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Sie sollte den Weg ebnen für die Erweiterung der EU um bis zu zehn osteuropäische Staaten einschließlich Zyperns. Nach zähem Gefeilsch verabschiedeten die europäischen Staats- und Regierungschefs nun also die hefti umstrittene "Agenda 2000" auf ihrem jüngsten Gipfel in Berlin.
Die "Agenda" definiert im einzelnen die Höhe der Beitragszahlungen, die Ausgestaltung des Agrarmarktes und die Gewichtung der Regionalförderung. Darüber hinau ist es das erklärte Ziel, die europäischen Agrarmärkte näher an das Weltmarktnivea heranzuführen. Aus deutscher Sicht ging es darum, den exorbitanten deutschen Nettobeitra in Höhe von rund 22 Milliarden D-Mark zurückzuführen.
Legt man die Ergebnisse des Berliner EU-Gipfels zugrunde, dann wurden so ziemlich all Ziele, die man auf deutscher Seite ursprünglich gesetzt hat, verfehlt. Die deutsche Überweisungen in Richtung Brüssel werden bis zum Jahre 2003 sogar noch weiter ansteigen ehe dann eine minimale Erleichterung spürbar werden soll. Damit ist klar, da Deutschland Zahlmeister der EU bleiben wird.
Die Bonner Verhandlungsführer, allen voran aber Bundeskanzler Schröder und damit de deutsche Steuerzahler, waren die eindeutigen Verlierer des Berliner EU-Gipfels, der daz noch zehn Millionen Mark an Kosten verschlang. Die Gewinner waren erneut England und vo allem Frankreich, das auch in Zukunft der größte Profiteur der gemeinsame Landwirtschaftspolitik bleiben wird. Entsprechend gut gelaunt verließen die Herren Blai und Chirac den Berliner EU-Gipfel.
Ob die Ergebnisse von Berlin aber Bestand haben werden, ist keineswegs sicher. Darübe wird die nächste Runde der Liberalisierungsgespräche in der Welthandelsorganisatio (WTO) entscheiden, die Ende 1999 auf der Tagesordnung steht. Zölle, Exportsubventione und andere "handelsverzerrende" Subventionen sollen im Zuge dieser Gespräch beseitigt werden.
Daß den Amerikanern die Brüsseler Agrarpolitik schon seit längerem ein Dorn im Aug ist, haben diese oft genug zum Ausdruck gebracht. Die US-Handelsbeauftragte Charlen Barshefsky, die für ihre rigorose Art, amerikanische Interessen mit allem Nachdruc durchzuboxen, bekannt ist, sprach im Zusammenhang mit der EU-Agrarordnung von eine "Skandal". Das hochsubventionierte Brüsseler System bezeichnete sie schlich als einen "Affront". Dementsprechend kündigte Barshefsky für die nächst WTO-Runde an, daß die USA auf ein "aggressives Deregulieren der weltweite Agrarmärkte drängen" werden. Nach Äußerungen wie diesen sollten sich die Europäer auf knallharte Verhandlungen gefaßt machen, die kaum erwarten lassen, daß die Ergebnisse des EU-Gipfels von Berlin unangetastet bleiben.
Aus deutscher Perspektive schmerzt freilich nicht nur die in Berlin fortgeschriebene Höhe des deutschen Nettobeitrages. Auch die Auswirkungen de Berliner Gipfels auf die deutsche Landwirtschaft geben allen Anlaß zur Sorge. Experte prognostizieren im Zuge der Umsetzung der Osterweiterung ein Höfesterben in Deutschland das rund zwei Drittel der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe treffen könnte. Dies Auswirkungen werden die unmittelbare Folge einer Politik sein, welche die Agrarpreise au das Niveau des Weltmarktes absenken soll. Derlei Absenkung führt schon deshalb zu gravierenden Einschnitten, weil eine auf einheitliche und ökologisch vertretbar Produktionsstandards aufbauende Landwirtschaft im globalen Maßstab nicht durchsetzba ist. Der mörderische Konkurrenzdruck auf die deutsche Landwirtschaft wird weiter erhöht Denn denjenigen Staaten, die ökologische Standards nicht oder nur teilweise einhalten wird ein noch leichterer Zugang auf den deutschen Markt ermöglicht. Schließlich steig auch die Abhängigkeit der deutschen Verbraucher von Importen, deren Produktionsstandard in der Regel kaum kontrollierbar sind. Dadurch besteht die Gefahr, daß der deutsch Verbraucher mit Nahrungsmitteln versorgt wird, deren Qualität hinsichtlich de natürlichen Frische, der Lebensmittelhygiene, der Rückstandsfreiheit sowie relati artgerechter Tierhaltung nicht die Anforderungen erfüllt, die bisher in Deutschlan üblich waren.
