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"Peinliche Niederlage" "Kopfnuß für den Minister" "Abgeblitzt" "Scharping verliert erneut": Die Schlagzeilen in der Presse ließen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping in den vergangenen zehn Tagen ganz schön alt aussehen. Grund waren zwei in diesem Sommer gefällte Urteile des Truppendienstgerichts Süd, die in der Armee Aufsehen erregten und durch die Berichterstattung im "Focus" in zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben nun auch der Öffentlichkeit bekannt wurden. Im ersten Verfahren bekamen ein Hauptmann und ein Stabsfeldwebel aus Baden-Württemberg , die wegen ihres Engagements für die "Republikaner" sofort und unter Verlust der Pensionsansprüche aus dem Dienst entlassen werden sollten, einen "Freispruch erster Klasse". Sie hätten durch ihre politische Tätigkeit ihre Dienstpflichten nicht verletzt, befand der Truppenrichter. Im zweiten Verfahren wurde ein Stabsfeldwebel aus Oberfranken ebenfalls vom Vorwurf des Dienstvergehens freigesprochen.
Scharping, über die gescheiterte Entlassung der beiden Berufssoldaten aus Baden-Württemberg erbost (es handelt sich um den stellvertretenden Landesvorsitzenden Herbert Bastl und den Neresheimer Stadtrat Bernd Mayer), schlug anderslautende Ratschläge in den Wind und entschied persönlich, daß Berufung eingelegt werden müsse. In den Reaktionen öffnet sich eine Kluft zwischen Politik und Armee: Während der Wehrbeauftragte des Bundestages, Wilfried Penner (SPD), die Racheaktion des Verteidigungsministers gutheißt, zeigt sich der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, skeptisch: "Es ist höchst unwahrscheinlich, daß in einem Berufungsverfahren eine grundlegend andere Entscheidung ergeht." Sollte es unter politischem Druck doch noch zu einer Verurteilung der Soldaten kommen, dürfte dies in der Truppe, wo Bastl und Mayer "große Solidarität" erfuhren, beträchtliches Befremden auslösen.
An den Argumenten des Truppendienstgerichts wird indes schwer vorbeizukommen sein. Das klare "Bekenntnis zum deutschen Volk" sei kein Indiz für Rechtsextremismus, so die Richter. Es müsse einer sich als patriotisch definierenden Partei in einer freiheitlichen demokratischen Staatsordnung rechtlich erlaubt sein, in der politischen Auseinandersetzung auch "plakativ und polemisch" über "beängstigende Ausmaße einer Überfremdung des deutschen Volkes" zu sprechen, sich gegen weitere Wiedergutmachungszahlungen zu wenden oder die Bombardierung Dresdens zu verurteilen und ein Denkmal für deutsche Opfer zu fordern.
Der von MAD und Verfassungsschutz vorgezeichneten Argumentationslinie der Anklageschrift wollte das Truppendienstgericht nicht folgen. Wenn Soldaten mit besten Beurteilungen sich persönlich und im Dienst untadelig verhalten, wenn ferner die Partei selbst wie die Richter feststellen keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt, müßten sich beide nicht etwaige fragwürdige Äußerungen und Handlungen anderer zum Schaden anrechnen lassen. Ausdrücklich rügt das Urteil handwerklich unsauberes Vorgehen der Anklage, die entgegen der Rechtspflicht zur Objektivität die klare Distanzierung der Republikaner von Rechtsextremen einfach übergehe.
Schon unter Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) wurden Soldaten, die Mitglied der Republikaner sind, mit Beförderungsverweigerung bestraft und zum Parteiaustritt und Niederlegen von Ämtern und Mandaten aufgefordert. Der Bundesvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, hatte deswegen im Frühjahr 1998 Strafanzeige gegen Rühe wegen Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger gestellt. Nach Übernahme des Ministeriums durch Scharping wurden Bastl und Mayer wiederum aufgefordert, Partei, Ämter und Mandate zu verlassen. Weil sie sich weigerten, wurde obwohl der MAD nichts Belastendes gefunden hatte Anklage vor dem Truppendienstgericht Süd erhoben, die zu dem Freispruch "im Namen des Volkes" führte. Scharping muß sich jetzt ebenso wie Rühe fragen lassen, ob er nicht durch Mißbrauch seiner Amtsstellung zur Bekämpfung von Mitgliedern einer bestimmten Partei selbst gegen Grundprinzipien der Demokratie verstößt.
Der Tenor des Urteils birgt noch weitergehenden Sprengstoff: "Die in den Anschuldigungsschriften vorgenommene Wertung, die Partei "Die Republikaner" habe seit 1993 insgesamt oder überwiegend verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, ergab sich für die Kammer bei Auswertung aller zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel nicht." Karl Feldmeyers Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 25. September bringt die Konsequenzen auf den Punkt: Das Urteil widerspreche "dem Anspruch aller Bundestagsparteien, selbst zu bestimmen, was ,politisch korrekt und damit verfassungskonform sei. Das ist der Stoff, aus dem Grundsatzdebatten gemacht sind." Man darf gespannt sein, wann diese überfällige Debatte geführt wird. Kurt Zach
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