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Nachrichtendienstler in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union schlagen Alarm. Sie befürchten, daß eine neue Welle der Organisierten Kriminalität über Europa fluten wird. Auslöser dieser Befürchtungen sind die Forderungen europäischer und vor allem deutscher Politiker, den Bürgern Bulgariens und weiterer ost- und südosteuropäischer Staaten eine visumfreie und unbefristete Einreise in die Länder der EU zu ermöglichen.
Entgegen der landläufigen Kli-scheevorstellungen von einem Nachrichtendienst als einer Organisation von furchtlosen Agenten und Spion en, die vorzugsweise Schlapphüte tragen, ist der überwiegende Teil nachrichtendienstlicher Tätigkeit erheblich profaner. Zu den primären Aufgaben eines Nachrichtendienstes gehört die laufende innen- und außenpolitische Risikoanalyse. Mit großer Sorge betrachten die Experten seit Jahren die Zunahme der Organisierten Kriminalität in Deutschland und seinen Nachbarstaaten. Bedingt durch den Wegfall der europäischen Binnengrenzen sowie die Öffnung und Durchlässigkeit der Außengrenzen der Europäischen Union haben Verbrecherbanden aus aller Herren Länder mittlerweile leichtes Spiel, sei es in Deutschland oder seinen Nachbarländern. Das geflügelte Wort "Heute gestohlen, morgen in Polen" ist ebenso Allgemeingut geworden wie die Erkenntnis, daß die Russenmafia und chinesische Banden die herkömmlichen kriminellen Strukturen, die wenigstens noch kontrollierbar waren, längst verdrängt haben. Zu ihnen gesellen sich noch auf Einbruch spezialisierte Gruppen aus Rumänien, straff organisierte Banden von Kosovo-Albern, vietnamesische Zigarettenschmuggler, Menschenhändler, Drogenkartelle, Zuhälterbanden und dergleichen. Diese Gruppen zeichnen sich durch ein extrem hohes Gewaltpotential aus, das in der neueren europäischen Kriminalgeschichte ohne Beispiel ist. Vor allem Deutschland, wo eine effektive Verbrechensbekämpfung durch eine zu lasche Rechtsprechung und eine durch politische Ideologie gelähmte Exekutive erschwert wird, haben sie leichtes Spiel. Die Tatsache, daß kriminelle Banden aus Ost- und Südosteuropa mittlerweile alle Bereiche der organisierten Kriminalität beherrschen, ist allgemein bekannt, obwohl die politische Korrektheit zumeist verhindert, daß Roß und Reiter öffentlich genannt werden.
Der lange Arm der russischen Kartelle beispielsweise reicht mittlerweile sogar bis nach Israel. Hier wurde unlängst die Privatisierung der Telefongesellschaft Bezing gestoppt, nachdem sich herausgestellt hatte, daß zu den neuen Eigentümern einer der einflußreichsten russischen Mafia-Bosse zählt. In England gehen die zuständigen Dienste und die Privatwirtschaft mittlerweile unkonventionelle Wege, um derartigen Entwicklungen zu begegnen. Hier haben sich die privaten Ermittlungs- und Sicherheitsunternehmen zusammengeschlossen, um eine größere Schlagkraft gegen das Organisierte Verbrechen im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu erreichen. Dabei arbeiten sie eng mit den Behörden zusammen. Zugleich wurde eine Koordinierungsstelle ins Leben gerufen, über die führende Wirt- schaftsunternehmen und die staatlichen Nachrichtendienste ihre Erkenntnisse austauschen. Auf dem europäischen Kontinent dagegen verharrt man in dieser Hinsicht weiter in seligem Schlummer.
Auch wenn das illegale Eindringen krimineller Gruppen nie ganz zu verhindern sein wird, stellen eine gründliche Grenzabfertigung, eine dichte Kontrolle der "grünen" Grenzen und eine reglementierte Einreise durch Visapflicht sinnvolle Kontrollmechanismen dar. Ein Wegfall der Visapflicht würde zwangsläufig eine weitere Zunahme der Orga-nisierten Kriminalität in den Län-dern der EU nach sich ziehen. Deshalb gerät diese Problematik zunehmend in das Blickfeld der Analysten der europäischen Nachrichtendienste.
Mit gelindem Entsetzen registrieren sie, daß für manche EU-Politiker die Aufhebung der Visumpflicht für bulgarische Staats- bürger bereits beschlossene Sache zu sein scheint. Denn gerade Bulgarien gilt so der "Intelligence Newsletter", ein internationales Informationsforum für Nachrichtendienstexperten als sichere Zufluchtstätte ("sanctuary") für Kriminelle aller Nationalität und Couleur, von wo aus sie ungestört ihre europaweiten Aktivitäten starten würden. Nach den Erkenntnissen der Nachrichten- dienste unterliegen etwa 60 Prozent der bulgarischen Wirtschaft mittelbar oder unmittelbar der Kontrolle durch die Organisierte Kriminalität. Dieser Entwicklung wird durch die lückenhafte und unmißverständliche Gesetzgebung hinsichtlich der Bildung krimineller Vereinigungen, der Korruption sowie des wirksamen Zeugenschutzes Vorschub geleistet. Die Mehrzahl der bulgarischen Politiker gilt als korrupt und mit kriminellen Organisationen verbunden, wofür Beispiele wie die Privatisierung der Balkan Airlines, der Bulbank Bank und der Telefongesellschaft BTK genannt werden. Ausgerechnet der bulgarische Chefunterhändler für den Beitritt des Landes zur Europäischen Union mußte kürzlich zurücktreten, nachdem er der Korruption überführt worden war. Die Fäden der Korruption reichen bis in den Zoll- und Grenzschutzdienst, wo in den vergangenen zwei Jahren fast 100 leitende Beamte wegen Bestechlichkeit entlassen werden mußten. So wird auch verständlich, warum Bulgarien unter Experten als europäischer Hauptumschlagplatz für asiatische Drogen gilt.
