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Nachdem Das in der Folge 17 vom 27. April dieses Jahres aus der Feder des Autors den Beitrag "Schuldbekenntnisse am falschen Ort" über die Reise des Bundespräsidenten Rau nach Marzabotto veröffentlicht hatte, wo er wegen des angeblich von deutschen Soldaten an italienischen Zivilisten begangenen Massenmordes ein Schuldbekenntnis ablegte, trafen bei der Zeitung und beim Verfasser Leserbriefe ein, in denen Leser sich bedankten, daß wenigstens dieses Blatt die historischen Tatsachen gerade gerückt hatte, so daß die Unsinnigkeit der Reue und Schuldbekenntnisse zu Tage trat.
Einige schrieben, ihnen seien angesichts der Lektüre grundsätzliche Fragen gekommen.
Tatsächlich ist es schwer verständlich, daß ein Staatsoberhaupt ins Ausland fährt - und Bundespräsident Rau tat solches nicht zum ersten Mal -, um dort die Verbrechen seines eigenen Volkes zu bekennen und Reue zu geloben. Es ist kein ähnlicher Fall in der Welt bekannt, etwa daß der US-Präsident nach Japan gereist wäre, um die Schuld der USA an dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zu bekennen und Reue zu bekunden.
Als 1995 in Dresden des 50. Jahrestages der Vernichtung der Dresdner Innenstadt gedacht wurde, nahm zwar ein Vertreter des britischen Königshauses, nämlich der Herzog von Kent, an der Gedächtnisveranstaltung teil, doch wurde aus dem Vereinigten Königreich berichtet, daß auf die Frage, ob er die Deutschen bei dieser Gelegenheit wegen der völkerrechtswidrigen Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung um Vergebung bitten würde, geantwortet wurde, nur Domestiken würden sich entschuldigen. Nie ist bekannt geworden, daß ein sowjetisches oder russisches Staatsoberhaupt sich wegen der Massengreuel entschuldigt hätte, die sich die Rote Armee beim Eindringen ins Deutsche Reich zuschulden kommen ließen.
Es ist also offenbar etwas ganz Singuläres, daß immer wieder prominente deutsche Politiker es für richtig halten, solche Bekenntnisse für Deutschland im Ausland zu verkünden.
Warum geschieht das?
Mehrere Leser haben dem Bundespräsidenten aufgrund unseres Artikels Briefe geschrieben, in denen sie nach den Gründen fragten, die ihn angetrieben haben, als er wieder einmal Schuld und Reue für Deutschland im Ausland bekannte. Das Bundespräsidialamt schickte ihnen unter anderem die Rede des Bundespräsidenten in Marzabotto. Darin äußerte Rau die Überzeugung, ein Land, das seine eigene Geschichte zu vergessen oder zu verdrängen sucht, täte sich selbst keinen Gefallen. Es sei "besser, über das Geschehene zu sprechen, als darauf zu hoffen, daß es vergessen wird".
Zur Begründung seiner Haltung ließ der Bundespräsident all jenen, die ihm geschrieben haben, Fotokopien aus dem Buche "Deutsche Kriegsverbrechen in Italien" von einem Dr. Gerhard Schreiber schicken. Offenbar ist das die Quelle, die ihn veranlaßt hat, nach Italien zu fahren, um dort zu behaupten - die Inschrift an einer Gedenktafel mit Zustimmung aufnehmend -, vor 58 Jahren hätten Deutsche "Gewalt und unendliches Leid nach Marzabotto gebracht". Am Morgen jenes "kalten und düsteren 29. September 1944" seien die Mörder "wie Hyänen" über die Italiener hereingebrochen, um alle Spuren menschlichen Lebens auszulöschen.
