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Täterväter im Trend

 
     
 
Es lohnt manchmal, einen Blick in Publikationen zu werfen, die eigentlich außerhalb des Interessengebietes liegen. So offenbart die Zeitschrift "Mittelweg 36" aus dem von Jan Philipp Reemtsma unterhaltenen "Hamburger Institut für Sozialforschung" interessante Ansichten.

Zugegeben: Die Lektüre mancher Beiträge ist quälend, weil ein Deutsch gepflegt wird, das offenbar unverständlich sein soll. Was soll beispielsweise "die Sondierung einer Zukunft des Erinnerns, die faktisch schon begonnen hat" bedeuten? - "Ambiguität" findet man zwar in der neuesten Duden
-Ausgabe, doch scheint es eine modische Erfindung zu sein, denn in Ausgaben vor der Rechtschreibreform fehlt dieser aparte Ausdruck (der übrigens "Ehrgeiz" bedeutet, aber warum schreibt das der Autor nicht?). Und auch eine Formulierung wie die von "kontingenten Prozessen mit kontrafaktischen Reflexionen" findet man nicht alle Tage.

Dennoch enthält das Heft mindestens zwei bemerkenswerte Informationen. So untersucht ein Autor die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schießenden "Familienromane" vor allem von weiblichen Autoren, in denen sie sich herumschlagen mit ihren "Tätervätern". Die Verdächtigungen, die sie um ihre Väter ranken, nehmen die Damen so mit, daß sie von chronischen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Schuldgefühlen berichten, die sie veranlassen, sich Psychotherapeuten anzuvertrauen.

Nun fragt unser Autor, was denn eigentlich diese "Täterväter" Schlimmes getan haben. Und er kommt zu dem Schluß: In manchen Fällen genügt die Feststellung einer Parteimitgliedschaft, um über weitergehende schuldhafte Verstrickungen mutmaßen zu können. Nur in einem Falle hat er einen Vater gefunden, der sich als Gestapo-Mann Verbrechen schuldig gemacht haben könnte; alle anderen Väter in dieser "Vaterliteratur" aber sind im Grunde harmlose Zeitgenossen gewesen. Verbrechen jedenfalls kann man ihnen nicht nachsagen, wenn man nüchtern genug bleibt und sich nicht gefangen nehmen läßt von dem hierzulande seit Jahrzehnten praktizierten Schuldkult. Der Verfasser spricht solchen Büchern lediglich einen "Erbaulichkeitseffekt" zu, angesichts dessen man "dann auch nicht mehr fragen (muß), ob der Vater wirklich Massenmörder war oder nur ein kleines Rad im Getriebe".

Bemerkenswert übrigens die Feststellung, daß offenbar die Reemtsmasche Propagandaausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht", die wegen zahlreicher Fälschungen schließlich aufflog, der äußere Anlaß für manche dieser Bücher gewesen ist.

In einem anderen Artikel erfährt man, was die Ansicht mancher Zeitgenossen bestätigt, die "Rote Armee Fraktion" sei mindestens ebenso sehr ein Fall für den Psychiater gewesen wie für die Polizei. Schon 1971 wurde von einer Putzfrau der Entwurf eines Briefes gefunden, dessen Empfängeradresse verschlüsselt war, deren Verfasser erst nach Jahren in Erfahrung gebracht werden konnte. In diesem Brief bittet Ulrike Meinhof die "Partei der Arbeit der Volksrepublik Korea", Mitglieder der RAF in Nordkorea militärisch auszubilden, damit sie wirksamer in der Bundesrepublik Deutschland kämpfen können. Ihr Ziel: ein "einheitliches sozialistisches Deutschland mit der Arbeiterklasse der DDR und ihrer Partei und niemals gegen sie" zu schaffen. Das Ausmaß der Verblendung der linken Terrorbande wird deutlich, wenn man weiß, daß der Kommunismus in Nordkorea bei einer Einwohnerzahl von etwa 23 Millionen Menschen mehr als drei Millionen Tote verursacht hat. Ob der Brief jemals abgeschickt wurde, ist nicht bekannt. Deutlich wird durch den Brief auch, wie eng die Verbindung der Baader-Meinhof-Bande mit der DDR war.

"Mittelweg 36 - Zeitschrift des Hamburger Institutes für Sozialforschung", Hamburger Edition HIS, Heft Juni / Juli 2006, 96 Seiten, 9,50 Euro
 
     
     
 
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