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Berliner Polit-Theater

 
     
 
Berlin hat drei Opernhäuser: Die Staatsoper Unter den Linden, die Komische und die Deutsche Oper in der Bismarckstraße im ehemaligen Westteil. Für die Hauptstadt sind es kulturelle Leuchttürme. Bis vergangenen Mittwoch war die Gefahr akut, daß einem von ihnen das Licht ausgeknipst wird. Am 25. Juni hatte der Kultursenator
Thomas Flierl (PDS) vor dem Kulturforum der SPD erklärt, entweder sei der Bund bereit, dem geschrumpften Opernetat 33 Millionen Euro zuzuschießen, oder die Staatsoper müsse mit der Deutschen Oper fusionieren. Das aber wäre auf die Schließung eines der beiden Häuser hinausgelaufen.

Kulturstaatsministerin Christina Weiß hatte zunächst nur zehn Millionen in Aussicht gestellt. Am 2. Juli gelang es ihr, dem Kanzler und dem Finanzminister für das kommende Jahr 25 Millionen abzuringen. In den nächsten Jahren werden kontinuierlich jeweils 22 Millionen fließen. Das ist ein Drittel weniger als ursprünglich verlangt, doch alle scheinen zufrieden. Der Restbetrag soll durch die Zusammenführung der Häuser in einer Opernstiftung und durch Entlassungen erbracht werden.

Die Opern sind vorerst gerettet. Damit hat die Bundesregierung sich und die Berliner Landesregierung vor einem kulturpolitischen Debakel bewahrt. Alles andere wäre für das Kulturleben und für die Berliner Psychologie eine Katastrophe gewesen. Eine Opernabwicklung hätte Folgen für das ganze Land gehabt. Denn wenn es schon ein international bekanntes Haus in der Hauptstadt trifft, warum sollen die Bürgermeister in anderen Städten sich dann noch genieren? Gerhard Schröder, der einst mit dem Vorschlag von sich reden machte, Bundesligaklubs mit staatlichen Bürgschaften über Wasser zu halten, kann einen PR-Erfolg verbuchen. Er steht jetzt nicht mehr als Banause, sondern als Schirmherr der Schönen Künste da. Zugleich hat er die rot-rote Landesregierung vor einem weiteren Stimmungseinbruch bewahrt.

Der Senat war mit seiner Millionenforderung zum ungünstigsten Zeitpunkt an die Bundesregierung herangetreten. Die jetzt getroffenen Vereinbarungen hätten in besseren Zeiten längst festgezurrt werden müssen. Es war stets klar, daß eine Beteiligung des Bundes an der Opernfinanzierung nur auf der Grundlage einer Strukturreform erfolgen würde, die die Zusammenlegung technischer Bereiche und der Verwaltung sowie die Abstimmung der Spielpläne einschließt. Seit Jahren war darüber geredet worden, aber nichts hatte sich getan. SPD und PDS hatten im Wahlkampf 2001 getönt, in der Stadtentwicklung intelligente Schwerpunkte setzen, das heißt Kultur und Wissenschaft als Standortfaktoren fördern zu wollen. Die Praxis sieht anders aus, die rigide Sparpolitik zerschlägt die letzten Tassen, die die Stadt noch im Schrank hat. Irritiert stellte die Staatsministerin fest: "Manchmal hatte ich das Gefühl, nur Flierl und ich wollen überhaupt die Opern erhalten. Und bis zum Schluß gab es mehr Fürsprecher auf der Seite des Bundes als aus Berlin."

