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Ein altes Sprichwort lautet: "Die letzten werden die ersten sein!" Bis heut erfreut sich diese Redensart großer Beliebtheit. Daß sie auch auf die aktuelle Situatio der deutschen Vertriebenen und all jener passen könnte, die sich eine bewuß gesamtdeutsche und mitteleuropäische Politik der "Berliner Republik" wünschen soll im folgenden verdeutlicht werden.
Nicht wenige Flüchtlinge bzw. Aussiedler aus Ostdeutschland, Schlesien, Pommern, de Sudetenland, dem Banat , der Batschka, aus Syrmien oder Siebenbürgen empfinden ihr persönliche Existenz und die Lage ihrer zersprengten Volksgruppe in der Bundesrepubli Deutschland als eine Art Nachlaßverwaltung. Man gehört, so der weit verbreitete Glaube einer aussterbenden Spielart deutscher Kultur an, die nur noch für die Erlebnisgeneratio selbst und für Historiker von Bedeutung ist.
Sogar den eigenen Kindern konnte im Regelfall keine engere Beziehung zur Heimat de Vorfahren vermittelt werden. Meist wurde dies nicht mal versucht: Der alltäglich Überlebenskampf der Nachkriegszeit und die gewollte Anpassung an die alteingesessene Deutschen hatten die Vertriebenen im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos gemacht. Späte waren alle Energien ins neue "Wirtschaftswunder" investiert worden.
Wie hoch der Preis ist, der dafür auf der immateriellen Ebene gezahlt wurde, wir vielen Betroffenen erst jetzt bewußt, da sie am Ende ihres Lebens Bilanz ziehen. Für die Zukunft der alten Heimat und die dortige Präsenz deutscher Kultur fällt solch ein Fazi fast immer vernichtend aus. Eine Bankrotterklärung sozusagen, die angesichts de Desinteresses bzw. der teils negativen Haltung deutscher Politiker unabänderlic erscheint.
Daß diese Resignation in vielerlei Hinsicht unbegründet ist und sich nicht zuletz durch die geschichtslose Dauerberieselung in den Massenmedien erklären läßt, zeigt ei Blick auf die seit dem europäischen "Völkerfrühling" von 1989 zu beobachtenden Umbrüche.
In Deutschland selbst fällt die epochale Zäsur des ausklingenden Ideologie- un beginnenden Kulturzeitalters am undeutlichsten ins Auge. In der Presse ist an die Stell der Terminologie des Kalten Krieges, die alle östlich der Bundesrepublik Deutschlan gelegenen Staaten als "Ostblock" deklarierte, lediglich der nicht minde unscharfe Ausdruck "Osteuropa" getreten.
Der Polen-Spezialist Joachim Rogall stellte fest, daß dieser Sprachgebrauc symptomatisch ist für die fortwirkende "geistige Distanz" der im Schatten de Eisernen Vorhangs aufgewachsenen Generationen gegenüber unseren östlichen Nachbarn, die "historisch, geographisch und nach ihrem Selbstverständnis ebenso wie Deutschland zu Mitteleuropa gehören".
Andererseits zeichnet sich ab, daß die sogenannten "68er" den Höhepunkt a Machtentfaltung überschritten haben. Was in der jüngeren Generation nachkommt, is angesichts des vorherrschenden politischen Desinteresses und des oft erschreckende Nichtwissens zwar reine Spekulation. Von einer Fortsetzung linksideologische Denkschemata, die u. a. eine Gleichsetzung der deutschen Flüchtlinge des Zweite Weltkrieges mit bösen "Revanchisten" und "Nationalisten" beinhalten kann aber sicherlich nicht die Rede sein.
In kleinen Teilen der Enkel- und Urenkelgeneration ist sogar ein aufkeimendes Interess an den Erzählungen der Heimatvertriebenen zu spüren, und die neuen Exportmärkte de bundesdeutschen Wirtschaft im Osten bedürfen zwangsläufig einer Horizonterweiterung.
Viel prägnanter läßt sich der Vorzeichenwechsel in den Reformstaaten beobachten. A die Stelle der massiv antideutschen Politik aus kommunistischer Zeit ist vom Baltikum bi nach Rumänien eine deutlich positive Ausrichtung auf Deutschland auszumachen. Dabe spielt selbstverständlich die Wirtschaftskraft der EU-Zentralmacht eine große Rolle aber auch die Erinnerung an historische Gemeinsamkeiten und die mit neuer Wertschätzun bedachten Einflüsse vertriebener bzw. heimatverbliebener deutscher Bewohner.
Bezeichnend für die Verhältnisse im Baltikum ist die Einladung des estnische Präsidenten Meri an die Adresse der Deutschbalten, in ihre Heimat zurückzukehre (ähnliches war aus Rumänien zu hören). Meri forderte die Deutschen insgesamt auf, sic von ihrem Selbsthaß zu befreien zum eigenen Nutzen und dem der Nachbarn Praktische
Aufbruchssignale gab es zuhauf. An dieser Stelle sei nur die 1989 per Bürgerentschei beschlossene Wiederaufstellung des Denkmals von Ännchen von Tharau im heute zu litauischen Staatsgebiet gehörenden Memel erwähnt.
