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Währungspolitik: Wilde Devisenströme

 
     
 
Die Supermärkte an den Rändern der tschechischen Grenzorte zu Niederösterreich, Bayern oder Sachsen verwenden bei den meisten teureren Waren doppelte Preisauszeichnungen - also nicht gerade bei Brötchen oder Joghurt, wohl aber bei Hartkäse und Wurst, erst recht bei Spirituosen und Pralinen. Selbst beim Frisör auf dem böhmischen Dorf wird gefragt: "Korun" (Kronen) oder "Euro"?

In der Republik Polen
ist es nicht anders, ebenso in der Westslowakei sowie in Ungarn bis weit über Budapest hinaus. Die Menschen in den ostmitteleuropäischen Staaten, und zwar nicht nur in den EU-Beitrittsländern, haben nicht lange gefackelt und den auch bei ihnen ungeliebten Euro kurzerhand zur Zweitwährung gemacht (die "zuverlässigere" D-Mark wäre ihnen dafür allerdings lieber gewesen).

Das Ergebnis ist ein Währungsgebiet, das faktisch bis zum Bug und bis zur ungarisch-ukrainischen Grenze reicht und von dem die Europäische Zentralbank (EZB) nur wenig weiß.

Eine funktionierende Geldmengenpolitik hat überhaupt nur die Deutsche Bundesbank zustande gebracht sowie in ihrem Gefolge die kleineren Notenbanken, die ihre Währungen an die D-Mark gebunden hatten. Die französische Nationalbank war wegen ihrer Regierungsabhängigkeit nie dazu fähig, die italienische und spanische haben es gar nicht versucht.

Im Repertoire der EZB, kommt dieser Begriff kaum vor, die ostmitteleuropäischen Notenbanken kennen diese währungspolitische Kategorie nicht einmal. Festzuhalten bleibt deshalb, daß die Europäische Zentralbank kaum Einfluß auf die Geldmenge hat, - und zwar umso weniger, je größer der gleichfalls "schwarze" Euro-Umlauf in Osteuropa ist.

Besonders große Probleme wirft die Republik Polen auf. Der Euro-Transfer durch die unübersehbare Schwarzarbeit polnischer Bürger (sowie von Oberschlesiern mit Doppelpaß) im Bundesgebiet, in Österreich und den Beneluxländern entzieht einen Teil des Geldumlaufs jeder Kontrolle. Hinzu kommt der Dollarzufluß aus der riesigen polnischen Diaspora in den USA. Diesen Devisenflüssen dürften noch die Folgen der DM- und Dollarhortungen in der Vorwendezeit hinzuzurechnen sein, als fast jeder erwachsene Pole eine wandelnde Devisenbörse war.

Derzeit sieht es danach aus, als ob massive Umtauschbewegungen vor allem von Polen sowohl aus älteren Dollarhortungen wie aus der nationalen Währung in den Euro stattfinden - mit großen Folgen für die Wechselkurse und damit die Exportwirtschaft. Die besonders für die Bundesrepublik Deutschland fast existenzgefährdende Überbewertung des Euro, die in bizarrem Gegensatz zur Zerrüttung der öffentlichen Finanzen in Deutschland, Frankreich, Italien und teils auch in Spanien steht, ist das Ergebnis monetärer Fluchttendenzen, die nicht nur von Asien, sondern auch von Ostmitteleuropa ausgehen.

Die hehren Worte aus Brüssel und Frankfurt, wonach die Beitrittsländer den Euro "erst nach Erfüllung der Stabilitätskriterien einführen können", ähneln den Sprücheklopfereien, mit denen bereits 1991 in Maastricht das europäische (Alp-)Traumprojekt des "Euro" verkündet wurde.

Die Aufblähung des Euro-Volumens, die von der deutsch-französischen Schuldenwirtschaft ausgeht (und der italienischen sowieso), wird nach der EU-Erweiterung ab Mai 2004 zusammen mit dem "kalten" Anschluß Ostmitteleuropas an die Währungszone seine verheerende Wirkung voll entfalten. Dann müssen wir wohl endgültig erleben, daß alle Beschwörungen des Euro als "verläßlich und stabil" nur heiße Luft waren. Dietmar Stutzer
 
     
     
 
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