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Die Fesseln der politisch Korrekten gesprengt

 
     
 
Vor drei Wochen haben wir uns mit den Verleumdungsversuchen der Illustrierten Stern dem früheren Vorsitzenden des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, gegenüber beschäftigt. Der Stern hatte versucht, Henkel anhand seines neuesten Buches "Die Kraft des Neubeginns" "in die rechte Ecke" zu schieben, genauer: ihn des Rechtsextrem
ismus zu beschuldigen und ihn damit aus dem Kreis der "politisch Korrekten" auszustoßen.

Nun liegt uns sein Buch vor, und es bestätigt über weite Strecken, daß der früher fest in das Establishment eingebundene Henkel dabei ist, sich von den Fesseln der Meinungspolizei zu befreien. Das Buch wimmelt von Feststellungen, die in der Bundesrepublik offen auszusprechen den Autor in die Genickschußzone geraten läßt.

Das beginnt bereits im Vorwort, in dem er sich zu Deutschland bekennt und auch dazu, daß er dieses Land liebe. Er beruft sich auf den Bundespräsidenten Köhler, der keinen Hehl daraus machte, daß er Deutschland liebe und ihm Gottes Segen wünsche. Dazu meint Henkel, das sei jahrzehntelang undenkbar gewesen. "Heimatliebe war tabu ... Liebe zum eigenen Land, auf das man stolz ist, wird überall als Selbstverständlichkeit angesehen. Und keinem fiele es ein, dies dem Nachbarn zu verwehren. Ob die Menschen nun ‚Vive la France oder ‚God bless America rufen, sie alle wissen, daß Patriotismus zu den Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Gemeinwesens gehört und nicht nur des eigenen ..." Henkel ist überzeugt davon, daß "wir heute an einem Wendepunkt unserer Geschichte" stehen. "Seit Jahrzehnten hat sich Deutschland in eine Sackgasse manövriert, aus der es keinen Ausweg zu geben schien. Überall drohten Verbotsschilder und Tabus, zu denen auch jenes gehört, das eigene Land nicht lieben zu dürfen. Jeder Versuch, sich aus eigener Kraft zu befreien, endete in einer der zahllosen Selbstblockaden aus ideologischen Dogmen und Paragraphen."

Damit überschreitet Henkel jeden von der politischen Korrektheit gezogenen Zaun. Daher ist es unverständlich, wenn er sich in seiner Verteidigungsantwort auf den Stern darum bemühte, vom Vorwurf frei zu kommen, er sei vom Boden der politischen Korrektheit abgerückt. Gott sei Dank ist er das! Es kann doch nicht sein, daß jemand, dem an Ehrlichkeit und Wahrheit gelegen ist, wie Henkel betont, sich gern Fesseln anlegen läßt in seinen Meinungsäußerungen und in seinem Drang zu erkennen, wie es eigentlich gewesen ist! Man kann Henkel nur ermuntern, den letzten Schritt zu tun, um der politischen Korrektheit offen den Kampf anzusagen. In der Praxis hat er bereits den Befreiungsschlag getan; nun mag er sich dazu bekennen.