In bezug auf Polen gibt es zwar eine verständliche Ernüchterung unter viele Ostdeutschen über den anhaltenden Stillstand in den brisanten Fragen des Heimatrechts un der Eigentumsrestitution. Aber diese sollte nicht den Blick dafür trüben, daß sic insbesondere in der geistigen Führungsschicht Polens das Deutschlandbild grundlegen verbessert hat.
Kazimierz Woycicki, der Leiter des Düsseldorfer Poleninstituts, wies am Rande de jüngsten Buchmesse in Frankfurt darauf hin, daß in seinem Land mehr Wissenschaftle über die Vertreibung der Deutschen forschten, als dies hierzulande der Fall sei Tatsächlich gehören Seminare zu diesem Themenbereich mittlerweile zum Alltag polnische Universitäten und finden anders als unter bundesdeutschen Studenten reges Echo.
In Schlesien vergeht kein Monat, in dem nicht irgendein altes Kulturdenkmal ferti restauriert wird oder zweisprachige Gedenktafeln für bedeutende Schlesier ode ostdeutsche Kriegsopfer feierlich der Öffentlichkeit übergeben werden.
Bundesdeutsche Medien ignorieren solcherart symbolische Wiedergutmachung un Wiederaufnahme von Traditionen allerdings ebenso wie die deutschen Familienwurzeln vo gleich drei amtierenden ostmitteleuropäischen Staatsoberhäuptern.
Wenigstens am Rande wird über die karpatendeutsche Herkunft des slowakische Präsidenten Rudolf Schuster berichtet, während praktisch niemand weiß, daß ein Tei der Familie Constantinescus ebenso deutsch ist wie die Eltern des am 4. August ins Am eingeführten ungarischen Präsidenten Ferenc (Franz) Mádl. Eine deutschfreundlich Einstellung wurde diesen Politikern somit in die Wiege gelegt und hat zweifellos Folge für die Einstellung gegenüber Berlin und Wien sowie hinsichtlich deutscher Minderheite vor der eigenen Haustür.
Wie wichtig die letzteren für die Beziehungen ihrer jeweiligen Staaten zu Deutschlan sind, läßt sich etwa daran absehen, daß genau in den Hauptsiedlungsgebieten de deutschen Volksgruppe in Südungarn das Deutsche bis heute quer durch alle Ethnien sein Vorrangstellung als Fremsprache gegenüber dem Englischen bewahren konnte.
In Rumänien hat das Schulwesen der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben trot deren Massenexodus von 1990/91 nicht nur überlebt, sondern wurde wegen des riesige Interesses rumänischer Eltern sogar ausgebaut. Heute wächst am Hermannstädte Brukenthal-Lyzeum oder am Honterus-Lyzeum in Kronstadt eine oft aus Oberschichtsfamilie stammende rumänische Jugend mit guten Deutschkenntnissen und einem sehr positive Deutschenbild heran.
Das Bedauern der aus jahrzehntelanger Fehlentwicklung resultierende Massenausaussiedlung der "eigenen" Deutschen ist inzwischen nicht nur fü rumänische Intellektuellenkreise typisch, sondern gibt eine Grundstimmung in de betroffenen Regionen wieder.
Sorin Preda hat diese Reue im August 1999 in der Bukarester Zeitschrift "Formul AS" in folgende Worte gefaßt: "Ein Jahrtausend sächsischer Geschichte geh dramatisch zu Ende; in völliger Indifferenz läßt man das Erlöschen de zivilisatorischen Prägungen zu, denen die siebenbürgischen Rumänen enorm viel zu verdanken haben. Friedliche Weggefährten unserer Geschichte, lassen die Sachsen ein schmerzliche Leere zurück. Ihr Weggehen ist in erster Linie eine rumänisch Niederlage."
Selbst in dem neben Tschechien einzigen tendenziell deutschfeindlichen Staat mi (teils) mitteleuropäischer Prägung nämlich in Jugoslawien bahnt sich ein Klimaverbesserung an, die in der Wojwodina die Erinnerung an die einst große (und sich in ihren Resten nun wieder formierende) deutsche Bevölkerungsgruppe einschließt.
Bezeichnenderweise avancierte Nenad Stefanovic, seines Zeichens Herausgeber de serbischen Donauschwaben-Buches "Volk an der Donau", zu Pressesprecher des nunmehr an die Macht gelangten Oppositionsführers Zoran Djindjic.
Solche Mosaiksteine des neuen Mitteleuropas lassen sich unzählige finden. In ihre Gesamtheit zeigen sie vor allem eines: Es wird für die deutsche Politik immer schwere werden, sich aus weiten Teilen der eigenen Geschichte davonzustehlen und das kulturell Erbe der vertriebenen Landsleute der Vergessenheit anheimzustellen. Die Berliner Republi muß endlich erkennen, daß die vermeintlich "letzten von gestern" in Wahrhei die "ersten von morgen" sind |
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