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Ihre Arbeiten faszinieren immer aufs neue - die strahlende Farbigkeit, der Einfallsreichtum, aus ausgefallenen Materialien Neues zu schaffen. Anka Kröhnke als Textilkünstlerin zu bezeichnen fällt schwer, sind doch ihre Schöpfungen bei weitem nicht mehr nur aus textilem Material. Aluminiumdrähte und -gitter, Kunststoffe und Acrylglasstäbe, Getränkedosen und CDs findet der aufmerksame Betrachter. "Für solche Materialien eine ihren spezifischen Eigenschaften angemessene ,Webverwendung herauszufinden und sie zu verwandeln, ist für mich eine anregende Herausforderung ", sagt die Künstlerin.
Schon "als Kind war ich eine chronische Sammlerin", bekennt sie, "denn in den kargen Nachkriegsjahren war alles ,wertvoll , konnte wahrscheinlich irgendwann gebraucht werden. Ich erlebte, wie meine Mutter (die Malerin Louise Rösler, d. Verf.) aus gefundenen Bonbon-Papieren sehr komplexe, in ihrem Formenreichtum ungemein kostbare Collagen kreierte. Später beeindruckten mich Dada, Popart und Readymades. Möglicherweise sind es all diese Einflüsse, die in mir den Wunsch entstehen ließen, mich mit heutigen Fundsachen auseinanderzusetzen und sie mit Hilfe textiler Techniken in einen anderen Zusammenhang zu bringen."
Wie sehr ihr das gelingt, davon konnte man sich vor kurzem auf einer Ausstellung in Ahrensburg bei Hamburg überzeugen. Es war sicher nicht nur das stürmisch-graue Herbstwetter, das die Arbeiten der Anka Kröhnke besonders leuchten ließ, nicht nur die geschickte Ausleuchtung, die die Transparenz der Komposition hervorhob. Farbe, aber auch das Spiel von Licht und Schatten, Transparenz sind die Hauptthemen ihrer Arbeiten. "Im Laufe der Zeit habe ich einige Techniken entwicktelt, die es mir ermöglichen, stabile, durchbrochene Flächen zu konstruieren", so Anka Kröhnke. "Mit ein wenig Abstand von der Wand verstärkt der schimmernde Effekt, der durch das Spiel von Licht und Schatten entsteht, die Farbigkeit. Die hinter dem Gewebe liegende Wand wird eben nicht zugedeckt, sondern bleibt in ihrer Struktur sichtbar. Dadurch verbindet sich die ,Tapisserie intensiv mit dem Hintergrund und wird Teil des Raums."
Ihre Geflechte aus zerschnittenen Getränkedosen oder aus flachen, dünnen Alulochstreifen erinnern nur noch vage an die Kunst des Webens. "Es macht mir immer Freude zu sehen, was aus einer einfachen Dose etwa entstehen kann", so die Künstlerin. "Von der ganzen Werbung bleibt nur noch die Farbe und die Struktur." Seit einiger Zeit nun verarbeitet Anka Kröhnke auch zerschnittene CDs, die durch ihren Schimmer, ihren Glanz immer wieder neue Reflexe, je nach Standort des Betrachters, entfalten. Neu sind auch Arbeiten mit Lichtsammelstäben, die, von UV-Licht angestrahlt, eine besonders intensive Farbigkeit entwickeln. Flächige Schöp- fungen sind ebenso entstanden wie solche, die an riesenhafte Mobiles erinnern. Immer aber ist es ein Rausch aus Farben, atemberaubend manchmal, fesselnd auf jeden Fall. Prägend war nicht zuletzt eine Reise nach Las Vegas, der Stadt der Spieler, aber auch der Farben, der Leuchtreklame. Der Rhythmus der Großstadt hielt sie gefangen; dieses Erlebnis wirkt noch heute nach und wird in vielen Tapisserien verarbeitet.
Anka Kröhnke widmet sich aber nicht allein ihrer eigenen künstlerischen Arbeit. Aus einer Künstlerfamilie stammend, hat sie, deren Werke sich in Museen in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Hannover, im schwedischen Malmö und in Mexiko befinden, es sich seit längerem zur Aufgabe gemacht, das Projekt eines "Familienmuseums" zu verwirklichen. Gemeinsam mit ihrem im Juni dieses Jahres verstorbenen Mann Hanno Jochimsen fand sie im Sommer 1999 ein geeignetes Gebäude: das ehemalige Meßgebäude des Instituts für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock, gelegen in einem Landschaftsschutzgebiet bei Bad Kühlungsborn. Dort sollen jetzt die künstlerischen Nachlässe der Großeltern und Eltern von Anka Kröhnke der Öffentlichkeit in einem würdigen Rahmen zugänglich gemacht werden, dort errichtet sie auch ihr eigenes Atelier. Nach dem Tod ihres Mann steht die Künstlerin allerdings nun allein vor dieser immensen Aufgabe.
Wann die Werke von Waldemar Rösler (1882-1916), Oda Rösler-Hardt (1880-1965), Louise Rösler (1907- 1993) und Walter Kröhnke (1903- 1944) in Bad Kühlungsborn zu sehen sein werden, steht noch in den Sternen. Das Atelier ist jedoch gerade fertiggestellt worden, so daß Anka Kröhnke ihr Hamburger Domizil bald endgültig auflösen kann. Der 1940 in Berlin geborenen Tochter von Louise Rösler und Walter Kröhnke liegt es sehr am Herzen, das Projekt zu verwirklichen. Es wäre eine Schande, wenn die Bilder der Eltern und Großeltern in den Regalen verstauben würden. Leider gibt es von Oda Hardt-Rösler, der Großmutter, nur sehr wenige Bilder, da diese ihre Kunst hinter die ihres Mannes Waldemar stellte und sich vornehmlich der Familie widmete.
