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Marx und Engels - die Väter des Terrors

 
     
 
Das Schwarzbuch des Kommunismus, 1998 erschienen und weltweit verbreitet, endet mit dem von Stéphane Courtois verfaßten Kapitel "Pourquoi?". Und diese berechtigte Frage "Warum?" folgt auf den Nachweis, daß die kommunistische Weltbewegung annähernd einhundert Millionen Menschenleben vernichtet hat.

"Warum", fragt Courtois, "etablierte sich der 1917 erstmals auftretende moderne Kommunismus beinahe sofort als blutige Diktat
ur und dann als verbrecherisches Regime, konnten seine Ziele nur mittels extremer Gewaltanwendung erreicht werden? Wie ist es zu erklären, daß die kommunistischen Machthaber das Verbrechen jahrzehntelang als eine banale, normale, ordnungsgemäße Maßnahme aufgefaßt und praktiziert haben?"

Courtois befaßt sich anschließend mit dem Terror während der Französischen Revolution und kommt zu dem Ergebnis: Die "Herrschaft der Tugend" tötete Zehntausende. Dann fährt er fort: "Diese Urerfahrung des Terrors scheint die wichtigsten revolutionären Denker der 19. Jahrhunderts kaum inspiriert zu haben. Marx hat ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt."

Wirklich? Ganz zu Recht wird Marx vor allen anderen erwähnt, denn Marx ist der bekannteste revolutionäre Denker. Unbestritten hat sein Manifest der Kommunistischen Partei die mit Abstand weiteste Verbreitung aller politischen Publikationen gefunden. Der gemeinsame Nenner der Täter des Schwarzbuchs ist das Bekenntnis zu Marx, gefolgt von Lenin, der sich seinerseits als glühender Marxist ausgab. Diese Tatsachen drängen doch die Frage auf: War Marx der Anstifter, der Schreibtischtäter, der geistige Urheber der Verbrechen, vielleicht sogar der erstrangige?

Die herrschende Meinung spricht indes ohne nähere Begründung von einer Perversion des Marxismus durch den Stalinismus. Der Ausgangspunkt des Marxismus sei der Humanismus gewesen, das edle Streben, die Lage der arbeitenden Klasse zu verbessern, die Klassenkämpfe zu überwinden, die Gewalt, letztlich alle Herrschaft von Menschen über Menschen, also auch die Staatsgewalt, abzuschaffen. Selbst Courtois nimmt Marx vorsichtig aus dem Schußfeld: "Gewiß betonte und forderte er die ,Rolle der Gewalt in der Geschichte‘. Aber er sah darin eine sehr allgemeine These, die nicht auf eine systematische, absichtliche Gewaltanwendung gegen Personen zielte. Schon 1872 hatte Marx die Hoffnung geäußert, die Revolution könne in den Vereinigten Staaten, in England und Holland friedliche Formen annehmen. Im Namen der Wahrheit ihrer Botschaft gingen die Bolschewiken von der symbolischen Gewalt zur tatsächlichen Gewaltanwendung über und errichteten eine absolute, willkürliche Herrschaft. Sie nannten sie ,Diktatur des Proletariats‘ und nahmen damit einen Ausdruck auf, den Marx zufällig in einem Briefwechsel gebraucht hatte."

Hat Courtois und haben jene, die ähnlich denken, ein zutreffendes Bild von Marx? Oder laufen sie einem wirklichkeitsfremden Mythos hinterher, der seit über hundert Jahren raffiniert kultiviert worden ist? Konrad Löw, der wie kein anderer die Werke der beiden Freunde Marx & Engels studiert und ausgewertet hat – man denke nur an sein Marxismus-Quellenlexikon –, gibt eine klare Antwort: Die Täter der im Schwarzbuch des Kommunismus aufgelisteten Verbrechen haben ihre Untaten prinzipiell im Geiste ihres Namenspatrons begangen und sich daher zu Recht als Marxisten ausgegeben. Diesem Resümee gehen rund eintausend Zitate voraus, die nicht ohne große Betroffenheit zur Kenntnis genommen werden können.

Es scheint schwer vorstellbar, daß jemand nach der Lektüre die vom Autor gezogene Schlußfolgerung anficht. Die authentischen Texte sprechen in ihrer Gesamtheit eine so deutliche Sprache, daß den unverbesserlichen Marxisten nur noch das Totschweigen als Ausweg übrigbleibt. Die Zitate liefern eine schier endlose Kette von Belegen der Verachtung, Krisensehnsucht, Revolutionserwartung, Gewaltbereitschaft und des Hasses und Vernichtungsdranges.

