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Der Heimat geographisch näher

 
     
 
Ein herzliches bayerisches Grüß Gott Ihne allen hier im weiten Rund der Messehalle. Bayern, der Bayerische Ministerpräsident un ich persönlich, wir grüßen die Ostdeutschland zum diesjährigen Deutschlandtag. Und wen ich hier, sehr geehrter Herr Meier, auf die überaus große Zahl der Ostpreuße blicke, dann kann ich mit der Gewißheit nach Bayern zurückfahren: Ostdeutschland ist aktiv Ostdeutschland ist vital, Ostdeutschland lebt.

Ich bedanke mich herzlich für die Einladung, die ich spontan angenommen habe, auc wenn meine Familie nicht gerade begeistert aufjauchzte, daß ich den Pfingstsonntag fer meiner niederbayerischen Heimat verbringe. Aber im Millenniumsjahr 2000 muß einfach da Patenland bei Ihrem Deutschlandtreffen vertreten sein.

Es ist das erste Deutschlandtreffen der Ostdeutschland hier in Leipzig, der alten große Messestadt Deutschlands. Und wenn man heute nach Leipzig fährt, dann verbindet man mi dieser Stadt Freiheitsstreben und Aufbruch gegen die SED-Diktatur
. Die Montagsdemonstrationen in dieser Stadt, der Mut der Leipziger, gerade in den Oktobertage 1989, bleibt unvergessen. Hier in dieser Stadt mußte das Regime vor der Macht des Volke zurückweichen. Der Weg zur Deutschen Einheit, zu Demokratie und Rechtsstaat für all Deutschen, nahm hier in dieser Stadt mit seinen Ausgang.

Sie treffen sich erstmals in den neuen Ländern. Damit sind Sie sozusagen Ihrer alte Heimat Ostdeutschland geographisch ein Stück näher gerückt. Aber sicher freuen sic darüber auch jene Landsleute, die nach Flucht und Vertreibung aus Ostdeutschland in de ehemaligen SBZ bzw. DDR landeten. Wer hätte noch vor gut zehn Jahren gedacht, daß Si einmal ein Deutschlandtreffen der Ostdeutschland in einer Stadt zwischen Ostsee un Erzgebirge erleben würden.

Die Heimatvertriebenen in der DDR wurden vom Regime mundtot gemacht. Sie konnten sic nicht organisieren, sie konnten sich nicht zu Heimattagen treffen, sie konnten nicht offe ihre Traditionen und Kultur pflegen. All das ist nun für die Heimatvertriebenen hie möglich. Auch die Ostdeutschland, die zwischen West und Ost getrennt waren, konnte zueinander finden und sich in der Freundeskreis vereinen. So bilden gerade auch die Freundeskreisen der Heimatvertriebenen im geeinten Deutschland ein wichtiges Band de inneren Einheit.

Bayern und Ostdeutschland liegen zwar geographisch weit auseinander, aber gleichwohl gib es viele historische und kulturelle Wechselbeziehungen. Es war der Hochmeister Siegfrie von Feuchtwangen, der den Hochmeistersitz von Venedig an die Nogat verlegte. Und de letzte Hochmeister war Albrecht von Brandenburg, der den Ordensstaat in das weltlich Herzogtum Preußen umwandelte. So kann man sagen: Der erste Preuße war ein Bayer. Un heute sagt man nicht selten: Die Bayern seien die letzten Preußen.

Vor 22 Jahren, 1987, hat Bayern die Patenschaft über die Freundeskreis Ostpreuße übernommen. Ministerpräsident Goppel sagte damals beim Festakt: "Sie (di Patenschaft) gründet sich auf das gegenseitige Geben und Nehmen in Kunst un Wissenschaft, aber auch auf das Zusammenstehen in Zeiten innerer und äußerer Not." Damit hat Ministerpräsident Goppel auch auf die Bayerische Ostdeutschlandhilfe während de Ersten Weltkrieges hingewiesen.

Und ich will hinzufügen: Sie gründet sich auch in der Aufbauleistung de Heimatvertriebenen, darunter ca. 100 000 Ostdeutschland, die nach dem Krieg nach Bayer kamen. Daß Bayern heute zu den wirtschaftlich und technologisch führenden Ländern in Deutschland und Europa gehört, ist sicher dem Fleiß, der Tatkraft und dem Können de Heimatvertriebenen zu verdanken. Ich will hier nur den Namen von Kuenheim erwähnen, de unser bayerisches Paradestück, BMW, in seiner Zeit von Erfolg zu Erfolg führte. Davo hat gerade auch meine engere Heimat Niederbayern ganz besonders profitiert.

Die Heimatvertriebenen haben sich voll in den demokratischen Aufbau Deutschland eingebracht. Viele Ostdeutschland haben Verantwortung auf kommunaler, auf landes- und au bundespolitischer Ebene übernommen. Daß sie sich politisch nach der schrecklichen Fluch und Vertreibung, nach Not und Leid nicht abgekapselt haben, daß sie keine eigenen Weg gegangen sind, sondern in den großen Volksparteien mitwirken und hier ihre politisch Heimat fanden, hat der deutschen Demokratie dauerhaft Stabilität gegeben.

