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Es hätte nicht viel gefehlt, und die PDS wäre in Brandenburg zur stärksten Partei und sogar zum Partner einer Koalitionsregierung geworden. Eine Ahnung von der Geisteshaltung, die damit in Potsdam an die Macht gekommen wäre, vermittelte die "Aktuelle Stunde", die der Brandenburger Landtag am 25. November zum 15. Jahrestag des Mauerfalls veranstalt ete.
Die PDS schickte eine Nachwuchskraft, die 24jährige Carolin Steinmetzer, ans Rednerpult. Beim Mauerfall war sie neun. Ihre Bewertung der DDR-Vergangenheit ist nach wie vor ausschließlich vom persönlichen Erleben geprägt: "Ich kann sagen, daß ich eine unbeschwerte Kindheit in der DDR hatte, eine sorgen- und angstfreie." Sie habe Freunde gehabt, nach der Schule hätten die Eltern sich um sie gekümmert. Heute seien dagegen viele Dörfer ohne Kinder, und die Eltern hätten Angst vor Arbeitslosigkeit und vor der Zukunft überhaupt. Ihre Schlußfolgerung, mit der sie für einen kleinen Eklat sorgte: "Bis 1989 hat die Mauer Menschen und Familien getrennt, und heute werden wieder Familien getrennt, durch eine falsche Politik im Land."
Der Ministerpräsident und ehemalige Bürgerrechtler Matthias Platzeck (SPD) mochte sich diesem Rückblick auf ein Idyll nicht anschließen. Er verwies auf die Internierungslager, die die SED geplant hatte, und berichtete, wie er 1989 von Stasi-Beamten aufgesucht wurde, die ihm mitteilten, um seine drei Kinder müsse er sich keine Sorgen machen, denn in einem staatlichen Kinderheim würden sie besser erzogen als bei ihren Eltern. Als der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky seine junge Kollegin unter Hinweis auf die persönliche Meinungsfreiheit in Schutz nahm, sagte Platzeck, es habe sich um keine persönliche Erklärung, sondern um eine Stellungnahme der PDS-Fraktion gehandelt. Eine originelle Replik kam vom CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek, der sagte, eine PDS-Abgeordnete solle nicht aus der Perspektive einer Neunjährigen reden.
Carolin Steinmetzer bleibt trotzdem bei ihrer Haltung. Die DDR sei keine "pure Diktatur" gewesen. Es habe damals "Errungenschaften" gegeben, die heute nicht mehr existierten. "Wir sollten das Positive aus der DDR mitnehmen, um ein wirklich einheitliches Deutschland zu werden." Steinmetzer - blond, blauäugig, gutaussehend - studiert an der Potsdamer Universität Philosophie, Politik und Neuere Geschichte. Ihre schriftliche Abschlußprüfung, die sie dem Thema widmete: "PDS - eine temporäre Regionalpartei?", ist vom Zweitprüfer freilich mit mangelhaft bewertet worden.
Mit 18 trat sie in die PDS ein. Ihre Äußerungen werden vor ihrem familiären Hintergrund in gewisser Weise verständlich: Die Mutter, eine studierte Ökonomin, hat seit 1990 keine Arbeit mehr gefunden, ihrem Vater, einem Tiefbauingenieur, ist mehrfach gekündigt worden. Er ist seit sieben Jahren arbeitslos.
Die meisten PDS-Mitglieder sind inzwischen älter als 65 Jahre. Um so wichtiger sind der PDS ihre wenigen Nachwuchsleute, die sie aus Propaganda-Gründen in die erste Reihe schiebt. In diesem Fall ging der Schuß nach hinten los. Steinmetzer hat aus dem Bauch heraus nämlich nicht bloß ihre süßen Kindheitserinnerungen erzählt. Sie hat unfreiwillig die Haltung und Gemütslage innerhalb ihrer gesamten Partei auf den Punkt gebracht, damit aber einen für die Außenwirkung der PDS verheerenden Fehler gemacht. Die PDS-Fraktionsvorsitzende Dagmar Enkelmann sagte denn auch, sie habe die Rede vorher nicht gekannt und hätte sie so nicht gehalten. Vor allem der Vergleich mit dem Mauerbau sei unglücklich gewesen. Besseren Nachwuchs aber hat die Partei nun einmal nicht.
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