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Hexenkessel Irak - Wer kämpft gegen wen?

 
     
 
Als Nuri El-Maliki im Mai 2006 Ministerpräsident wurde, ruhte auf ihm die ganze Hoffnung der US-Regierung. Von Bush wurde er erst kürzlich wieder als der "richtige Mann für den Irak" und als "starker Führer" bezeichnet. Aber schon im Juli zog er sich den Unmut gewisser Lobbies zu, als er Verständnis für die schiitische Hisbollah im Libanon erkennen ließ. Und die Hinrichtung Saddam Hussein
s, bei der Vertreter der schiitischen Sadr-Milizen eine Art Rache-Ritual vollziehen konnten, zeigte, daß er entweder kein "starker Führer" oder kein "lupenreiner Demokrat" ist.

Man hätte es wissen müssen: El-Maliki ist Führungsfigur der "Da wa"-Partei, die der Westen früher als Terrororganisation behandelte. Diese "Partei der Islamischen Mission" ist zweitgrößter Partner in der "Vereinigten Irakischen Allianz", welche im Dezember 2005 auf 41 Prozent der Wählerstimmen kam. Größte Partei ist der "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" (SCIRI), dessen Führung im iranischen Exil war und einen "Gottesstaat" will. Nicht so Groß-Ayatollah Ali El-Sistani, der die Allianz, aber keine Partei unterstützt. Er erklärte sogar die Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht für "zulässig" und steht damit im Gegensatz zu Moktada El-Sadr, der selbst zwar nicht zur "hohen Geistlichkeit" zählt, aber die "Mahdi-Armee", die größte schiitische Miliz, anführt.

Die schiitische Allianz bildet mit der "Demokratischen Patriotischen Allianz Kurdistans", die auf knapp 22 Prozent kam, die jetzige Koalitionsregierung. Die kurdische Allianz selbst besteht aus den Parteien des Talabani-Klans PUK und des Barzani-Klans KDP, aus drei marxistischen Kleinparteien sowie einer turkmenischen und einer "Chaldäischen" Partei. Das allein illustriert, auf welch tönernen Füßen das Gebäude steht. Und dann gibt es ja noch die Sunniten, auf welche sich die jetzt verbotene Baath-Partei hauptsächlich gestützt hatte. Genauer gesagt, die sunnitischen Araber, denn auch die Kurden sind fast ausschließlich Sunniten. Vor 2003 dürften von etwa 27 Millionen Irakern mehr als drei Viertel Araber und etwa 20 Prozent Kurden gewesen sein, während Turkmenen, Perser, Aramäer und Armenier zusammen rund drei Prozent ausmachten. Etwa 97 Prozent der Iraker waren Muslime, davon ein Drittel Sunniten. Die etwa drei Prozent Christen bestanden aus mit Rom unierten Chaldäern, aus "Assyrern" und Armeniern.

Seither haben weit über eine Million Iraker das Land verlassen, die meisten davon arabische Sunniten. Aber auch rund die Hälfte aller Christen dürfte inzwischen ausgewandert sein, denn mit dem Schutz durch die "weltliche" Baath-Partei ist es vorbei. (Saddam Husseins Vize-Premier und zeitweiliger Außenminister Tarek Asis ist Chaldäer. Er war als einer der ersten Iraker schon vor 50 Jahren - vermutlich noch vor Saddam Hussein - der ursprünglich panarabischen "sozialistischen" Baath-Partei beigetreten.)

Ein weiterer Aspekt ist die "Stammeszugehörigkeit" - deren Bedeutung sowohl über- als auch unterschätzt wird. Im gesamten Orient dreht sich die Konversation oft um Verwandtschafts- und Herkunftsverhältnisse. Jeder weiß, wohin er gehört, und man weiß voneinander, wer wie mit wem verwandt ist. Verstärkend wirkt, daß Ehen unter Blutsverwandten selbst bei Christen keine Seltenheit sind.

Doch es gibt die Redensart: "Ich gegen meinen Bruder, ich und mein Bruder gegen meinen Vetter, ich und mein Bruder und mein Vetter gegen den Fremden." Eine "nationale" Identität ist nur dort vorhanden, wo es eine alte Tradition gibt - wie in Ägypten - oder ein gemeinsames Feindbild - wie bei den Palästinensern. Just einem Saddam Hussein war es gelungen, mit Anleihen bei den alten Babyloniern Ansätze eines "irakischen" Nationalbewußtseins künstlich zu schaffen. Das ist vorbei.

El-Maliki kündigte an, gleichermaßen gegen alle Milizen, auch gegen schiitische, vorgehen zu wollen. Doch Polizei und Armee wären dazu gar nicht in der Lage, und beide sind zudem von schiitischen Milizen unterwandert. Zu bezweifeln ist auch, daß El-Maliki wie geplant drei kurdische Brigaden nach Bagdad verlegen kann, denn die Kurden haben am übrigen Irak kein Interesse. Die Kurden, bisher der relativ verläßlichste Partner der USA, sind außerdem erbost über die US-Aktion gegen das iranische "Konsulat" in Erbil - für sie eine Verletzung ihrer "Souveränität". Unter diesen Umständen dürften auch die zusätzlichen US-Truppen keine nennenswerte Verbesserung herbeiführen können, nicht einmal in Bagdad. Also weiter "im Osten nichts Neues".

 

Milizen und Terroristen

Die diversen Gruppen sind kaum zu unterwandern und daher selbst von Geheimdiensten schwer einzuschätzen. Eine "kriminalistische" Zuordnung der täglich etwa 100 Anschläge ist meist unmöglich, und der Mythisierung durch die eigene wie die gegnerische Propaganda ist Tür und Tor geöffnet. Am meisten gilt dies für die "El-Kaida", deren importierte Aktivisten zahlenmäßig unbedeutend, doch für Selbstmord-Attentate berüchtigt sind. Allerdings ist ein Selbstmord-Attentat längst kein Beweis dafür, daß El-Kaida dahintersteckt.

Radikal islamistisch ist auch die kurdisch-arabische "Armee der Helfer der Sunna", der Verbindungen zur El-Kaida nachgesagt werden. Die übrigen sunnitischen Milizen dürften vorwiegend aus untergetauchten Baath-Leuten und Armeeangehörigen bestehen - daher auch ihre Effektivität bei Angriffen auf Polizei, Armee und Besatzungstruppen.

Auf schiitischer Seite gibt es neben lokalen Kleingruppen die "Badr-Milizen" der schiitischen Partei SCIRI, die den Südirak weitgehend beherrschen. Mit Abstand größte Gruppe ist die schiitische "Mahdi-Armee", auch "Sadr-Milizen" genannt, von Moktada El-Sadr.

Die Mahdi-Armee, die den Irak als Gesamtstaat erhalten möchte, lieferte den Badr-Milizen wiederholt heftige Scharmützel und arbeitet gegen die Besatzungsmacht sogar mit sunnitischen Milizen zusammen.

Die Milizen gelten heute größtenteils als "selbsttragend", das heißt, sie finanzieren sich aus Öl-Schmuggel, Löse- und Schutzgelderpressung, Geldfälsch
 
     
     
 
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