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Er gehörte zu den hervorragenden deutschen Vertretern der gegenstandsfreien Malerei, manche nannten ihn auch den "Vater der jungen Wilden". Kunstkenner Günther Ott schrieb einmal über Fred Thieler, der vor 85 Jahren geboren wurde: "Seine Malerei ist nicht der Natur abgelauscht, seine Gemälde sind keine Abstraktionen von Landschaften, Erde, Meer und Wolken; wohl könnte mancher an naturalistischer Kunst geschulte Betrachter hier und da Wolken entdecken. Es handelt sich allerdings um Farbwolken, bewegte, geballte Formen. Auch Thielers Rot läßt nur an die Farbe des Feuers denken, nicht an ,beständige Wirklichkeit. Seine Kompositionen selbst sind ,Bildwirklichkeit. Sie wirken oft wie Scheinräume auf der Fläche, entfernt freilich von der ,Renaissance-Perspektive, eher rufen sie Assoziationen zur ,Welt-Anschauung aus einem Flugzeug, Tausende von Metern über der Erde, hervor ..."
"Maler sein", hat Thieler einmal bekannt, "heißt für mich, die Existenz eines Zeitgenosse n zu führen, der den Hauptteil seines Daseins mit dem Versuch verbringt, die Impulse seines Lebens: Anregungen wie Depressionen, Intuitionen wie berechnende Überlegungen, Reaktionen aus Einzelerlebnissen wie Erlebnisketten, malend aufzuzeigen oder im Malvorgang zu gewinnen ..." Malen war für ihn, der zunächst als Naturwissenschaftler ausgebildet wurde, "forschendes Tun"; seine Bilder sah er als "Positionszeichen, nahe und ferne, unbekannte, offene und verschlüsselte", als "Spuren auf den vielen menschlichen Wegen" und er forderte die Betrachter seiner Arbeiten zu "korresponierender Teilnahme" auf.
Fred Thieler wurde am 17. März 1916 in Königsberg geboren, wo sein Vater Rektor an der Volksschule Königsberg-Ponarth war. Nach dem Abitur am Löbenichtschen Realgymnasium studierte Thieler zunächst Medizin und leistete seinen Militärdienst ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Königsberger dann sein Studium der Malerei in München bei Carl Caspar auf. Für kurze Zeit war er damals auch Mitglied der Künstlergruppe "ZEN 49", die unter anderem von seinem Landsmann Rolf Cavael ins Leben gerufen wurde. Nach Aufenthalten in Holland und in Paris, wo er 1955 an der ersten Nachkriegsausstellung deutscher Kunst teilnahm, kehrte er nach München zurück.
1959 wurde er schließlich als Professor an die Berliner Hochschule für Bildende Künste berufen. Dort wirkte er bis zu seiner Emeritierung 1981. Schon 1967 war Thieler im deutschen Pavillon der Weltausstellung in Montreal mit Werken vertreten. 1972 und 1973 hielt er in den USA Gastvorlesungen am College of Art and Design in Minneapolis. Von 1978 bis zu seinem Tod am 6. Juni 1999 war er Mitglied der Akademie der Künste Berlin und der Neuen Darmstädter Sezession, seit 1979 Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Bildende Künste, Paris (19791984 Vizepräsident, seit 1984 Ehrenpräsident). Von 1980 bis 1983 war er Vizepräsident der Akademie der Künste Berlin. 1985 wurde Fred Thieler der Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde verliehen. Der Ostpreuße, den ein Kritiker einmal mit seinem Landsmann Corinth verglichen hat ("seine Malpranke" habe immer wieder etwas von Corinth an sich, so Heinz Ohff), lebte und arbeitete in Berlin und in Radegast. Zu seinem 75. Geburtstag stiftete der Künstler, der Vorbild für mehrere nachfolgende Generationen wurde, den "Fred-Thieler-Preis" für Malerei. Dieser alljährlich an seinem Geburtstag verliehene Preis soll herausragende Maler fördern, deren künstlerische Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, die aber bereits Anerkennung in der Öffentlichkeit verdienen.
Fred Thieler, der mit seinen Arbeiten auch immer wieder im sogenannten "öffentlichen Raum" (in Berlin, Kiel, Hannover, Ulm und in München) zu finden ist, wirkte auch im Alter mit nahezu unermüdlicher Kraft. Seine großformatigen Arbeiten erforderten oft große körperliche Anstrengungen, und immer wieder aufs neue erstaunte er die Fachwelt mit neuen Ergebnissen. Seine Bilder gleichen denn auch ekstatischen Farbträumen, sie wirken wie Visionen einer inneren Welt. Schon 1962/63 schrieb Heinz Ohff: "Man kann Thielers Bilder durchstreifen wie psychische Landschaften. Sie zeigen Seele, nicht Körper ..." Und: "Mit Thieler ist die Epoche informeller Malerei auch in Deutschland aus dem Stadium des Experiments endgültig herausgetreten. Hier ist nichts mehr Experiment. Zufall und Lenkung, Bewußtsein und Intuition, auf keinem Bild mehr voneinander zu trennen, zeigen Reife und beinahe klassisches Maß." Peter van Lohuizen
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