Henkel geht in dem Buch von seiner Familie aus, von seinem Vater, der in den letzten Monaten des Krieges gefallen ist, von seiner Mutter, die trotz Ausbombung in Hamburg ihn und seine zwei Geschwister tapfer durch die schwere Zeit brachte. Der Familie fühlt er sich verpflichtet; sie ist für ihn die kleinste Zelle seines Vaterlandes Deutschland. Er wehrt alle Versuche, die Generation jener Deutschen und sogar noch ihre Nachkommen im Zuge der Sippenhaft als Schuldige zu ächten. Nichts hält er von den permanenten Schuldbekenntnissen der deutschen politischen Führungspersönlichkeiten. "Die ‚Schuld , so einleuchtend sie juristisch ist, stellt im Historischen eine gefährliche Kategorie dar. Sie wirkt wie eine Keule. Mit gutem Gewissen eingesetzt, hinterläßt sie Wunden, die nicht verheilen. Von den Siegern des Ersten Weltkrieges gegen die Deutschen angewandt, trug sie mit Schuld daran, daß es zu einer Fortsetzung des Waffengangs kam. Denn der Friedensvertrag von Versailles zwang den Verlierer zum Eingeständnis seiner Alleinschuld. Damit mußte Deutschland sich selbst als moralischer Verlierer, ja, Verbrecher brandmarken. Die Sieger, die nur die Menschenrechtsverletzungen der Unterlegenen anprangerten, schienen zu übersehen, daß auch ein Volk so etwas wie eine Menschenwürde besitzt." Henkel vertritt die unter ausländischen Politikern wie unter seriösen Historikern verbreitete Ansicht, daß der Erste und der Zweite Weltkrieg zusammengehören, sie Anfang und Ende eines zweiten 30jährigen Krieges bilden. Und an dem Weltkrieg war Deutschland keineswegs allein schuldig.

Man müsse jetzt "alles beiseite räumen, was sich aufgetürmt hat und jeden Neuanfang behindert. Für mich gehört dazu auch das Festhalten an der ‚Erbsünde , die ewige Wiederholung einer Schuld, die den Menschen ihren Mut nimmt und ihnen nur schlechtes Gewissen einredet."

Die mögliche Beschuldigung, er sei Nationalist, wehrt er vehement ab. Er nennt sich einen "leidenschaftlichen Befürworter der europäischen Einigung und des Transatlantischen Bündnisses" und fährt fort: "Aber ich lege auch Wert auf die Wahrheit. Und diese ist, dank permanenter Umerziehung und Denkvorgaben, in Deutschland großen Teils vergessen worden." Nimmt man dann noch sein Bekenntnis, er sei "geradezu besessen" von der Freiheit des Individuums, hinzu, dann hat man ein Bild der Persönlichkeit Henkels vor sich. Jetzt, da er frei ist von Ämtern, die ihn festlegten auf die Interessenvertretung von Wirtschaftsgruppen (er ist ehrenamtlicher Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, des Zusammenschlusses der außeruniversitären Forschungsinstitutionen in unserem Land), kann er offen und ungeschminkt den Kampf gegen die unsere Meinungsfreiheit einschnürende politische Korrektheit aufnehmen.

In seinem Buch "Die Kraft des Neubeginns" tut er es bereits, so wenn er von unserer jüngsten Vergangenheit ein Geschichtsbild entwickelt, das man mit Fug und Recht als ein revisionistisches bezeichnen kann. Er spricht von der Einkreisung Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg, von "Nürnberger Schauprozessen", vom Bombenkrieg der Westalliierten gegen die Zivilbevölkerung.

Der Verlogenheit der deutschen Geschichte gegenüber und der unentwegt geschwungenen Keule der Schuldbekenntnisse schreibt Henkel es zu, daß die Bundesrepublik heute am Abgrund zu stehen scheint. Wer jahrzehntelang einem Volk solche Belastungen aufzwinge, töte jede Motivation zur Reform, erst recht zum Neubeginn. Neu müsse unser Staat beginnen, meint Henkel, nachdem er sich aufgrund falscher Politik festgefahren habe. Die Staatsführung sei besessen gewesen von der Idee, nur nichts Grundsätzliches zu verändern. Die Organisationsstrukturen unseres Staates seien erstarrt. Von den überbordenden Sozialleistungen habe man nicht abzugehen gewagt, weil man gefürchtet habe, sonst Wahlen zu verlieren. Die Folge: Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig.

