berbern ist zu fast 99 Prozent islamisch en Glaubens.
Diese Nachbarschaft hat die südspanischen Andalusier in ihrer Geschichte und Mentalität zutiefst geprägt. Bis zur Eroberung des südspanischen Granada durch die Spanier von den islamischen Mauren im Jahre 1492 war die Nachbarschaft stets problematisch.
Nun, so fürchten manche Spanier, scheint sich die Entwicklung wieder zuzuspitzen. Das Städtchen El Ejido bei Alméria hat seinen ersten internationalen Skandal. Spanier fielen mit Eisenstangen über Marokkaner her und verwüsteten Geschäfte, Lokale und eine Moschee. Auslöser der Ausschreitungen war die Ermordung einer 26jährigen Spanierin, die von einem marokkanischen Taschendieb erstochen worden war.
Der Hintergrund: Spanien hat einen Ausländeranteil von gerade einmal zwei Prozent, 800 000 Menschen, davon die Hälfte EU-Bürger. Das ist viel weniger als der EU-Durchschnitt in Deutschland sind es offiziell etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung.
In El Ejido stellen die Ausländer aber 20 Prozent der Bevölkerung, 11 000 Menschen und fast alle stammen aus Marokko. Sie arbeiten in der Landwirtschaft und sind zum großen Teil unter Mithilfe von Schleusern ins Land gekommen, die einige Landwirte selbst angeheuert haben. Die meisten von ihnen arbeiten jedoch vollkommen legal mit einer offiziellen Aufenthaltserlaubnis in Spanien.
Dies sorgt bei Teilen der einheimischen Bevölkerung für böses Blut. Der Grund: die Arbeitslosenquote Spaniens gehört zu den höchsten in der EU. Insgesamt 1,6 Millionen Spanier sind ohne Beschäftigung. Andererseits fehlen gerade im Süden saisonbedingt Arbeiter und Hilfskräfte in der Landwirtschaft.
In den vergangenen zwei Jahren war es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Spaniern und den "Moros" (Mauren) aus Marokko gekommen. Erst vor drei Wochen waren zwei spanische Bauern von einem Marokkaner enthauptet worden. Die damaligen öffentlichen Trauerfeierlichkeiten waren noch friedlich verlaufen.
Die Schuld an der Eskalation der Lage wird von einem Großteil der andalusischen Bevölkerung den Regierenden gegeben. Ihnen wird vorgeworfen, eine zweite große "Legalisierungskampagne" illegaler Ausländer zu forcieren. Seit dem 1. Februar können die rund 80 000 "Illegalen" die meisten von ihnen stammen aus Marokko und Algerien ein offizielles Aufenthaltsrecht erwerben. Damit erhalten sie auch Zugang zum Kranken- und Ausbildungssystem und können ihre nächsten Verwandten nachholen. In den kommenden drei Jahren soll außerdem fast eine Million weitere Saisonarbeiter Arbeitsverträge in Spanien erhalten. Damit würde sich der Ausländeranteil in Spanien binnen kurzem mehr als verdoppeln.
Erfahrungen in allen EU-Staaten zeigen jedoch, daß eine wirkliche Saisonarbeit, bei der die ausländischen Arbeiter hernach wieder in ihre Heimat fahren, nirgendwo zu realisieren gewesen ist. Lediglich in der Schweiz, die nicht der EU angehört, wird ein solches Verfahren noch praktiziert.
Unterdessen wenden sich die Gewalttätigkeiten gegen alles, was die offizielle Regierungspolitik stützt. Vor einer Messe für das Opfer wurde ein Mitglied der spanischen Provinzverwaltung von Trauernden zusammengeschlagen. Auch gegen Kamerateams und Journalisten der Lokalpresse, die kritisch über die Reaktion in der Bevölkerung berichteten, richteten sich die Übergriffe.
Inzwischen bemüht sich die spanische Regierung um die Eindämmung wenigstens der illegalen Zuwanderung. Auch hier zeigt aber die europäische Erfahrung, daß kein Land gegen die massenhaften illegalen Einschleusungen von Ausländern gefeit ist, solange Schleuserbanden damit Millionen verdienen können. So bleibt einstweilen nur der Appell der linksliberalen Tageszeitung "El País", die Spanier müßten sich schnell an multikulturelles Zusammenleben gewöhnen, denn Österreich, so die Zeitung, sei "ein gefährliches Beispiel", wohin Ausländerfeindlichkeit führen könne.
Antonia Radelbeck
|
|