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Im Schloß Grünhoff, dem im Frühjahr 1815 von König Friedrich Wilhelm III. dem General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow Graf von Dennewitz (1755-1816) für seine Verdienste in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 verliehenen Dotationsgut im Samland bei Cranz, befand sich laut "Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler" von 1952 eine "bemerkenswerte familiengeschichtliche Sammlung aus der Zeit der Napoleon ischen Kriege". Seines Grundbesitzes sowie seiner Stellung als Generalgouverneur von Ost- und Westpreußen und kommandierender General konnte sich Bülow nur kurz erfreuen. Nur sechs Wochen nach seiner Rückkehr nach Königsberg am 11. Januar 1816 verstarb er am 25. Februar im Alter von 61 Jahren infolge einer sich auf der Jagd zugezogenen Erkältung. Er hinterließ eine 25jährige Frau mit vier Kindern, darunter seinen vier Jahre alten Stammhalter Albert (1811-1887).
Einige der "historisch merkwürdigen Gegenstände" aus dem Nachlaß des Generals hat 1908 sein jüngster Enkel, der Kunstmaler Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz (1856-1929), der auch die gotische Grabkapelle in Grünhoff in einem Aquarell festgehalten hat, in dem Aufsatz "Grünhoff und der historische Nachlaß des Siegers von Dennewitz" bekannt gemacht. Von besonderem Zeugniswert sind die beiden darin reproduzierten Bleistiftzeichnungen, die von einem Teil dieser Erinnerungsstücke die einzigen Bilddokumente darstellen. Der Enkel des Generals schreibt, daß diese in Grünhoff "leider einem weiteren Besucherkreis nicht zugänglich gemacht werden" könnten und er "daher einige Abbildungen derselben mit entsprechenden Erläuterungen" gebe.
Aus Adolf von Bülows Familienbuch von 1914 erfahren wir mehr über diesen Kunstmaler: Er kam 1870, als seine Eltern nach Süddeutschland übersiedelten, auf das Gymnasium in Hannover, machte hier 1876 das Abitur und "widmete sich dann sogleich der edlen Kunst der Malerei, für die er von Jugend auf hervorragende Begabung zeigte". Er studierte an den Kunstakademien in München und Dresden, wo damals sein Vater seine letzten Lebensjahre zubrachte. Darauf war er als selbständiger Künstler längere Zeit in München tätig, wo er Mitglied der dortigen Künstlergenossenschaft wurde. Seine ersten Arbeiten, mit denen er in den Ausstellungen im Königlichen Glaspalast zu München vertreten war, gehörten dem Genrefache an. Auch malte er damals mehrere Porträts, wovon eines in die Internationale Ausstellung im Glaspalast aufgenommen wurde. Später widmete er sich mehr und mehr der Landschaftsmalerei. 1907 ist er nach Dießen am Ammersee, einer Kolonie Münchener Künstler, übergesiedelt, wo er schon früher mehrere Sommer Studien halber verbracht hatte.
"Dießen (Oberbayern)" ist denn auch 1908 als Wilhelms Wohnort auf dem Titelblatt der von ihm mitherausgegebenen Zeitschrift Der Wanderer durch Ost- und Westpreußen angegeben, in der die Zeichnungen der Ehrengeschenke des Generals erschienen und für die er weitere Beiträge mit Zeichnungen verfaßte. Die "Erinnerungsgegenstände an den General Grafen Bülow von Dennewitz in Grünhoff" und weitere Dokumente werden in Adolf von Bülows Familienbuch von 1911 und 1914 aufgeführt und erweitert, aber nicht - auch nicht später - abgebildet.
Noch aus dem Jahresbericht des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen von 1936 erfährt man, daß die Mitglieder am 13. Juni in zwei Omnibussen einen Ausflug nach Pobethen und Grünhoff unternahmen: "In Grünhoff zeigte Graf Bülow-Dennewitz das Schloß und Erinnerungsstücke aus dem Besitz seiner Vorfahren". Dieser Graf Bülow-Dennewitz dürfte Urenkel Dietrich Graf Bülow von Dennewitz (1886-1957), möglicherweise aber auch bereits dessen damals 22jähriger Sohn Friedrich-Wilhelm (geboren 1913) gewesen sein. Der Ururenkel übernahm als letzter Besitzer von Grünhoff 1940 das seit 1928 verpachtete Gut und bezog noch 1943 mit seiner Familie einen Teil des Schlosses. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er literarischer Sprecher des Südwestfunks und lebt heute 91jährig bei Baden-Baden.
