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Vor 50 Jahren wurde die Bundeswehr gegründet. Vor allen Dingen die USA forderten in den drei Westzonen des geteilten Deutschlands eine auf ihrer Seite stehende Armee, die die Qualität der alten Wehrmacht haben sollte, "aber ohne Hakenkreuz", wie General a.D. Kießling gern erzählt. So bauten die ehemaligen Generale, Offiziere, Unteroffiziere und Obergefreiten der Wehrmacht die neue Bundeswehr auf, die fest in ein international es System eingebunden wurde, damit sie keinerlei Eigeninitiative entwickeln konnte. Der Sinn der NATO war, wie es einer ihrer ersten Oberbefehlshaber ausdrückte, die Sowjets raus-, die Amerikaner drinnen- und die Deutschen niederzuhalten. Es war glaubhaft, daß die Soldaten der Bundeswehr allein das Ziel hatten, den noch nicht sowjetischen Teil Deutschlands und Europas im Bund mit den Alliierten gegen eine eventuelle sowjetische Expansion zu schützen.
Dann brach die Sowjetunion wirtschaftlich zusammen, ihr Machtblock, der Warschauer Pakt, zerbröselte, wichtige Völker, die unter kommunistischem Zwang in die Sowjetunion eingebunden worden waren, befreiten sich und wurden selbständig. Und die NATO hatte keinen Feind mehr. Deutschland war "von Freunden umzingelt".
Aber die USA entwickelten ihre neue Doktrin, wonach sie die ihr offenbar von Gott zugewiesene Aufgabe haben, in der Welt für Ordnung in ihrem Sinne zu sorgen. Sie wollten, wie sie es schon in dem Ersten Weltkrieg auf ihre Fahnen geschrieben hatten, die Welt für die Demokratie reif machen. Und sie setzten überall dort ihre Streitkräfte ein, wo es für sie politisch wie wirtschaftlich von Nutzen war. Dabei ging es dann, wie sie verlautbarten, um die Durchsetzung der Menschenrechte, doch tauchte auch die alte Floskel wieder auf, sie wollten Krieg führen, um damit endgültig den Frieden zu sichern. Da sich sehr schnell zeigte, daß sie, obgleich die "einzige Weltmacht", wie sie sich selbst etikettierten, dabei übernahmen, mußten ihre Verbündeten aus der Zeit des Kalten Krieges ran. Dazu gehörte in erster Linie die NATO, und in ihr wiederum zuvörderst die Bundesrepublik Deutschland mit ihren Soldaten und ihrer damals noch vorhandenen Wirtschafts- und Finanzkraft.
Auf den Geburtstagsfeierlichkeiten anläßlich des 50jährigen Bestehens der Bundeswehr sagte es der derzeitige Verteidigungsminister Peter Struck laut und deutlich: Nachdem die Bundeswehr aus einer Verteidigungsarmee, wie sie im Grundgesetz vorgesehen war, zu einer Interventionsarmee zum Einsatz überall in der Welt umorganisiert und umgerüstet worden ist, muß sie in Zukunft damit rechnen, in noch mehr Länder geschickt zu werden, "um dort streitende Parteien auch mit harten kriegerischen Mitteln auseinander zu halten." Und dabei erklärte Minister Struck, der niemals eine Soldatenuniform getragen hat, sei es nicht auszuschließen, "daß wir in solchen Einsätzen Soldaten verlieren werden, nicht nur durch Unfälle oder Anschläge, sondern durch eine militärische Auseinandersetzung". Er fügte, und damit hatte er nun einmal recht, hinzu, er finde es erstaunlich, daß man über diese Tatsache, die offen vor aller Augen liegt, in Deutschland nicht öffentlich dis-kutiert.