Die sowieso schon schwierige Einkommenssituation der deutschen Landwirte wird sic durch die verabredeten Preissenkungen (ohne vollständigen Ausgleich für die entstehende Verluste) weiter verschärfen. Im einzelnen wurde in Berlin vereinbart, bei Getreide ein Preissenkung um 15 statt der zunächst geplanten 20 Prozent in zwei gleichen Stufen zu Beginn der Wirtschaftsjahre 2000/01 und 2001/02 durchzuführen. Bei Milch sollen die Preise mit dem Wirtschaftsjahr 2005/06 (und nicht schon, wie zunächst geplant, ab de Jahre 2001/02) stufenweise um insgesamt 15 Prozent rutschen. Bei Rindfleisch ist ab de Jahre 2000 eine Preisminderung von 20 Prozent geplant.
Paris hat sich bezeichnenderweise mit der Forderung durchsetzen können, staatlich Stützungskäufe für Fleischüberschüsse beizubehalten. Darüber hinaus wird wiederu auf Initiative Frankreichs eine der skandalösesten Vereinbarungen der EU beibehalten: Die Tötung und Beseitigung neugeborener Kälber. Im Fachjargon wird in diesem Zusammenhan von der sogenannten "Herodes-Prämie" gesprochen.
Herodes-Kälber sind Kälber, die jünger als drei Wochen sind. Oft sind die Tiere abe wesentlich jünger. Für die Tötung dieser Tiere zahlt die EU eine Prämie, die freilic nicht für die Verwertung des Fleisches ausgeschüttet wird, sondern schlicht und einfac für die Tötung der Tiere. Diese Maßnahme soll angeblich den Rindfleischmarkt entlasten Betroffen sind pro Jahr zirka eine Million Kälber, für die die EU pro Kalb 260 bis 28 Mark Prämie zahlt. Insgesamt aber verschlingt die Herodesprämie eine Milliarde Mark a Steuergeldern, denn: Die Kälber müssen aufgrund der Tatsache, daß nur einige wenig Schlachthöfe die Lizenz zum Töten besitzen, meist Hunderte von Kilometern transportier werden. Diese Transporte erklären sich dadurch, daß die meisten EU-Staaten aus ethische Gründen die Tötung neugeborener Kälber ablehnen. Ausgenommen Frankreich, Portugal un England.
Der Filmemacher Manfred Karremann will herausgefunden haben, daß auch für deutsch Kälber eine Herodes-Prämie gezahlt wird, obwohl diese offiziell von der Prämi ausgenommen sind. Konkret heißt dies, daß deutsche Kälber unter dubiosen Umständen vo Deutschland nach Frankreich transportiert werden, damit der Besitzer an die Herodes-Prämie gelangt.
Doch damit nicht genug: Während auf der einen Seite eine Million Kälber schlich vernichtet werden, führt die EU auf der anderen Seite eine halbe Million ausgewachsene Rinder aus Osteuropa ein. Es bleibt das Geheimnis der EU, wie auf diese Art und Weise de Rindfleischmarkt in der EU "stabilisiert" werden soll. Fest steht nur eines: De deutsche Steuerzahler wird auch weiter das zweifelhafte Vergnügen haben, diesen Wahnsin zu finanzieren.
Als neue und damit zusätzliche Säule der Agrarpolitik bezogen die Berline Gipfelteilnehmer den Bereich "Ländliche Entwicklung" in die Planungen mit ein Bis zum Jahre 2006 stehen insgesamt 14 Milliarden Euro für landwirtschaftsbezogen Programme zur Verfügung. Die wichtigsten Initiativen, welche die EU-Politiker an de Spree losgetreten haben, sind die Schaffung von Erwerbsalternativen, Dorferneuerung Ausbau von Wirtschaftswegen, Umweltschutz sowie Beihilfen für benachteiligte Gebiete Auch diese Maßnahmen werden den deutschen Steuerzahler viel Geld kosten.