Bei der Flucht im Januar 1945 konnte Friedrich-Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz mit seiner Frau Elisabeth (geboren 1914) nur einen Teil der Ehrengeschenke - auch der auf der Zeichnung abgebildeten - in den Westen retten. Dafür hat der Ururenkel die Briefe des Generals an seine Frau Pauline Juliane geborene von Auer (1790-1842) aus den Befreiungskriegen gerettet, wie sein jüngerer Bruder Manfred (1919-
2001) und dessen Frau Renate (geboren 1924) im Vorwort ihrer 1964 an das Ostdeutsche Landesmuseum in Lüneburg gegebenen maschinenschriftlichen Kopie der Umschrift der Briefe bezeugen.
Die Archivalien, Ehrengeschenke, Orden und so weiter befanden sich in einem Panzerschrank und einer Mahagoni-Servante (Empire) im Gartensaal beziehungsweise in der Bibliothek des Schlosses. 1922 waren sie unter Denkmalschutz gestellt worden.
Provinzialkonservator Richard Dethlefsen hat sich "mit Rücksicht auf den geschichtlichen Wert, den die Sachen wegen der Persönlichkeit des Generals haben, dafür ausgesprochen, daß ein besonderes öffentliches Interesse besteht, sie geschlossen im Inland zu bewahren und vor Zersplitterung und gar Abverkäufen ins Ausland zu schützen". So steht es in einem Dokument im Staatlichen Archiv in Allenstein, wo sich heute ein großer Teil der Bestände des ehemaligen Provinzialdenkmalamtes in Königsberg befindet.
Ein erster Teil der Ehrengeschenke soll an dieser Stelle aus Anlaß der 250. Wiederkehr des Geburtstags des bedeutenden Generals kommenden Mittwoch vorgestellt werden. Da ist zunächst der auf der Zeichnung um 1908 sichtbare Pokal der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin mit Miniaturmalereien, eine Ehrengabe der Offiziere seines Stabes für die dreimalige Rettung Berlins 1813. Der bisher nicht publizierte Pokal ist als Leihgabe des Ururenkels im Ostdeutschen Landesmuseum ausgestellt. Das goldgrundige, handbemalte Gefäß von 17 Zentimeter Höhe mit königsblauer Zeptermarke der 1763 von Friedrich dem Großen gegründeten Manufaktur zeigt in drei Bildfeldern Allegorien in Kaltfarben auf die Gefechte beziehungsweise Schlachten bei Luckau, Großbeeren und Dennewitz und darunter jeweils einen vierzeiligen Spruch und auf dem Fuß "Berlin zum erstenmal", "zweitenmal" beziehunsgweise "drittenmal" "gerettet durch Bülow". Das Sinnbild auf die dem Grafen den Beinamen gebende "Schlacht bei Dennewitz am 6ten September 1813" zeigt eine aus Fahnen, Mörsern, Lanzen und anderem Kriegsgerät zusammengestellte Trophäenpyramide, über die sich der Preußische Adler mit Krone, Schwert und Palmzweig erhebt. Im Hintergrund rechts ist das Dorf Dennewitz angedeutet. "Heiß war der Kampf, doch / herrlich sind die Früchte, / und nur allein mit / Preußen Blut errungen", wird die Schlacht kommentiert.
Am 19. September 1813 schreibt Bülow seiner Frau Pauline: "Auf meinen ersten vorläufigen Bericht der Schlacht von Dennewitz habe ich Antwort vom Könige. Er ist höchlich erfreuet und hat mir das höchste Militairische Ehren Zeichen was in diesem Kriege gegeben wird, das Groß Kreuz des Eisernen Kreutzes übersandt." Dieser Orden ist auf der Zeichnung auszumachen.
Den ebenfalls abgebildeten "goldenen mit Diamanten gezierten" Ehrendegen schenkte Wilhelm Friedrich Prinz von Oranien-Nassau (1772-1843), der am 2. Dezember 1813 nach seiner Rückkehr aus dem englischen Exil in Amsterdam als Wilhelm I. zum König der Niederlande ausgerufen wurde, Bülow für die Befreiung seines Landes 1813/14. Dieser Degen konnte 1945 nicht gerettet werden. Er gehört zu den vor der Flucht im Schloßpark vergrabenen Waffen. Wie Karl August Varnhagen von Ense in seiner Biographie über das "Leben des Generals Grafen Bülow v. Dennewitz" (1853) berichtet, trug die mit blauen Stahlarabesken eingelegte Klinge die Namen "Doesburg, Arnheim, Herzogenbusch und Gorkum". Es sind dies die von Bülow in Holland eroberten Festungen.