Wenn man die Ausführungen jenes Dr. Gerhard Schreiber in seinem 1996 in dem ansonsten seriösen Verlag C. H. Beck erschienenen Buch ernst nimmt, dann wären allerdings Reue und Scham am Platze gewesen. Dr. Schreiber, früher Mitarbeiter des zum Bundesverteidigungsministerium gehörenden Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Freiburg, jetzt Potsdam (das aber seine Italien-Schrift, anders als sonst üblich, nicht herausgegeben hat), vermeldet über Hunderte von Seiten eine fürchterliche deutsche Greueltat nach der anderen. Er "belegt" auch alles, indem er eine Unzahl italienischer Quellen im Anhang aufführt, die ein heutiger Leser nicht nachprüfen kann. Er liebt das Wort "massakrieren", wenn er davon spricht, daß im Rahmen des von Italienern gegen die deutschen Truppen (übrigens ebenso wie gegen Mussolini-treue Italiener) geführten Partisanenkampfes diese außerhalb des Völkerrechts stehenden Freischärler zu Tode gekommen sind. Wenn die Gemeinde Marzabotto im Verlauf von Kämpfen gegen Partisanen von deutschen Truppen eingenommen wird, dann herrscht dort nach Schreiber der "Furor Teutonicus". Unkommentiert wird wiedergegeben, daß ein - zweifellos kommunistischer - Kommandant der "Widerstandskämpfer" von einem "Mädchen, dem die SS eine Brust abgeschnitten hätte: auch dies bei lebendigem Leibe", berichtet habe." In Gerhard Schreibers Buch liest man, daß in der Nähe Capraras deutsche Soldaten Mädchen "gepfählt" hätten; ein Knabe sei auf einem Pfahl aufgespießt worden. Zwei schwangeren Frauen hätten die Deutschen die Bäuche aufgeschlitzt. In Cerpiano hätten deutsche Soldaten fünf Männer, 25 Frauen und 19 Kinder, die auf der Flucht waren, aufgespürt, dann einen Teil erschossen, sich dann zwischendurch gestärkt (offenbar haben sie eine Kaffeepause eingelegt), um dann aufzustehen und die Restlichen auch noch zu ermorden.
Das alles trägt so deutlich das Zeichen von Greuelpropaganda, daß es eigentlich kein Mensch, dem an historischer Wahrheit gelegen ist, ernst nehmen kann. Dr. Schreiber aber kolportiert es als Tatsachen. Und Bundespräsident Rau glaubt es offenbar.
Wer ist dieser Schreiber?
Rüdiger Proske, einer der gründlichsten Kritiker der Anti-Wehrmachtausstellung, bezeichnet ihn in seinem Buch "Vom Marsch durch die Institutionen zum Krieg gegen die Wehrmacht" als einen der engsten Mitarbeiter von Jan Philipp Reemtsma. Er habe den Initiator der Ausstellung, den Prof. Reemtsma, gern zur Eröffnung seiner schließlich wegen der Fälschungen gescheiterten Ausstellung begleitet. Hannes Heer, jener Vollzieher der Reemtsma schen Ideen mit kommunistischer Vergangenheit, hat sich unter anderem auch auf den damals noch beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt beamteten Dr. Schreiber berufen als einen jener Historiker der "Roten Zelle", die ihn - ohne Wissen des Leiters des Amtes - bei der Vorbereitung der Ausstellung ständig beraten haben.
Man findet in dem Buch, das trotz des blamablen Zusammenbruchs der Wehrmachtausstellung von unserem Bundespräsidenten als Grundlage seines Handelns genommen wird, genau die gleiche Argumentation wie bei der Reemtsma-Ausstellung (deren Katalog übrigens von Schreiber als Quelle für sein Italien-Buch verwendet wurde, wie das Quellenverzeichnis ausweist). Partisanen sind meist "angebliche Partisanen". Mit diesem Trick kann man jeden toten Partisanen zu einem ermordeten harmlosen Zivilisten machen. Was Deutschen an Greueln zugeschrieben wird, wird, ohne daß die Quelle kritisch geprüft wird, übernommen. Man kann sagen, was Reemtsma und Heer für die Abstempelung der deutschen Soldaten an der Ostfront als Verbrecher waren, das ist Dr. Gerhard Schreiber für die italienische Front.
