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Nach der Schlacht von Belle-Alliance, am Abend und in der Nacht des 18. Juni 1815 fiel den preußischen Truppen bei der Verfolgung des Feindes die vor dem Dorfeingang von Genappe auf freiem Feld festgefahrene Reiseequipage Napoleons in die Hände. Zur sogenannten "Blücherbeute" aus der Equipage, die gemäß damaligem Kriegsbrauch dem gehörte, der sie erbeutet hatte, und unter die Mannschaften und Offiziere verteilt wurde, befanden sich Garderobe, Tafelgeschirr, Luxusartikel, Waffen, Orden und Juwel en. Im persönlichen Reisewagen des Kaisers, einer sechsfach bespannten "Berline", fanden sich unter anderem sein Hut und Degen. Diese beiden Trophäen sind seit diesem Jahr in der neuen ständigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums im Berliner Zeughaus zu sehen. Doch von ihrer Herkunft und ihrem wechselvollen Schicksal erfährt man nichts.
Ein Zigarettenbild für ein Sammelalbum zeigt das Gemälde "Blücher empfängt 1815 bei Genappe die erbeuteten Orden, Hut und Degen Napoleons" von dem Berliner Historien- und Bildnismaler Rudolf Eichstaedt (1857-1924). Auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1894 hatte er dafür die "Kleine goldene Medaille" erhalten. Der infolge eines Sturzes vom Pferd am Bein verletzte Feldmarschall hält in der Rechten den Degen und in der Linken den Hut. Das Ölgemälde gab es wohl in zwei Ausführungen, deren Verbleib unbekannt ist: das eine im Schlesischen Museum der bildenden Künste in Breslau, das andere in der Städtischen Kunstsammlung in Görlitz.
Hut und Degen sowie die Orden soll Blücher König Friedrich Wilhelm III. übersandt haben, der sie in der Kunstkammer des Berliner Schlosses verwahrte. Hut und Orden gelangten Anfang der 1880er Jahre aus der Königlichen Kunstkammer des Berliner Schlosses in das Hohenzollern-Museum im Schloß Monbijou und waren dann bis 1919 in einer Vitrine des unter Kaiser Wilhelm I. zum Waffen- und Heeresmuseum umgebauten Zeughauses ausgestellt. Als die Bestimmungen des Versailler Vertrages bekannt wurden, welche die Rückgabe der im Deutsch-Französischen und dem Weltkrieg eroberten Trophäen auferlegten, drangen am 23. Juni 1919 Soldaten und Studenten ins Zeughaus und bemächtigten sich unter anderem der Orden Napoleons, obgleich diese Stücke aus den Befreiungskriegen nicht von der Rückgabeforderung betroffen waren. Nur der Hut, eine Doppelflinte und eine der beiden Pistolen Napoleons, die in der gleichen Vitrine aufbewahrt wurden, waren dem Zeughaus von den Napoleon-Andenken verblieben.
Doch 1933 kann Kustos Paul Post die Rückgabe der Orden "von ungenannter Seite" an Ministerpräsident Hermann Göring, der sie an das Zeughaus zurückführen ließ, mitteilen. Im Winter 1933/34 war dann der größte Teil der Genappe-Beute in der Sonderausstellung "Der Reisewagen Napoleons I. und die Blücherbeute von Belle-Alliance" im Lichthof des Zeughauses versammelt. Post schreibt, daß hier "aus öffentlichem und Privatbesitz alles zusammengetragen ist, was aus der ‚Blücherbeute in Genappe noch vorhanden und erreichbar war."
Im Zweiten Weltkrieg wurden Hut wie Orden in den Flakbunker am Zoo ausgelagert, wo sie 1945 in die Hände einer Trophäenkommission gelangten, die sie als Kriegsbeute in die Sowjetunion verbrachte. Im Gegensatz zu den Orden wurde der Hut bei einer Rückführungsaktion eines Teils des Beutegutes unter Nikita Chruschtschow 1957 an die DDR zurückgegeben und im "Museum für deutsche Geschichte" der DDR im wiederaufgebauten Zeughausgebäude ausgestellt.