An Bülows "wichtigen Antheil an dem glänzenden Sieg" von Belle-Alliance, wie der König in einer Ordre wertet, erinnerten im Schloß Grünhoff eine vergoldete und in Kaltfarben handbemalte Tasse mit Untertasse wiederum der KPM, die auf rosa Grund mit goldenen Ornamenten sein Porträt mit dem Spruch "Er kam zur rechten Stunde" beziehungsweise den Lageplan der Schlacht zeigt. Sie ist, wie Dietrich Graf Bülow von Dennewitz in dem im Allensteiner Archiv erhaltenen Verzeichnis der "Gegenstände des Familiengutes" von 1922 vermerkt, ein "Geschenk der Berliner Studentenschaft aus Dankbarkeit für das entscheidende Eingreifen in der Schlacht". In der Tat findet sich auf der Unterseite des Fußes der auf der Zeichnung fehlenden, aber heute ebenfalls im Ostdeutschen Landesmuseum ausgestellten Tasse die Widmung "Aus Dankbarkeit".
Vor allem aber haben bis heute zwei besondere Trophäen Bülows aus der Schlacht von Waterloo überdauert, die auf der Zeichnung von 1908 erscheinen. Es sind dies das Paar silberne Sporen Napoleons und das grünsamtene Kissen mit goldgesticktem "M", dem Anfangsbuchstaben des Vornamens dessen zweiter Frau Marie Luise, der Tochter Kaiser Franz I. von Österreich. Sie stammen aus der bei Genappe südlich von Belle Alliance in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni bei der Verfolgung des Feindes von den preußischen Truppen, und zwar dem zum Königlich-Preußischen 15. Infanterie-Regiment gehörenden Füsilierbataillon, erbeuteten Reisewagen Napoleons. Die beiden Beutestücke wurden Bülow, den der König mit Kabinettsordre vom 11. Juli zum Chef dieses Regiments ernannte, zugesprochen.
Was bei Genappe erbeutet wurde, war nicht nur die sechsfach bespannte Kutsche Napoleons, eine so genannte "Berline", sondern die gesamte Equipage, die aus verschiedenen, ineinander gefahrenen Wagen bestand. Die Kutsche selbst wurde Fürst Blücher von Wahlstatt, dem 73jährigen Oberbefehlshaber der preußischen Truppen, geschenkt. Als Major von Colomb, Blüchers Schwager, am 19. Juni dem in der Kutsche sitzenden Feldmarschall eine Meldung zu machen hatte, soll dieser, indem er den darin gefundenen Hut und Degen Napoleons aufsetzte beziehungsweise an die Seite nahm, gefragt haben: "Wie gefall ich ihm so?" Den Hut, den Degen und die Orden übersandte Blücher dem König, der sie in die Kunstkammer des Berliner Schlosses bringen ließ.
Der größte Teil der Beute war noch 1933/34 in der Sonderausstellung "Der Reisewagen Napoleons I. und die Blücherbeute von Belle-Alliance" im Berliner Zeughaus versammelt. Hier wurden auch die Sporen und das Kissen als Leihgabe aus Schloß Grünhoff gezeigt. Der Ausleihe nach Berlin verdanken wir die einzigen Fotos von den beiden Trophäen im Bildarchiv des Deutschen Historischen Museums. Während die Kutsche auf Blüchers Gut Krieblowitz bei Breslau wohl 1945 vernichtet worden ist und die Orden Napoleons heute als Kriegsbeute im Historischen Museum Moskau verwahrt werden, haben neben den sich bei der Familie befindlichen Sporen und dem Wagenkissen auch der Hut und der Degen überdauert. Sie werden hoffentlich in der neuen Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Zeughaus Unter den Linden, die spätestens zu Beginn des Jahres 2006 eröffnet werden soll, zu sehen sein. Heinrich Lange
"Die historisch merkwürdigen Gegenstände, welche dem Nachlaß des Siegers von Dennewitz und Großbeeren entstammen": Bleistiftzeichnung von Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz, um 1908 |
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