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Parteien oder Produzenten oder Scharlatane ?

 
     
 
Plakat [niederl. plakaat], öffentlich angeschlagene Anzeige zur allgemeinen Information, häufig im Dienste der Werbung. Der Übergang zum Flugblatt, das oft nicht nur aus Text, sondern auch aus einer Kombination von Text und Bild bestand, ist fließend. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich das Plakat zu einem wichtigem Zweig der Gebrauchsgrafik und erlangte z. T. künstlerische Bedeutung ...", liest man in Seemanns kleinem Kunstlexikon
(nahezu 3000 Fachbegriffe aus Architektur, Malerei, Grafik, Plastik und angewandter Kunst, zusammengestellt von Brigitte Riese für den E. A. Seemann Verlag, Leipzig; jetzt zum günstigen Sonderpreis von 19,90 DM). Und weiter: "Einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Plakatkunst hatten auch Expressionismus, Konstruktivismus und Bauhaus durch Reduzierung auf wenige Bildelemente. Das politische Plakat kann zugleich bedeutsames zeitgeschichtliches Dokument sein. Darüber hinaus gewinnt das Plakat als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel zunehmend Beachtung und wird wegen seines Kunst- und Dokumentationswertes von Museen, Archiven, Bibliotheken und privaten Interessenten gesammelt." – Kunstfreunde und zeitgeschichtlich Interessierte sind denn auch gleichermaßen angesprochen, wenn sie eine Ausstellung besuchen, die noch bis zum 15. August im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe am Steintorplatz zu sehen ist (Katalog 49 DM; Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr). "Verführungen" heißt sie schlicht – doch was den Besucher dort erwartet, ist weitaus mehr als ein Blick in die Kunst der Verführung durch Parteien oder Produzenten, ist es doch eher eine Zeitreise durch die bewegte Epoche von 1914 bis 1945.

170 Plakate aus den Beständen des Hamburger Museums, der Kunstbibliothek Berlin und des Österreichischen Nationalmuseums Wien lassen eine Welt auferstehen, die geprägt war von zwei Weltkriegen, von parteipolitischen Turbulenzen, aber auch von Lebenslust und Vergnügungen. Aggressive Plakate der verschiedenen politischen Kräfte zwischen den Kriegen sind ebenso zu finden wie hinreißende für Filme oder ansprechende für Reisen (mit dem Schiff, der Lufthansa oder dem Zeppelin) in ferne Länder. Werbung für Produkte, die man immer noch kennt (Persil, Teekanne, Kaloderma, Pelikan Farben, Telefunken), mutet heute eher schlicht an. Und doch: es fasziniert die Leichtigkeit, mit der so manches an den Mann und die Frau gebracht werden sollte.

Eher bedrückend hingegen die Plakate aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und danach: "Nie wieder Krieg!" läßt Käthe Kollwitz einen Jungen zum Mitteldeutschen Jugendtag 1924 rufen. Zuvor war der Landsturm aufgerufen worden, zu kämpfen, war um Kriegsanleihen gebeten worden. Bald aber rufen Künstler wie Max Pechstein und Erich Heckel wieder auf zu kulturellen Veranstaltungen; Wohnungen müssen her, Messen werden veranstaltet.

Zu den Plakatkünstlern der zwanziger Jahre gehörte auch der 1892 in Elbing geborene Hans Leistikow († 1962), der seit 1926 als Leiter der graphischen Abteilung des Hochbauamtes Frankfurt (Main) das Erscheinungsbild der Mainmetropole durch einheitlich gestaltete Plakate, Drucksachen und Werbeschriften bestimmte. Seine Arbeiten zeichneten sich durch "zweckorientierte konzentrierte Klarheit" aus.

Filmplakate wie etwa zu dem 1917 entstandenen Stummfilm "Hans Trutz im Schlaraffenland" oder zu dem Streifen "Der Golem, wie er in die Welt kam" (1920) – beide mit dem Ostdeutschland Paul Wegener – zeigen ebenfalls, daß selbst (oder gerade?) in Krisenzeiten die Unterhaltung nicht zu kurz kam. Die Olympiade 1936 in Berlin ist ebenso ein Thema wie die Klassenlotterie. Das Bild wandelt sich schließlich, als 1939 Plakate nur noch unter staatlicher Aufsicht entstehen. Der Zweite Weltkrieg und der Aufruf zum Durchhalten ist denn auch zentrales Thema der Plakate dieser Jahre. – Vergessen der vehemente Ausruf einer Käthe Kollwitz: "Nie wieder Krieg!"

Plakate ganz anderer Art sind noch bis Anfang August auf 400 Plakatwänden in ganz Hamburg zu sehen. Wo sonst mit Riesenlettern und farbigen Fotos für Bier, Eis oder Waschmittel geworben wird, sind nun "nur Worte" auf zurückhaltend zartrosa Grund zu sehen. Unter dem Motto "Poesie in die Stadt" hat das Hamburger Literaturhaus mit Hilfe einiger Sponsoren aus der Wirtschaft eine Aktion ins Leben gerufen, die Lyrik wieder mehr ins Blickfeld rücken soll. 30 verschiedene Gedichte sollen die Menschen zum Lesen – und Nachdenken – verführen. Ob es gelingt und ob diese Plakate einst auch im Museum landen werden – die Zeit wird’s zeigen.

 
     
     
 
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