Diese Kette ist eng verschlungen mit einer anderen, deren Glieder die Namen Egoismus, Despotismus, Größenwahn und Selbstvergottung tragen. Die Texte der Freunde Marx und Engels gliederte Löw nach einzelnen Jahren; mehrere Jahre sind zu Kapiteln zusammengefaßt, wobei sich die Strukturierung an Lebensabschnitten der beiden orientiert.

Zwei Publikationen bilden insofern eine Ausnahme, nämlich "Das Manifest der Kommunistischen Partei" und "Das Kapital". Da es sich hier bekanntlich um deren wichtigste Veröffentlichungen handelt, werden die Zitate aus diesen Werken in eigenen Kapiteln erfaßt. Auch die schockierenden Kapitelüberschriften sind lediglich den Äußerungen der Freunde entnommen und lauten: 1. "Die Welt soll aus mir selbst entsteigen" (1835–1842), 2. "Rücksichtslose Kritik alles Bestehenden" (1843–1847), 3. "Gewaltsamer Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung – Das Manifest der Kommunistischen Partei" (1848), 4. "Vernichtungskampf und rücksichtslosen Terrorismus" (1848–1849), 5. "Die schauderhafte Friedensperiode" (1850–1863), 6. "Le grand Chef de l’International" (1864–1872), 7. "Aus allen Poren blut- und schmutztriefend – Das Kapital" (1867), 8. "Diktatur des Proletariats" (1873–1883).

Wie oben schon erwähnt, behauptete der Herausgeber des Schwarzbuchs, Marx habe den Begriff "Diktatur des Proletariats" nur zufällig in einem Brief gebraucht. Doch wie verhält es sich tatsächlich? Löw widerspricht Courtois und legt die für viele peinlichen Fakten wie Trümpfe offen. Da dieses Beispiel für viele steht, soll es hier kurz veranschaulicht werden:

Bereits im Kommunistischen Manifest, Februar 1848, ist von "despotischen Eingriffen in das Eigentumsrecht" die Rede. Ferner wird die "Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat" gefordert. Als Herausgeber und Chefredakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung" stellte Marx am 14. September 1848 fest: "Jeder provisorische Staatszustand nach einer Revolution erfordert eine Diktatur, und zwar eine energische Diktatur." Im Jahre 1850 begegnet uns die "Diktatur der Arbeiterklasse". Ziemlich zeitgleich unterzeichnen Marx und Engels ein Dokument mit der Überschrift: "Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten", in dessen Art. 1 von der "Diktatur der Proletarier" die Rede ist: "Das Ziel der Assoziation ist der Sturz aller privilegierten Klassen, ihre Unterwerfung unter die Diktatur der Proletarier, in welcher die Revolution in Permanenz erhalten wird bis zur Verwirklichung des Kommunismus, der die letzte Organisationsform der menschlichen Familie sein wird."

Wenig später heißt es: "Die Klassendiktatur des Proletariats" sei ein "notwendiger Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt". In einem aufschlußreichen Brief schrieb Marx am 5. März 1852: "Was ich neu tat war 1. nachzuweisen ..., daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; ... 3. daß diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet."

Zwanzig Jahre lang wird dann der Ausdruck in schriftlichen Äußerungen offenbar nicht mehr aktiv verwendet. Nur gleichsam im Spiegelbild taucht er auf. Marx zitiert Karl Vogt: "Unter dem Namen der Schwefelbande ... war unter der Flüchtlingsschaft von 1849 eine Anzahl von Leuten bekannt, die ... sich allmählich in London sammelten und dort als ihr sichtbares Oberhaupt Herrn Marx verehrten. Politisches Prinzip dieser Gesellen war die Diktatur des Proletariats etc."

Wer, wie etwa Wolfgang Leonhard, glaubt, Marx und Engels hätten den Begriff während dieser Zeit nicht verwendet, läßt die mündlichen Äußerungen unberücksichtigt. "The World" druckte am 15. Oktober 1871 die Aufzeichnungen eines Korrespondenten über Marxens Rede anläßlich der Feiern zum 7. Jahrestag der Internationalen Arbeiterassoziation am 25. September 1871 in London. Darin heißt es: "Aber bevor eine solche Änderung vollzogen werden könne, sei eine Diktatur des Proletariats notwendig ..."