Ähnlich wird die Situation in Rumänien eingeschätzt, wo Politiker und hochrangige Beamte Kriminelle decken ("Bucharest whitewashes the bad guys") und pflichtbewußte Staatsanwälte, die gegen das Organisierte Verbrechen vorgehen, kurzerhand entlassen werden oder einfach von der Bildfläche verschwinden. Schon jetzt stellen viele rumänische Staatsbürger ein Risiko für die innere Sicherheit unseres Landes dar. Nicht nur kleinkriminelle Taten wie Taschen- und Ladendiebstahl gehen auf ihr Konto, sondern insbesondere in der Bandenkriminalität haben die Rumänen eine führende Rolle eingenommen. Diese Banden, die oftmals von Offizieren aus Ceausescus ehemaligem Geheimdienst Securitate geführt werden, haben vor allem bestimmte Bereiche der Organisierten Krimina-lität wie Einbruch und Raub fest in ihrer Hand. Streng hierarchisch strukturiert und zumeist militärisch ausgebildet, gehen sie ebenso professionell wie kaltblütig vor. Schon nach kurzer Zeit verlagern sie ihre Tätigkeit in ein anderes Gebiet oder kehren in ihr Heimatland zurück, um nach einiger Zeit wieder gezielt in ihren "Gastländern" zuzuschlagen. Dieses Vorgehen macht es den Sicherheitsorganen der betroffenen Länder besonders schwer, ihrer habhaft zu werden. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, welches Ausmaß diese Aktivitäten bei einem Wegfall der Visumpflicht annehmen würden, wenn der Zustrom nicht mehr kontrollierbar ist.
Diese besorgniserregenden Tatsachen sind schon seit längerer Zeit Gegenstand der Beratungen unter den Sicherheitsexperten. Besorgte Diplomaten an den westeuropäischen Botschaften in Sofia haben in einer Sitzung sogar darüber nachgedacht, ihren Regierungen vorzuschlagen, die Aufnahme Bulgariens in die Europäische Union aus diesen Gründen möglichst lange hinauszuzögern. Alle Warner indes müssen sich vorkommen wie die Rufer im Walde, deren Rufe ungehört verhallen. Tatsächlich ist das ausgeprägte Desinteresse der zuständigen Politiker und Regierungsbeamten an dieser Problematik alarmierend. Der "Intelligence Newsletter" kritisiert dann auch unmißverständlich, daß Europa vor dieser neuen Bedrohung die Augen verschließe. In einem ausführlichen Bericht an den Europarat haben Sicherheitsexperten die Daten und Fakten offengelegt, die Lage analysiert und in aller Deutlichkeit vor einer Aufhebung der Visumpflicht gewarnt. Doch die Ratsmitglieder ficht das offensichtlich nicht an. Michael Stübgen, deutscher Unterhändler bei den Verhandlungen über die EU-Erweiterung und Vorsitzender des Deutsch-Bulgarischen Freundschaftswerkes des Deut-schen Bundestages, hatte nicht Eiligeres zu tun, als dem bulgari-schen Außenminister zu versichern, daß er mit einer positiven Entscheidung über die Aufhebung der Visapflicht für seine Landsleute schon sehr bald rechnen könne.
Sorge bereitet den Experten auch die große Anzahl von Straftätern aus dem Kosovo. So bemerkt ein Analyst im Internet sarkastisch, daß noch vor wenigen Jahren die Kosovo-Albaner als Inbegriff für besonders gewalttätige Kriminelle gegolten hätten, während sie jetzt als arme Kriegsflüchtlinge nicht nur geduldet, sondern sogar noch bedauert würden. Zugleich fordert er, bei allem Mitgefühl für tatsächlich gefährdete Menschen die Bedrohung für die innere Sicherheit, die nach wie vor von vielen Vertretern dieser Volksgruppe ausgehe, nicht zu vernachlässigen. Ein weiteres Risiko schließlich geht nach Einschätzung der Experten von der visumfreien Einreise von Chinesen aus Hongkong in die Länder der Europäischen Union aus. Hierzu haben mehrere Nachrichtendienste und Europol ihren Regierungen und den europäischen Gremien detaillierte Analysen und deutliche Warnungen vorgelegt, die ebenfalls keine Beachtung gefunden haben. Die Aufhebung der Visumpflicht für Bewohner Hongkongs ist beschlossen und wird voraussichtlich am 10. April wirksam werden. Die chinesischen Triaden und ihre Statthalter in den Metropolen Europas wird es freuen.
So ist abzusehen, was kommen wird: Kriminelle aus aller Herren Länder werden die neuen "Reiseerleichterungen" dankbar annehmen, und die Politiker wer-den scheinheilig diesen Mißstand beklagen, wenn sich das Verbrechen bereits stabilisiert hat.
Im Dickicht der großen Städte blüht das Verbrechen besonders: Doch trotz ernsthafter Warnungen sachkundiger Nachrichtendienste schaffen unberatene Politiker mit unkontrolliertem Reiseverkehr eine trügerische Sphäre falscher Toleranz, in der die Kriminalität sprunghaft ansteigt. Die Ordnungskräfte sind dann gezwungen, wie hier bei einer Razzia in Frankfurt/M., unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen.
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