Daß solche bedeutenden Weichenstellungen von der Masse der Bundesrepublikaner schweigend hingenommen werden, mag daran liegen, daß die Deutschen sich daran gewöhnt haben, zu entscheidenden Problemen der Politik grundsätzlich nicht gefragt zu werden: siehe Einführung des Euro, siehe Erweiterung der EU ins Unendliche, siehe EU-Verfassung. Unsere politisch führenden Schichten trauen den Deutschen nicht; sie sind davon überzeugt, daß sie die einzigen sind, die die Probleme überblicken können, wohingegen es den Bürgern, die sie wählen sollen, an ausreichender Einsicht gebricht. Und so findet denn offenbar die deutsche Öffentlichkeit nichts dabei, daß in Zukunft noch mehr deutsche Soldaten in allen Winkeln der Erde Wache schieben, sich den Überfällen von Partisanen aussetzen, monatelang fern von ihrer Heimat und ihren Familien weilen und demnächst wohl auch in Kämpfe mit exotischen Völkern verwickelt werden, von deren Existenz sie bislang nur vage Vorstellungen haben.
Die lammfromme Haltung der Deutschen wird noch erstaunlicher, wenn Bundeskanzler Schröder und sein Verteidigungsminister weiterhin daran festhalten, das alles mit einer Armee von Wehrpflichtigen vollbringen zu wollen. Zwar wurden offiziell bereits in der jüngsten Vergangenheit Berufs- und Zeitsoldaten ins Ausland geschickt, doch wird die Zahl der Wehrpflichtigen, sogar der Reservisten, die mehr oder weniger freiwillig in die Fremde ziehen, immer größer. Wird der Aktionsradius der Bundeswehr noch weiter ausgedehnt, wird man wohl zunehmend auf weitere Wehrpflichtige zurückgreifen müssen. Dabei gibt es dann Gefallene, wenn auch Politiker dieses Wort vermeiden und statt dessen lieber formulieren, Soldaten seien "gestorben", so den Eindruck erweckend, der Tod sei eingetreten wie etwa bei jemandem, den eine Krankheit dahingerafft habe.
Wofür sollen die jungen Deutschen, und inzwischen sind es nicht nur Männer, sondern auch junge Frauen, ihr Leben einsetzen? Für die Bewahrung der Menschenrechte? Man gaukelte ihnen vor, wenn sie nicht ihren Kopf hinhielten, würde es zu einem "neuen Auschwitz" kommen, ein Argument, das sich später als Schwindel herausstellte. Krieg führen für den Frieden?
Das alles sind Bemäntelungen der wahren Ziele, denn kein einziger Auslandseinsatz geschah bislang, hinter dem nicht handfeste politische Interessen steckten, und zwar überwiegend Interessen der Vereinigten Staaten. Wäre es wirklich die Einhaltung der Menschenrechte, für die deutsche Soldaten ihr Leben riskieren sollen, dann müßten die Truppen der NATO oder UNO-Kontingente beispielsweise in Tschetschenien eingesetzt werden oder in Zentralafrika oder auch in Zimbabwe, wo ein wahnsinnig gewordener Potentat sein Volk ins Elend stürzt. Dort aber gibt es entweder keine Interessen der USA oder man steht innerlich auf der Seite des Unterdrückers bei seinem "Kampf gegen den Terrorismus" - wie in Tschetschenien.
Wenn sich junge Männer und vielleicht auch junge Frauen bereit finden, in einer Fremdenlegion ihre Gesundheit für Geld aufs Spiel zu setzen, sollen sie es tun. Junge Menschen als Soldaten einzuziehen ist aber nur gerechtfertigt, wenn sie die Existenz ihres Volkes zu verteidigen haben. Da ziehen alle heute vorgetragenen Argumente wie etwa, nur mit der Wehrpflicht bekäme man genügend qualifizierte und intelligente Menschen in die Streitkräfte, oder eine Wehrpflichtigenarmee sei preiswerter als eine Berufsarmee, nicht. Ausschlaggebend ist, wofür junge Deutsche ihr Leben einsetzen sollen. Der Einsatz wird nur gerechtfertigt, wenn die Nation verteidigt werden muß, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist. Die Behauptung, Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt, ist ein Schwindel. |
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