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Daß der Balkan nicht "die Knochen eines einzige pommerschen Grenadiers" wert sei, dieser Ausspruch Bismarcks aus dem 19. Jahrhunder galt bis zum Jahre 1999. Selbst Hitler unternahm während des Zweiten Weltkrieges all Anstrengungen, um Jugoslawien aus dem Krieg herauszuhalten; dem Deutschen Reich hätt eine neutral e Balkan-Zone weitaus besser ins politische Konzept gepaßt, als der 194 entflammte Balkankrieg, auch wenn es dann gelang, binnen elf Tagen die jugoslawische Streitkräfte zur Kapitulation zu zwingen. Damals glaubte Berlin sich gezwungen Jugoslawien militärisch zu besetzen, nachdem ein Staatsstreich eine offen antideutsch Regierung ans Ruder gebracht hatte, die sich beeilte, innerhalb weniger Tage eine jugoslawisch-sowjetischen Freundschaftsvertrag abzuschließen.
Was aber die Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1999 veranlaßte, zusammen mi anderen Nato-Staaten Jugoslawien mit Krieg zu überziehen, wird um so geheimnisvoller, j näher man die Sache betrachtet. Und so behauptete denn auch kein deutscher Politiker un erst recht kein Militär, die Bundeswehr bombardiere militärische, dann aber auch zivil Ziele auf dem Balkan, um die Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Vielmeh erfuhren die Deutschen aus dem Munde ihres sozialdemokratischen Bundeskanzlers Schröde über das Fernsehen, die Nato und damit die deutsche Luftwaffe habe mit Luftschläge begonnen, um schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte "(zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo (zu) verhindern".
Bundestagspräsident Thierse (SPD) wußte es auch nicht anders. Er erklärt zu Beginn der Plenarsitzung am 25. März 1999: "Wir Europäer können und dürfe nicht weiter zusehen, wie im Kosovo eine Mehrheit der Bürger vertrieben, wie dor gemordet wird." Und wie in solchen Fällen üblich, ergänzte er, die Angriff richteten sich nicht gegen das serbische Volk, obwohl dann doch Tausende von Angehörige des serbischen Volkes starben. Einen Monat zuvor hatten die Abgeordneten mit große Mehrheit (556 Ja-Stimmen von 608 abgegebenen) auf Antrag der Bundesregierung beschlossen die Bundeswehr solle sich beteiligen an den Angriffen auf Ziele in Rest-Jugoslawien Freilich nannte man diese Aktionen nicht Krieg; Kanzler Schröder hatte soga ausdrücklich in seiner Erklärung gesagt: "Wir führen keinen Krieg."
Inzwischen ist diese Sprachregelung längst realistischeren Bezeichnungen gewichen. Wi sollte man auch anders wochenlange Bombardierungen nicht nur militärischer Ziele in Kosovo, sondern auch die Luftangriffe auf Objekte in ganz Jugoslawien nennen, die primä der Versorgung der Zivilbevölkerung dienten wie Elektrizitätswerke, Raffinerien Sendeanlagen für Hörfunk und Fernsehen (und gelegentlich auch einmal eine ausländisch Botschaft), als denn "Krieg"?
Über nahezu alle Medien wurde den Deutschen nahegelegt, es ginge um eine gerecht Bestrafung der Serben und ihrer politischen Führung, die ohne jeden vernünftigen Grun daran gegangen seien, fast eine Million Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben, dabe Tausende hinzumetzeln und so einen Völkermord systematisch vorzubereiten und einzuleiten.
Derart ins Bild gesetzt waren die meisten Deutschen nur zu gern bereit, die alte Thes flugs fahren zu lassen, die da gelautet hatte: "Von deutschem Boden darf nie wiede ein Krieg ausgehen." Eben noch pazifistische Politiker betrieben mit Eifer die Beteiligung deutscher Streitkräfte an einem Krieg. Jetzt bewährte es sich, daß ma jahrzehntelang gelernt hatte, die Politik mit den Augen von Moralisten zu betrachten viele Deutsche waren heilfroh, jetzt sozusagen als Kompensation zum Zweiten Weltkrie eindeutig auf seiten nicht nur der stärkeren Partei, sondern auf der der "Guten un Gerechten" beim Kampf gegen die "Bösen und Ungerechten" zu stehen.
