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Wieder wird in diesem Jahr der zweite Sonntag im September ganz im Zeichen des Denkmalschutzes stehen. Zum "Tag des offenen Denkmals" am 10. September erwarten die Veranstalter bundesweit eine große Zahl von Architektur- und Geschichts liebhabern, die sich für das Erbe der Väter begeistern können. In vielen Städten und Gemeinden werden Kulturdenkmale, die sonst meist verschlossen sind, für Besucher geöffnet sein. Windmühlen, Dorfkirchen und Bürgerhäuser, Schlösser, Burgen und Herrenhäuser, historische Friedhöfe, industrielle Anlagen oder Bauernhöfe bieten "Geschichte zum Anfassen". Zum achten Mal wird in Deutschland der "Tag des offenen Denkmals" durchgeführt. In diesem Jahr hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die diese Aktion im Rahmen der "European Heritage Days" koordiniert, Görlitz in Sachsen als zentralen Veranstaltungsort gewählt. Zur Problematik des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege befragte OB-Redakteurin Peter van Lohuizen den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Professor Dr. Gottfried Kiesow.
Professor Kiesow, zum achten Mal Tag des offenen Denkmals in Deutschland. Welche Absicht verbirgt sich hinter dieser Aktion? Gibt es denn nicht genug Museen oder Schlösser, die über unsere reiche Vergangenheit informieren?
Kiesow: Unser kulturelles Erbe ist wesentlich vielfältiger und umfangreicher als das, was sich in Museen und Schlössern präsentieren läßt. Es geht ja gerade darum, die Denkmale in unser tägliches Leben einzubinden, die historischen Altstädte zu beleben, in alten Gebäuden zu wohnen, zu arbeiten und zu feiern. Nur für wenige Denkmale kommt eine museale Nutzung in Frage, die Mehrzahl steht "mitten im Leben". Diese alltäglichen, aber oft nicht zugänglichen Denkmale zu öffnen, das ist die Idee des Tages des offenen Denkmals.
Mit dem diesjährigen Schwerpunkt-Thema "Alte Bauten Neue Chancen: Umnutzung von Denkmalen" wollen wir außerdem ganz bewußt einmal die Möglichkeiten von neuer, denkmalgerechter Nutzung in alten Bauten vorstellen. Die Zeugen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sind hier sicher ganz besonders reizvoll ich erwähne nur die Speicherbauten in Hamburg aber auch die denkmalgerechte Umnutzung eines Bürgerhauses als Büro, der Einbau einer Bibliothek in einen von der Gemeinde nicht mehr genutzten Kirchenbau, die Umnutzung einer historischen Scheune für einen Verein oder als Ferienwohnung es gibt unendlich viele kreative Ideen, die den dauerhaften Erhalt unserer gebauten Umwelt erst ermöglichen. Hierfür das Auge zu schärfen, dazu leistet der Tag des offenen Denkmals einen hervorragenden Beitrag.
Wieder ist es mit Görlitz eine Stadt in Mitteldeutschland, die als zentraler Veranstaltungsort gewählt wurde. Ein Zeichen, daß die Stiftung ihre Aufgabe nach der Wende vor allem in der Rettung erhaltenswerter Bausubstanz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sieht? Gibt es nicht auch in den alten Bundesländern noch viel zu tun?
Kiesow: Mit der zentralen Eröffnungsveranstaltung will die Stiftung das Augenmerk auf besondere Kostbarkeiten in den einzelnen Bundesländern lenken. Nach der Fachwerkstadt Quedlinburg, der Hansestadt Wismar ist in diesem Jahr die Renaissance-Stadt Görlitz in Sachsen Gastgeber. Alle drei Städte sind Förderschwerpunkte der deutschen Stiftung Denkmalschutz, deren satzungsgemäße Aufgabe die Rettung bedrohter Denkmale in ganz Deutschland ist. Nach der Öffnung der Grenzen wurde allen Beteiligten schnell klar, daß die Bedrohung der historischen Bauten in den östlichen Bundesländern ich spreche lieber von östlich, da etwa Sachsen natürlich wesentlich älter ist als das Bundesland Hessen, wo ich die letzten Jahrzehnte als Landeskonservator tätig sein konnte wesentlich ernster und akuter war. Daher lag der Förderschwerpunkt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in den letzten Jahren auch dort.