Bezeichnend für die Arbeitsweise des Historikers Schreiber, den sein Verlag C. H. Beck zu den "renommiertesten Militärhistorikern der Bundesrepublik" zählt, ist sein umfangreiches Quellenverzeichnis. In ihm fehlen jene deutschen Veröffentlichungen, die sich kritisch mit den italienischen Prozessen gegen deutsche Soldaten beschäftigen. Sie passen ihm natürlich nicht in seine vorgefaßte Meinung. Er setzt sich jedoch nicht mit ihnen auseinander, um sie zu widerlegen, er verschweigt sie der Einfachheit halber. So fehlt beispielsweise die bedeutsame Verteidigungsschrift des Juristen sowie Spezialisten für den Partisanenkrieg Dr. jur. Rudolf Aschenauer, "Der Fall Reder". Sein Buch wird von Schreiber ebensowenig zur Kenntnis genommen wie zwei Bücher über die Problematik von Lothar Greil und das Buch von Stefan Schacher-Mayr, "Major Walter Reder. Der Fall des letzten österreichischen Kriegsverurteilten im italienischen Gewahrsam". In diesen Büchern wird zum Teil außerordentlich exakt anhand von Dokumenten nachgewiesen, daß die Beschuldigungen gegen die deutschen Soldaten wegen der angeblichen Kriegsverbrechen in Marzabotto einer kritischen Prüfung nicht standhalten.
Nun wäre die Tendenzarbeit Dr. Schreibers nur eine von vielen und damit belanglos, wenn sie nicht die Grundlage lieferte für ein deutsches Staatsoberhaupt, sich außenpolitisch zu betätigen und damit politischen und moralischen Schaden für Deutschland anzurichten.
Es stellt sich noch die Frage, warum in Italien nach dem Kriege, in den Italien als faschistischer Staat, ohne vom Deutschen Reich dazu animiert worden zu sein, eingetreten ist, einige solcher haarsträubenden Urteile gegen deutsche Soldaten gefällt worden sind. Das letzte dieser Opfer ist bekanntlich der immer noch einsitzen- de ehemalige deutsche Offizier Priebke.
Italien ist das Mutterland des Faschismus. Adolf Hitler berief sich vor allem in seiner Frühzeit gern auf Mussolini. Italien galt als der engste Verbündete des nationalsozialistischen Deutschland. Es trat, ohne sich mit Deutschland abgestimmt zu haben, 1940 in den Krieg mit ein und beteiligte sich bis zum Spätsommer 1943 an den Feldzügen gegen die Sowjetunion, Großbritannien und die USA, aber auch gegen Griechenland und Jugoslawien. Dann wechselte es nach dem Sturz Mussolinis die Fronten und gehörte 1945 zu den Siegern.
Nun galt es, den wirklichen Siegern gegenüber zu demonstrieren, wie Italien von den Deutschen "gezwungen" worden war, länger als drei Jahre lang an ihrer Seite Krieg zu führen. Das konnte man tun, indem man, dazu aufgepeitscht von der die Straße beherrschenden Kommunistischen Partei, Schauprozesse gegen Deutsche aufzog, deren Urteile vorwiegend politisch zu verstehen sind. Durch diese Show unterdrückte man den eigenen Anteil am Krieg gegen die Siegermächte. Man vermied gleichzeitig Kriegsverbrecherprozesse gegen eigene Täter, die das Bild des faschistischen Italien verstärkt hätten.
Während sich die Italiener in dieser Frage taktisch verhielten, nehmen die Deutschen die Verfolgung angeblicher oder wirklicher deutscher Kriegsverbrecher weiterhin ernst. Ein neuer Beweis ist das Verfahren gegen den jetzt 93jährigen ehemaligen Offizier Friedrich Engel in Hamburg, der verantwortlich gewesen sein soll für die Erschießung von Geiseln. Auch hier ging es darum, daß italienische Partisanen deutsche Soldaten ermordet hatten und daß deswegen als Repressalie italienische Geiseln erschossen worden sind. Gegen Engel wurde bereits 1969 in Hamburg, später dann in Dortmund und noch später in Berlin wegen desselben Vorwurfs ermittelt. In allen Fällen mußten die Verfahren eingestellt werden. Man will offensichtlich unter allen Umständen eine Verurteilung und leitet nun 58 Jahre nach der angeblichen Tat das vierte Verfahren ein.
Dieses Verhalten kann nicht verwundern, wenn man auf der anderen Seite erleben muß, wie ein Bundespräsident nach Italien fährt, um ohne jede vernünftige Berechtigung deutsche Schuld zu bekennen. U. Meixner
Johannes Rau: Der Präsident legte bei seinem letzten Italienbesuch im Beisein seines italienischen Amtskollegen Carlo Azeglio Ciampi an der Gedenkstätte in Marzabotto einen Kranz nieder. |
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