Allmählich aber setzte sich in den vergangenen Wochen Ernüchterung durch. Zaghaf schwenken selbst Medien, die vor Jahresfrist noch die Kriegstrompete geblasen hatten, um stellen kritische Fragen und äußern Bedenken, ob denn die seinerzeitige Darstellun wirklich den Tatsachen entsprach oder ob nicht vielmehr unkritisch ein Bild gezeichne worden war, wie es im Interesse jener lag, die Krieg führen wollten.
Der damalige deutsche Nato-General Naumann hatte von Anfang an Bedenken gegen die Politik der Regierung Schröder, Fischer und Scharping und wurde daher vom deutsche Verteidigungsminister hart gerügt.
Jetzt liegt das Buch eines Brigadegenerals der Bundeswehr vor, der seit 1994 Mitglie der Mission der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) in Wien war und die Ereignisse aus nächster Nähe verfolgen konnte. De Brigadegeneral a. D. Heinz Loquai hat eine kritische Studie unter dem Titel "De Kosovo-Konflikt Wege in einen vermeidbaren Krieg" verfaßt, in der er die Zei von Ende 1997 bis März 1999 detailliert schildert und den Finger in zahlreiche offen Wunden legt. Es hat bereits wütende Reaktionen des Verteidigungsministers Scharpin gegeben, doch breitet sich der Eindruck aus, daß sich die kritische Sicht bei Militär und gelegentlich selbst bei Politikern durchzusetzen beginnt. Und das wohl nicht nur, wei inzwischen offenbar ist, daß alle vorgegebenen Ziele des Militäreinsatzes nicht erreich wurden.
Wer dem Autor, dessen militärische Kompetenz nicht bezweifelt wird, folgt, de dürften angesichts der Politik Berlins die Haare zu Berge stehen. Nun sind an de Entwicklung zum ersten Kriegseinsatz der deutschen Soldaten nach 1945 nicht allein die Sozialdemokraten und die Grünen beteiligt, die erst seit dem Regierungswechsel im Herbs 1998 an der Macht sind, sondern genauso die Politiker der CDU/CSU und der FDP, die vorhe die Regierung bildeten und verantwortlich sind für die Einbindung der Deutschen unte Konditionen, die uns in den Krieg hineinzogen. Denn dieser Waffengang kam nicht übe Nacht. (Hier sei bemerkt, daß im bereits am 24. April 1998 gewarn wurde, der Kosovo sei ein Pulverfaß, das vor der Explosion stehe.) Der Kunststaa Jugoslawien wurde nach dem Ersten Weltkrieg auf Druck der Siegermächte als Vielvölkerstaat konzipiert und durchgesetzt. Leitmacht war dabei Serbien, das in de Ersten Weltkrieg eingetreten war mit dem erklärten Ziel, einen großserbische zentralistischen Staat zu schaffen. Er wurde zusammengefügt aus eben diesem Königreic Serbien, Montenegro aus Teilen Österreich-Ungarns. Das Gebilde von Frankreichs un Englands Gnaden nannte sich zunächst offiziell "Königreich der Serben, Kroaten un Slowenen", obwohl in seinen Grenzen auch noch zwölf weitere Nationalitäten lebten In den Jahrzehnten bis zum Zweiten Weltkrieg wurde der Staat von an den Grundfeste rührenden Krisen geschüttelt in erster Linie, weil die Serben, die etwa ei Drittel der Bevölkerung ausmachten, die führende Rolle beanspruchten.
Eines der Glieder war der Kosovo mit einem großen Anteil albanischer Bevölkerung. E vermehrte sich in viel stärkerem Maße als die ebenfalls dort lebenden Serben, die unte dem zunehmenden albanischen Bevölkerungsdruck die Provinz im Laufe der Jahrzehnt weitgehend verließen.