Waldemar Rösler ist nicht alt geworden. Tieferschüttert durch die Grauen des Ersten Weltkrieges nahm er sich nur 34jährig am 14. Dezember 1916 in Arys das Leben. Und doch hinterließ er ein reiches Werk, ausgezeichnet durch eine "eminent malerische Begabung", so der Freund und Kunsthistoriker Kurt Badt. Von Sachsen, wo Waldemar Rösler am 21. April 1882 in Striesen bei Dresden geboren wurde, zog die Familie nach Königsberg (Pr). Dort besuchte der Junge die Realschule. Bereits mit 14 Jahren ging er zur Kunstakademie, um bei Max Schmidt und Emil Neide zu studieren. 1904 schloß er diese Studien als Meisterschüler von Ludwig Dettmann ab und ging nach Dresden. 1905 beteiligte er sich ein erstes Mal an einer Ausstellung der Berliner Sezession, deren Vorstandsmitglied er 1911 auf Vorschlag Max Beckmanns nach dem Rücktritt Max Liebermanns wurde. 1906 heiratete er die Malerin Oda Hardt, die er im Atelier Dettmanns kennengelernt hatte. Die auf Gut Schildeck Geborene hatte zuvor eine private Malschule in Berlin besucht, um später in Königsberg zu studieren. Nach ihrer Eheschließung hat sie etwa 25 Jahre nicht künstlerisch gearbeitet, sondern sich der Familie gewidmet und die 1907 geborenen Zwillinge Louise und Fritz (gefallen 1943) großgezogen. In den dreißiger Jahren allerdings legte sie sich das Pseudonym Xeiner zu und stellte später gelegentlich aus.
Waldemar Rösler hingegen, der mit der Familie nach Berlin gezogen war, arbeitete unermüdlich und zeigte seine Bilder auf Ausstellungen der Sezession. Immer aber fühlte er sich von der freien Natur angezogen, Professuren in Kassel und Weimar lehnte er ab, weil er ausschließlich malen wollte. In Ostdeutschland vor allem fand er seine Motive - sanfte Landschaften, Wind, Wolken, Sand und Meer ... Gemeinsam mit Theo v. Brockhusen gründete er den Künstlerkreis Klein-Kuhren, dem später auch Franz Domscheit, Alfred Partikel und Arthur Degner angehörten.
Ein letztes Mal ist Rösler vor Beginn des Ersten Weltkrieges in seinem Sommer- und Malparadies Klein-Kuhren. Dann wird er zur Landwehr eingezogen und später auch an der Westfront in Belgien eingesetzt. Er zeichnet sich durch Tapferkeit aus, wird zum Leutnant befördert und erhält das Eiserne Kreuz. Nach seinem physischen und psychischen Zusammenbruch wird er ins ostdeutsche Arys versetzt, wo er schließlich aus dem Leben scheidet. Seine letzte Ruhestätte findet er auf Gut Schildeck, dem Besitz der Familie Hardt, zwischen Osterode und Hohenstein gelegen.
Waldemar Rösler hat einmal bekannt, für ihn gebe es "nur gute Kunst von einzelnen starken Persönlichkeiten, keine Richtungen. Darunter verstehe ich eine ursprüngliche, innerliche, selbständige Kunst; ob diese dekorativ ist oder anders, ist ganz gleichgültig ..." Zu diesen starken Persönlichkeiten gehörte zweifellos auch Tochter Louise, die als eine Anhängerin des italienischen Futurismus gilt. Ihr Œuvre gliedert sich in drei Phasen. Während sie vor dem Zweiten Weltkrieg eher gegenständliche Motive schuf, widmete sie sich nach dem Krieg der abstrakten Malerei. Während des Krieges, in dem sie ihr Atelier und einen großen Teil ihrer Bilder verlor und aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde sowie "Farbenverbot" erhielt, entstanden Motive, die einem Übergangsstil zuzurechnen sind. Vor allem ihre Motive aus der Großstadt faszinieren. Sie zeichnen sich durch eine besondere Strahlkraft der Farbe aus, vibrieren geradezu vor Nervosität. Wie auch ihr Mann, der Hamburger Walter Kröhnke, der 1944 in Rußland vermißt wurde, hat Louise Rösler in der Zeit der NS-Diktatur hart zu kämpfen gehabt. Ihr Werk jedoch hat nach dem Zweiten Weltkrieg Anerkennung gefunden, während Walter Kröhnke heute vergessen scheint. Dabei bescheinigen Kunsthistoriker seinem Werk noch heute eine Verbindung von "dekorativer Begabung und Aussdrucksstärke", "von Harmonie und Spannung".
Ein Museum mit den Werken dieser so verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten dürfte neue Spannung in die deutsche Museumslandschaft bringen, zeigt es doch nicht zuletzt auch die Vielfalt des künstlerischen Schaffens im vergangenen Jahrhundert. Grund genug, Anka Kröhnke viel Erfolg zu wünschen. Peter van Lohuizen
Engagierte Künstlerin:
Anka Kröhnke vor ihrer Arbeit "Liegende Figur mit roten Kissen" aus Dosenabschnitten und Bauholzresten
Anka Kröhnke: Las Vegas by Night (Alu/PVC, Acrylstäbe, 1995/96)
Fotos: Osman (2), Archiv (4)
Louise Rösler: Bahnhof Zoo (Öl auf Holz, 1980)
Oda Hardt-Rösler: Kind aus der Nachodstraße (Öl auf Leinwand, um 1930)
Waldemar Rösler: Zwei Frauen am Meer (Öl auf Leinwand, 1912)
Walter Kröhnke: Der Trommler (Öl auf Leinwand, 193 |
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