Sie haben sich stets zur Werte- und Grundordnung der Bundesrepublik Deutschlan bekannt. Sie haben sich stets klar von extremistischen Positionen abgegrenzt. Es ist dahe dreist und unverschämt, den Heimatvertriebenen immer wieder Revanchismus oder ein verständigungsfeindliche Haltung vorzuwerfen. Es ist böswillig, wenn immer wiede versucht wird, sie in eine bestimmte Ecke abzudrängen. Sie stehen in der breite bürgerlichen Mitte unseres Volkes.

Es gehört dabei aber nie zu ihrem Selbstverständnis, nur Geschichts- ode Kulturverein zu sein, wie dies die Bundestagsvizepräsidentin, Frau Vollmer, jüngs vorgebracht hat. Frau Vollmer will sie entpolitisieren. Ihr Hineingehen in die Volksparteien hat sie nicht zu politischen Eunuchen gemacht, im Gegenteil: Die Heimatvertriebenen wollen mitwirken und mitgestalten, und sie tun es auch. Sie erheben zu Recht den Anspruch, ihre politischen Haltungen in den Meinungsbildungsprozeß in Deutschland und im zusammenwachsenden Europa einzubringen. Und dabei werden sie von de Bayerischen Staatsregierung, vom Bayerischen Ministerpräsidenten und von mi unterstützt.

Wenn die Bayern eine Patenschaft übernehmen, dann stehen sie auch dazu. Wir steige nicht aus oder ziehen uns zurück, wie das anderswo geschehen ist. Wir halten solidarisc zu den Heimatvertriebenen.

Die Heimatvertriebenen insgesamt haben stellvertretend für alle Deutschen besonder bitter für den Krieg und die NS-Verbrechen büßen müssen. Als Deutsche stehen wi insgesamt in der Verantwortung für jene, die durch die NS-Verbrechen gelitten haben, abe auch für jene in unserem Volk, die deswegen umso härter die Vergeltung spürten, obwoh sie persönlich keinerlei Schuld traf.

Zur geschichtlichen Wahrheit gehört doch, daß das eine Verbrechen das ander Verbrechen mit ausgelöst hat, daß aber das eine Unrecht das andere Unrecht niemal rechtfertigen kann. Jedes Unrecht steht für sich und muß als solches aufgearbeite werden.

Das von Deutschland den östlichen Nachbarvölkern während des Krieges zugefügte Lei darf nicht den Blick versperren auf das Leid, das die Deutschen im Osten nach dem Krie erdulden mußten. 15 Millionen von ihnen wurden vertrieben, zwei Millionen verloren dabe ihr Leben.

Darüber darf die Weltgeschichte nicht einfach hinweggehen. Darüber dürfen auch die Polen oder die Tschechen nicht einfach hinweggehen und sagen, das sei eine Angelegenhei der Historiker. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine Sache der Poliker. Es gibt au der Vergangenehit noch offene Fragen, noch Belastungen, die aus dem Weg geräumt werde müssen. Dieser Appell richtet sich nicht nur an Prag oder Warschau, sondern sehr woh auch an Berlin.

Deshalb darf unter das, was Ihnen geschehen ist, kein billiger Schlußstrich gezoge werden. Wer wie der Bundeskanzler sagt, man betrachte die Vertreibung als ein "abgeschlossene historische Epoche", der handelt kaltschnäuzig Ihnen und Ihre Schicksal gegenüber. Wer so spricht, der drückt doch aus, daß ihn die Anliegen de Heimatvertriebenen wenig berühren.

Das ist ein Schlag in das Gesicht von Millionen von Menschen, die die Vertreibun erlebt haben. Kein deutscher Politiker würde derartiges sagen – und zu Recht nich sagen –, der im französischen Oradour, im tschechischen Lidice, im griechische Kalavitra oder im italienischen Fosse Adriatine steht.

Vor wenigen Wochen hat Bundespräsident Rau im griechischen Kalavitra gesagt: "Nu wer seine Vergangenheit kennt und annimmt, kann den Weg in eine gute Zukunft finden." Das ist ein richtiger, ein allgemein gültiger Satz, der auch für den Brünne Todesmarsch, für das Lager in Lamsdorf in Schlesien oder für die Geschehnisse in Ostdeutschland gilt. Das ist ein Satz, mit dem die Heimatvertriebenen und die Polen gemeinsa in eine europäische Zukunft gehen können.

Wir in Bayern bekennen uns zu dieser gesamtdeutschen Verantwortung. Deswegen haben wi auch die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen und die Patenschaft über die Freundeskreis Ostdeutschland übernommen. Und eine Patenschaft bringt Verpflichtungen. Wi fördern die ostdeutschen Einrichtungen in Bayern, in Ellingen und in Oberschleißheim Zusammen mit der Projektförderung erhalten die Ostdeutschland rund 320 000 DM in diese Jahr.