Dem Buch von Heinz Loquai sind aktuelle Zahlen über die Bevölkerungsentwicklung zu entnehmen. "1953 waren im Kosovo 24 Prozent der Bevölkerung Serben und 66 Prozen Albaner. Ende 1991 betrug die Relation zehn Prozent Serben zu 82 Prozent Albanern. Dies Verschiebung der Anteile zugunsten der Albaner ist zum einen auf die Abwanderung vo Serben und zum anderen auf die extrem hohe Geburtenrate der moslemischen Albane zurückzuführen."
Der Kosovo ist ein erschreckendes Beispiel für die auf eine Krise hintreibend bevölkerungspolitische Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft. In frühere Jahrhunderten war der Kosovo tatsächlich einmal das Herzstück Serbiens, aus dem durc die hohen Geburtenraten der dort zunächst als Minderheit lebenden Albaner ein nunmeh fast ausnahmslos von Albanern besiedeltes Gebiet wurde. Da es sich um grundsätzlic unterschiedliche Kulturen handelt sowohl in der Religion als auch in der allgemeine Lebensauffassung, aber auch im Erscheinungsbild der Menschen (Besucher des Lande berichten, daß Albaner und Serben sich fast immer auf Anhieb aufgrund äußerer Merkmal erkennen) und in den Wertesystemen, schien ein einigermaßen von schweren Konflikte freies Zusammenleben kaum möglich ohne erheblichen staatlichen Druck, wie es etwa in de kommunistischen Zeit unter Tito der Fall war. Sobald sich aber die Verhältniss normalisierten, trieben sie auf eine Katastrophe zu. Denn freiwillig gibt ein Volk sei Lebensgebiet nicht auf, so auch nicht die Serben.
Die moslemischen Albaner verlangten in der Zeit nach dem Fall der roten Diktatu zunehmend Selbstbestimmung. Das konnte nach ihrer Auffassung nur bedeuten, daß der Kosov sich von Jugoslawien trennt und entweder ein selbständiger Staat der Albaner wird ode aber sich dem albanischen Staat im Süden anschließt. Das aber wollte Belgrad nich dulden.
Doch auch das übrige Europa, das verliebt ist in die Idee, die Welt möge au multikulturellen Staaten bestehen, in denen Menschen unterschiedlichste Kulturen friedlich-freundlich zusammenleben, gemeinsa Straßenfeste feiern, ihre unterschiedlichen Werte bestaunen und allmählich zu eine welteinheitlichen Superstaat mit ebenso einheitlichen Menschen zusammenwachsen (wa notfalls mit einem gewissen bedauerlicherweise nicht zu vermeidenden Druck von auße gefördert werden muß), sah in dem sich anbahnenden Konflikt lediglich einen mehr ode weniger zufälligen Unfall, den man zunächst durch gutes Zureden aus der Welt schaffe könnte, notfalls aber auch durch entschlossenes Zupacken, indem man die Bösen bestraf und die Guten schützt.
Daß kein Volk sich auf Dauer einer Fremdbestimmung unterwirft, wofür es nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der aktuellen Politik ausreichend Beispiele gibt, gerie dabei ein wenig aus dem Blick. Man verschloß die Augen davor, daß auch die anwachsend albanische Bewegung im Kosovo nicht dulden wollte, daß sie von Belgrad aus von Serbe regiert werde, daß ihnen serbische Wertmaßstäbe aufgedrängt wurden, was dazu führte daß sich die albanische Mehrheit zurückgedrängt fühlte. Die Serben andererseit erkannten, daß mit dem wachsenden albanischen Bevölkerungsanteil ihr eigener Einflu immer weiter zurückweichen mußte. Sie setzten daher Druckmittel ein, zunächst indem si der Kosovo-Provinz ihre seit 1974 bestehende Autonomie 25 Jahre später entzogen.
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