Und auch wenn in den letzten zehn Jahren vom Bund, den Ländern, Gemeinden, den Bürgern als Bauherren und einer Vielzahl privater Initiativen eine ungeheure Aufbauleistung vollbracht wurde, wird dies in etwas abgeschwächter Form sicherlich auch noch eine Weile so bleiben. Man darf jedoch nicht übersehen, daß auch in den westlichen Bundesländern in Anbetracht der Kürzung der öffentlichen Mittel gerade im kulturellen Bereich privates Engagement um so mehr gefordert ist. Daher setzt die Stiftung mit ihrer Förderung ganz bewußt auch hier Zeichen.
Professor Kiesow, Sie sind im Kreis Landsberg an der Warthe geboren. Wenn Sie heute die verfallenen Gebäude, die Schlösser und Kirchen, die Bürgerhäuser vor allem im nördlichen Ostdeutschland sehen, blutet Ihnen als Denkmalschützer nicht das Herz? Und sehen Sie überhaupt eine Chance einen Teil dieses baulichen Erbes zu retten?
Kiesow: Wenn ich eben die ungeheure Leistung der letzten zehn Jahre in den östlichen Bundesländern hervorgehoben habe, so war dies sicherlich nur deshalb möglich, weil die Bundesrepublik als Ganzes trotz allem Jammern und Klagen insgesamt ein wirtschaftlich äußerst starkes und leistungsfähiges Land ist. Je weiter wir nach Osten sehen, desto problematischer wird die Situation. Die Entwicklung einer leistungsfähigen Wirtschaft, aus der heraus dann auch die Erhaltung, Pflege und Erneuerung der Kultur entstehen kann, wird hier noch dauern. Es ist zu hoffen, daß dies so schnell geschieht, daß es nicht für viele historische Bauten vor allem im russischen Teil Ostdeutschlands zu spät ist. Wenn ich jedoch das Engagement und den Einsatz der Kollegen in Polen, Tschechien, Ungarn oder in den baltischen Ländern sehe, stimmt mich dies zuversichtlich. Die Einbindung der osteuropäischen Länder in die EU ist daher auch für die Erhaltung unseres gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes von besonderer Bedeutung.
Vielfach ist es privates Engagement, das die Rettung erhaltenswerter Bauten überhaupt erst möglich macht. Wie kann man das Verständnis für die wertvollen Zeugnisse unserer Vergangenheit bei der Jugend fördern?
Kiesow: Sie haben vollkommen recht, daß die Denkmalpflege ohne die vielfältigen privaten Fördergemeinschaften, Vereine und Bürgerinitiativen nicht mehr auskäme. Die Bürger müssen die Denkmale die ja einmal von Bürgern geschaffen wurden! wieder in ihre Verantwortung übernehmen. Viele Denkmale gerade in den östlichen Bundesländern sind nur dank des jahrzehntelangen Engagements von mutigen Privatpersonen erhalten worden, die unter schwierigsten Bedingungen für deren Rettung eingetreten sind. Und hier finden wir immer wieder äußerst engagierte und motivierte junge Leute, die erkannt haben, daß Denkmalschutz etwas mit der Erhaltung eines lebenswerten Umfeldes für sie und die nächste Generation zu tun hat. Die erkannt haben, daß Denkmalschutz die Reparatur von Bauten! ressourcensparend ist. Denkmalpflege war schon "nachhaltig", bevor dieses Wort überhaupt erdacht wurde.
Der Tag des offenen Denkmals zeigt deutlich, daß Denkmalschutz auch Millionen von jungen Bürgerinnen und Bürgern auf die Beine bringt, die damit deutlich dokumentieren, daß sie sich interessieren und engagieren für ihre Wurzeln, um die Gegenwart und Zukunft gestalten zu können. Mit dem Projekt "Jugendbauhütte" in Quedlinburg versuchen wir, ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege anzustoßen. Wir hoffen, dieses auch berufsorientierend wirkende Jahr analog zu den freiwilligen sozialen und ökologischen Jahren auch gesetzlich zu verankern, da Denkmalschutz ein ebenso gesellschaftlich relevantes Thema ist.
Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends. Allerorten wird zurück-, aber auch nach vorn geblickt. Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Kiesow: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat trotz aller Unterschiede den National Trust in England immer als ihr Vorbild angesehen. Da der NT 100 Jahre älter ist, hoffe ich, nicht verwegen zu sein mit meinem Wunsch, daß sich in Deutschland mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz eine ähnlich erfolgreiche Bürgerinitiative entwickelt, die sich auch einmal statt unserer bisher über 100 000 treuen Förderer auf eine Mitgliederzahl von über 2,6 Millionen stützen kann. Dann würde ich mir keine Sorgen mehr darum machen, daß dem Denkmalschutz auch von politischer Seite die Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen würde, die er verdient.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch, Professor Kiesow.
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