Anders als Napoleons Hut wurde sein Degen nicht aus der Kunstkammer des Berliner Schlosses ins Schloß Monbijou und dann ins Zeughaus gebracht, sondern im Feldmarschall-Saal der Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde aufbewahrt. Nach einem "Bericht über den Degen Napoleons I." im Archiv des Deutschen Historischen Museums wurde er zuletzt in der dortigen Kirche aufbewahrt: "Er lag in einem Kasten, der auf einem Messingschild die Widmung des Feldmarschalls trug. Über das Schicksal des Degens von 1919-1938 kann nur das mitgeteilt werden, was allgemein erzählt wird ... In den Monaten, die auf das Kriegsende 1918 folgten, brachen in Deutschland und besonders in Berlin Unruhen aus. In Lichterfelde befanden sich damals noch die Kadetten in ihrer Anstalt. Diese jungen Leute waren in Sorge, daß von unberufener Seite der Degen Napoleons entwendet werden könnte. Ohne von einander zu wissen, erschienen eines Nachts zwei Kompanien Kadetten mit ihren Erziehern in der Kirche, um den Degen zu bergen. Die Überraschung war auf beiden Seiten groß; noch größer wurde sie aber, als festgestellt wurde, daß der Degen bereits verschwunden war. Wer ihn genommen und geborgen hat, ist mir unbekannt.
Nach vielen Jahren, etwa in der zweiten Hälfte der 30er Jahre ist der Degen plötzlich zum Vorschein gekommen, und zwar wurde er Göring zum Geburtstag geschenkt. Dieser lehnte die Inbesitznahme ab mit der Begründung, der Degen sei Staatsbesitz und gehöre in eine dem Staat gehörige Sammlung. Bald nach Kriegsausbruch, im September 1939 überbrachte ein Beauftragter Görings den Degen dem Zeughaus. Hier wurde er sofort inventarisiert unter der Nummer 39625. Bei einer Ausstellung im März 1940 in der Nationalgalerie ist der Degen in seinem Originalkasten zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt worden. Nach Schluß der Ausstellung ist er als eins der bedeutungsvollsten Stücke der Zeughaussammlung der Luftgefahr wegen im Flakturm am Zoo geborgen worden, von wo er im März 1945 mit anderen wertvollen Stücken der Staatlichen Museen erst nach Merkers und von da mit großer Wahrscheinlichkeit nach Wiesbaden verlagert worden ist."
Die Überweisung des Degens durch Göring 1939 wird durch das "Ankaufsbuch des Staatlichen Zeughauses für dieses Rechnungsjahr" bestätigt. Im März 1945 wurde er vor der endgültigen Einschließung Berlins durch die Rote Armee in das Kalibergwerk Merkers bei Kaiseroda in der Rhön ausgelagert und gelangte nach der Bergung des dortigen Kunst- und Kulturgutes durch die Amerikaner im April 1945 in den "Central Art Collecting Point", die Zentralsammelstelle für die ihnen in die Hände gefallenen ausgelagerten Kulturschätze des Deutschen Reiches, im Neuen Museum des Wiesbadener Schlosses, dem heutigen Hessischen Landesmuseum. Im Juni 1945 wurde der gesamte Bestand dieses Kulturgutlagers auf die Treuhandverwaltung des Landes Hessen in Wiesbaden übertragen.
Nachdem 1957 die Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in West-Berlin erfolgt war, deren Aufgabe es war, in der Bundesrepublik Deutschland befindliches Kunst- und Kulturgut des ehemaligen Landes Preußen zu übernehmen, gelangte der Degen 1958 in die Obhut der Staatlichen Museen zu Berlin, Museum Dahlem. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und Verhandlungen bis 1994 über die Rückführung der ehemaligen Zeughausbestände in West-Berlin als Leihgaben der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" ins nunmehrige Deutsche Historische Museum sind Hut und Degen Napoleons erstmals wieder zusammen im Zeughaus zu bestaunen.
Foto: Rudolf Eichstaedt: "Blücher empfängt 1815 bei Genappe die erbeuteten Orden, Hut und Degen Napoleons" |
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