Summa summarum werden die deutschen Landwirte jedoch gut 2,4 Milliarden Mar Einkommensverluste jährlich zu beklagen haben. Damit steht die Existenz von rund 11 00 bis 16 000 landwirtschaftlichen Betrieben bundesweit auf dem Spiel.
Zu dem agrarpolitischen Paket kommen noch die Vereinbarungen in der Strukturpolitik Für den Gipfel vorgenommen hatten sich die Staats- und Regierungschefs mit ihre Fachministern eine stärkere Konzentration der Fördermittel auf die wirtschaftlic schwächsten Regionen. Der von den regionalen Förderprogrammen abgedeckte Anteil de EU-Bevölkerung soll von derzeit mehr als 50 Prozent bis zum Jahre 2006 auf unter 4 Prozent sinken. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß auch weiter eine große Summ für den sogenannten "Kohäsionsfonds" bereitgestellt wird, aus de die EU Umweltschutz- und Verkehrsinvestitionen in den vier angeblich wirtschaftlic schwächsten Mitgliedstaaten Spanien, Portugal, Griechenland und Irland unterstützt. Da auch diese Investitionen nicht selten reine Geldvernichtungsprogramme sind, habe u. a. die Journalisten Angres, Hutter und Ribbe in ihrem jüngst erschienenen Buc "Bananen für Brüssel" (München, 1999) nachgewiesen: Millionen un Abermillionen wurden beispielsweise für Kläranlagen ausgegeben, "die heute als funktionslose Bauruinen in den verschiedensten Regionen Europas herumstehen". Die Autoren bezeichnen diese Bauruinen als "Mahnmale für fehlendes Controlling, fü Schlamperei sowie für ökonomische und ökologische Ignoranz bei de Empfängerländern".
Dieser Kohäsionsfonds sollte ursprünglich mit der Einführung des Euro abgeschaff werden. Insbesondere auf Druck Spaniens wird er aber weite fortgeschrieben. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat bereits vo Monaten eine derartige Regelung als "Einstieg in die Transferunion" beschrieben Diese Charakterisierung hat nach dem Berliner Gipfel mehr Gültigkeit denn je.
Wie mit den Ergebnissen des Berliner EU-Gipfels die Osterweiterung der EU finanzier werden soll, ist unklarer denn je. Geplant ist, daß die sogenannte "Eigenmittel" der EU nicht erhöht werden. Konkret ist damit gemeint, daß die Beiträge der Mitgliedstaaten nicht erhöht werden sollen. Dennoch strebt die Kommissio eine Art "Marshall-Plan" für die Länder Mittel- und Osteuropas an, der ca. 15 Milliarden Mark kosten soll.
Dies alles soll gleichzeitig mit einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit de europäischen Landwirtschaft auf den Weltmärkten einhergehen. Darauf aber sind weder die osteuropäischen Beitrittsstaaten noch die Mitgliedstaaten der EU vorbereitet. Mit de Beitritt der Ost-Staaten wird die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten mit eine Schlag um etwa 100 Prozent und die landwirtschaftliche Nutzfläche um 50 Prozent zunehmen Bereits 1996 machte der deutsche Landwirtschaftsminister anhand des polnischen Beispiele auf die Auswirkungen der "Agenda 2000" aufmerksam: Im EU-Durchschnitt seie sechs Prozent in der Landwirtschaft beschäftigt, in Polen hingegen abnorme 26 vo Hundert. Mit der Übernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der entsprechende westlichen Technik aber werde sich der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten a das Niveau der EU angleichen. Daraus folge der Verlust von Arbeitsplätzen für mehrer Millionen Menschen.
Konkret heißt das beispielsweise für Polen, daß das Land nach dem Beitritt in die E drei Millionen Arbeitsplätze ersetzen muß. Der Umstrukturierungsprozeß in de Landwirtschaft wird jedoch parallel zu ähnlichen Prozessen in der Schwerindustrie oder im Einzelhandel vonstatten gehen. Woher die Finanzmittel kommen sollen, mit denen die freigesetzten Arbeitskräfte wieder untergeracht werden sollen, darüber enthält die "Agenda 2000" bezeichnenderweise keine konkreten Aussagen bereit.
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