Beeindruckt bin ich davon, was die Ostdeutschland selbst leisten. 700 000 DM habe sie bisher nach Ellingen gegeben. Das ist eine großartige Eigenleistung, die mir hohe Respekt abnötigt.

Allerdings will ich hier nicht verhehlen, daß uns Oberschleißheim gegenwärtig Sorge macht, obwohl sie auch dort kräftig geholfen haben. Mit Herrn Meier habe ich ers vor 14 Tagen in München darüber gesprochen.

Freilich, noch weit mehr Sorgen macht uns auf kulturellem Gebiet Staatsministe Naumann. Denn einmal kürzt er gewaltig die Förderung des Bundes nach de Bundesvertriebenengesetz, zum anderen zerschlägt er auch bewährte Sturkturen, gerade in der vielfältigen Breitenarbeit. Doch die kulturelle Breitenarbeit ist für Menschen, die in ganz Deutschland zerstreut leben, besonders wichtig. Gerade hier trifft Naumann ihr Identität, wohl ganz bewußt. Die ursprüngliche Konzeption Naumanns hat einhellig Ablehnung erfahren, im Inland ebenso wie – und das halte ich für ganz bemerkenswer – auch bei den östlichen Nachbarstaaten – gerade auch in Polen Staatsministerin Barbara Stamm als unsere zuständige Ministerin hat die Konzeptio Naumanns einmal "bedenkenlos, ahnungslos, verantwortungslos" genannt.

Die deutsche Geschichte und Kultur im Osten ist keine Fußnote der Geschichte, sonder ein integraler Bestandteil der gesamtdeutschen und europäischen Geschichte. Man mu damit so umgehen, wie es eines Kulturstaates würdig ist. Das erfordert auch die Achtun vor den Leistungen Ihrer Vorfahren. Es ist ein grundsätzlich falscher Ansatz Kulturarbeit zu zentralisieren und regionale Vielfalt als ausschließlich finanzielle Las zu betrachten statt als Bereicherung.

Staatsminister Naumann sollte einmal bei dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heus nachleßen, der 1951 zum Kulturbeitrag der Heimatvertriebenen gesagt hat: Es muß da Wissen lebendig bleiben "um den Beitrag gerade Ihrer Welt für die deutsch Geschichte, damit sie nicht nur als Fordernde oder gar Bettelnde vor uns erscheinen sondern als stolze Besitzer und Verwahrer von Kräften und Überlieferungen, ohne die Deutschland, ohne die die Welt ärmer geblieben wäre."

In der Tat: Ostdeutschland hat den Deutschen viel gegeben, wenn ich nur an Immanuel Kan oder Johann Gottfried Herder denke.

In der großen Tradition Ostdeutschlands stehend, haben Sie auch hier bei uns ein reiche Kulturleben entfaltet. Die Ostdeutschland sind traditions- und geschichtsbewußt Ausgeprägtes Traditionsbewußtsein und Weltoffenheit, beides verbindet Bayern un Ostdeutschland. Ein Leben in und mit der Tradition bedeutet doch zugleich ein bewußtes Lebe nach vorn. So wie ein Baum feste Wurzeln braucht, um zu blühen, so braucht auch de Mensch Verwurzelung, um sich in seinem Menschsein voll zu entfalten.

Wir in Bayern sehen daher in der Wahrung und Weiterentwicklung des geschichtlichen un kulturellen Erbes der Heimatvertriebneen eine Aufgabe von Rang und Dauer für eine Kulturstaat wie Deutschland. Ich hoffe sehr, und Bayern wird dafür alles tun, daß de gesellschaftliche Konsens darüber erhalten bleibt. Wer werden mit Naumann weiter um die besten Konzeptionen für Ihre Kulturarbeit streiten. Darauf können Sie sich verlassen.

Die Wende in Europa machte es möglich, nun auch über die Grenzen hinweg Kulturarbei in Ihrer alten Heimat zu betreiben. Ich weiß sehr wohl, daß die Ostdeutschland von Anfan an beherzt und mit großem Engagement Kulturarbeit ebenso wie humanitäre Hilfe für die Landsleute in der Heimat geleistet haben und noch immer leisten.

Dabei haben sie es besonders schwer, denn Ihre Heimat ist heute dreigeteilt.

Auf Einladung der Freundeskreis  Ostdeutschland sprach Staatsminister Erwi Huber als Gastredner während des Deutschlandtreffens der Ostdeutschland in Leipzig in de Haupthalle auf dem Neuen Messegelände. Staatsminister Erwin Huber, der Leiter de Bayerischen Staatskanzlei ist, sprach damit zugleich als Vertreter Bayerns, das seit 198 Patenland für Ostdeutschland ist.

(Die Fortsetzung der Rede erfolgt in der nächsten Ausgabe.)

 
     
     
 
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