Unheilvoll ist die Rolle des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Wowereit ist ein Opernliebhaber, der sich fatalerweise für einen Experten hält. Die Bemühungen des früheren Kultursenators Christoph Stölzl (CDU), die Reform rechtzeitig unter Dach und Dach zu bekommen, hatte er - damals noch als Vorsitzender des Finanzauschusses im Abgeordnetenhaus - aus Parteikalkül torpediert. Gregor Gysi nannte ihn einen "genialen Zerstörer". Sein letzter Coup war die Demontage des Intendanten der Deutschen Oper, Udo Zimmermann, der in dem Haus ein innovatives Konzept verwirklichen wollte. Nach nicht einmal zwei Jahren warf Zimmermann das Handtuch. Ausgerechnet in einer Phase, in der es um das Überleben geht, ist das Haus praktisch kopflos.

So erfreulich die Nachrichten der letzten Woche sind, sie bedeuten nur eine Atempause. Denn die Berliner Opern, wie die Theater überhaupt, sind seit Jahren notorisch unterfinanziert, was sich bis in den Sanitärbereich hinein auswirkt. Niemand weiß, woher die 100 Millionen Euro kommen sollen, die die fällige Sanierung der Lindenoper kosten wird. Ihre Bühnentechnik ist derart marode, daß bei jeder Aufführung mit einer Panne gerechnet werden muß.

Der stolze Verweis auf die Kultur und Wissenschaft in Berlin hatte stets eine traurige Kehrseite: Über etwas anderes verfügt die Stadt nicht. Sie ist ohne industrielle Basis, ohne Großbanken und Konzernzentralen, die als Sponsoren tätig werden könnten. Der große Energieschub, den man sich vom Hauptstadtumzug versprach, ist ausgeblieben. Hinzu kommt die unprofessionelle Lobbyarbeit der Berliner Landesregierung. Von ihr ist nur ein aggressiver Jammerton zu vernehmen, der den Bund und die anderen Länder abstößt. Der Bund verweist seinerseits auf die 300 Millionen Euro, die er für die Berliner Kultur jährlich zuschießt. Trotzdem hätte die Stadt gute Argumente. Die Unterfinanzierung ihrer Kultureinrichtungen geht auf einen Strukturfehler zurück, den sie nicht verursacht hat: Viele der Museen, Theater, Schlösser etc. waren Einrichtungen des preußischen Staates, der vom Rhein bis Königsberg reichte. Mit dem Unterhalt dieser Erbmasse ist ein Stadtstaat überfordert. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz kann nur partiell für Ausgleich sorgen. Auch eine Fusion mit Brandenburg zu einem "Rumpfpreußen" würde keine Entlastung bringen. Der einzige Ausweg ist ein Hauptstadtvertrag, der die wichtigsten Kultureinrichtungen unter ein nationales Dach stellt.

Flierl sagte vor dem SPD-Kulturforum, es sei die Entstaatlichung der Kulturfinanzierung nötig. Berlin müsse sich zur "BürgerInnengesellschaft" entwickeln. Doch was heißt das konkret? Die Zahl potentieller Großsponsoren ist äußerst begrenzt. Und bei den Berliner "Bürgern", die sich für Kultur interessieren, ist wenig zu holen. Die kleinen Antiquariate, Buchläden, Literarischen Salons und Galerien können davon ein Lied singen. Nachwuchsakademiker zum Beispiel, die normalerweise als potentielle Kunden und Ansprechpartner in Frage kommen, halten sich heute mit Zeitverträgen, Honorararbeiten oder Arbeitslosengeld über Wasser und ihr Geld lieber zusammen.

Lange hatte die Berliner Kulturszene dem politischen und finanziellen Chaos in der Stadt einen gewissen Charme zugebilligt. Es ging so erfrischend unspießig zu, nichts war unmöglich, solange man über Improvisationsgabe verfügte, und beinahe waren Kunst und Leben identisch. Doch ein Chaos, das sich nicht auf eine solide Ordnungspolitik als Kontrastfläche und ökonomische Grundlage beziehen kann, das also zum allgegenwärtigen Prinzip geworden ist, schlägt irgendwann in Zerstörung und Depression um. Berlin steht damit stellvertretend für das ganze Land.

Vorerst gerettet: Berlins Staatsoper Unter den Linden
 
     
     
 
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