Auch eine Äußerung Engels’ aus dem Jahre 1872 läßt auf den häufigen Gebrauch von "Diktatur des Proletariats" durch Marx schließen. Denn Engels behauptet: "Ebenso haben die sogenannten Blanquisten ... die Anschauung des deutschen wissenschaftlichen Sozialismus von der Notwendigkeit der politischen Aktion des Proletariats und seiner Diktatur als Übergang zur Abschaffung der Klassen und, mit ihnen, des Staates – wie solche bereits im Kommunistischen Manifest und seitdem unzählige Male ausgesprochen worden", proklamiert.

In einem Brief vom 4. September 1872 schrieb Eugene Vermersch: "Im Abstand von einer halben Stunde gab er [Marx] dann auch die beiden folgenden charakteristischen Sätze von sich, von denen ich glauben möchte, daß sie für sein politisches Vorgehen bezeichnend sind: ,Die proletarische Diktatur ist ein notwendiges historisches Durchgangsstadium der Geschichte! ..."

In der Broschüre "Zur Wohnungsfrage", verfaßt 1872/73 von Engels, stoßen wir mehrmals auf ein Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats. 1874 verteidigte Engels die Diktatur des Proletariats gegen Blanquis "Diktatur eines oder einiger weniger". 1875 war es Marx, der mit größter Selbstverständlichkeit den Gedanken erneut aussprach: "Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, in der der Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats."

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Rotbuches kam es anläßlich einer Tagung zu einem Streitgespräch zwischen Courtois und Löw über die geistige Hinterlassenschaft von Marx. Courtois, der aus der tiefsten linken Ecke kommt, war aufgeschlossen genug, die zwingenden Fakten zu akzeptieren und sein Marxbild grundlegend zu revidieren. Insofern ist er eine große Ausnahme.

Die Konsequenz seiner Konversion mündete in der Bereitschaft, das Vorwort zu diesem "Rotbuch" beizusteuern. Darin schreibt er: "Die Abstammung des Leninismus vom Marxismus wird also wieder zur wichtigen intellektuellen und politischen Frage, und das Buch von Konrad Löw gibt darauf eine erste Antwort." "Abstammung des Leninismus vom Marxismus" – das wirft freilich die Frage auf: Ist der "Marxismus" nun das, was man aus Marx gemacht hat, oder ist er gleichzusetzen mit dem originären Marx? Wenn Letzteres der Fall ist, muß man wiederum fragen, welcher Marx denn gemeint ist: der alte, der junge? Viele behaupten nämlich, es gebe einen Bruch zwischen dem humanistischen jungen und dem materialistischen alten Marx.

Löw weist jedoch nach, daß diese Unterscheidung keinen Sinn ergibt. Die Elemente beider Ketten, von denen oben die Rede war, finden wir bereits in den frühesten uns überlieferten Marx-Texten, sowohl im deutschen Abituraufsatz, in den Jugendgedichten als auch in der Dissertation. Das schier maßlose Selbstbewußtsein, die Selbstvergötzung, durchzieht wie ein roter Faden das ganze Leben, begegnet uns buchstäblich auf jeder Seite jedes Zeitabschnittes, aus dem uns Aufzeichnungen erhalten geblieben sind. Dabei waren Marx und Engels in der Schule nur guter Durchschnitt, als Student drückte sich Marx um jedes Examen, bis er dann unter ganz außergewöhnlich günstigen Umständen dort, wo die Promotion am "billigsten" zu haben war, in Jena, den Doktor phil. erwarb, ohne je in Jena gewesen zu sein.

Mit dieser krankhaften Egozentrik ging geradezu notwendig die Verachtung aller anderen einher, beschränkt eben nicht nur auf die Aristokraten und die Bourgeois, vielmehr mitumfassend auch die Demokraten, die konkurrierenden Sozialisten und Kommunisten, das eigene Volk und praktisch alle an- deren Völker, Menschen al- ler Klassen, Rassen und Schichten.

Im Anhang können die frühesten Beurteilungen von Marx seitens ehemaliger Freunde und Kampfgenossen studiert werden. Sie lassen schon die blutigen Säuberungen erahnen, die dann unter Lenin, noch gewaltiger unter Stalin Wirklichkeit wurden. So klagte Wilhelm Weitling bereits 1846: "Ich bin ihr ärgster Feind und kriege zuerst den Kopf heruntergeschlagen, dann die andern, zuletzt ihre Freunde, und ganz zuletzt schneiden sie sich selbst den Hals ab. Die Kritik zerfrißt alles Bestehende."

Konrad Löw: "Das Rotbuch der kommunistischen Ideologie. Marx & Engels – die Väter des Terrors" (mit einem Vorwort von Stéphane Courtois, Herausgeber von "Das Schwarzbuch des Kommunismus") Verlag Langen Müller, München 1999, 336 Seiten, DM 49,90.

 
     
     
 
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