Dabei habe es eine hervorragende Möglichkeit zum Neuanfang gegeben, als nämlich die BRD und die DDR sich aufgrund der friedlichen Revolution unserer mitteldeutschen Landsleute wiedervereinigten. Genau das aber ist vermieden worden. Man wollte aus dem geteilten Land keineswegs ein neues Deutschland schaffen, sondern die DDR sollte auf die alten Gleise der BRD geschoben werden; eine erweiterte Bundesrepublik sollte nach altem Schema entstehen. Ein Appell an das Gemeinschafts- und Verantwortungsbewußtsein aller Deutschen wurde sorgsam vermieden. Die Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede hat auch Hans-Olaf Henkel vermißt, eine Rede, mit der der damalige Bundeskanzler Kohl allen Deutschen hätte klarmachen müssen, daß nun, nachdem sich der vom Sozialismus in Grund und Boden gewirtschaftete Teil Deutschlands befreit hatte, von allen Deutschen in einem gewaltigen Kraftakt ein Neuanfang unseres Landes angepackt werden müsse. Kohl und die Seinen fürchteten offenbar die dadurch freigesetzte Kraft, die man glaubte, nicht mehr beherrschen zu können. Allerdings, so Henkel, kann ein Neuanfang nur gelingen, "wenn man weiß, was man will". Und das gerade ist die Hauptkrankheit unseres Gemeinwesens. Welches sind die deutschen Ziele? Wo liegen die deutschen Interessen? Was will Deutschland in der Gemeinschaft der Völker sein?

Auf solche Fragen gab weder die alte CDU-FDP-Regierung noch die ihr folgende SPD-Grünen-Regierung eine Antwort. Man laviert sich durch, läßt alles beim alten, gibt jedem Druck von außen nach und hat in Wahrheit Angst vor dem Volk.

Aus dieser Angst resultierte auch die Tatsache, daß in keinem Land Europas die Bürger so wenig direkte Mitwirkungsmöglichkeiten an der Politik haben wie in der Bundesrepublik, so Henkel. Er fordert daher mehr direkte Demokratie und verlangt konkret, daß eine Regelung gefunden werden müsse (Das Grundgesetz ist immer wieder geändert worden; warum dann nicht auch in diesem Punkt?), um den Bundespräsidenten wie auch die Ministerpräsidenten der Länder vom Volk wählen zu lassen. So würde nicht nur dem Amt des Bundespräsidenten mehr Gewicht verliehen, sondern auch die Bindung zwischen dem Wählervolk und seinen führenden Persönlichkeiten gestärkt.

Von Schröder und seiner rot-grünen Regierung hält Henkel nichts. Wenn Schröder gelegentlich Äußerungen von sich gibt, die den Eindruck erwecken, er vertrete vorrangig die deutschen Interessen, dann markiere er damit, wie Henkel meint, "Scheinpatriotismus". In Wahrheit laviere sich Schröder durch.

Hart ins Gericht geht er mit den Grünen. Er nennt aus der Führungsmannschaft alle beim Namen, die in der Wolle gefärbte Kommunisten waren, und läßt erkennen, daß er erhebliche Zweifel daran hat, daß sie ihre Gesinnung abgelegt haben. Die von ihm aufgeführten Maßnahmen, die von Grünen-Politikern durchgesetzt wurden, scheinen zu bestätigen, daß immer noch versucht wird, Vorstellungen der DDR in die Tat umzusetzen.

Auf allen Gebieten herrscht in der Bundesrepublik eine noch vor 20 Jahren unvorstellbar gewesene Schlamperei. Niemand fühlt sich verantwortlich, keiner engagiert sich bedingungslos für die gemeinsame Sache. Vieles in unserem Land ist außer Kontrolle geraten. Die Regierung operiert mit unkorrekten Zahlen. "Wo sich keiner verantwortlich fühlt, kleben alle an ihren Stühlen." Pfusch regiert auf allen Gebieten - von Toll collect bis zur Bundesanstalt für Arbeit, jetzt großspurig Bundesagentur für Arbeit genannt, wodurch sich nichts ändert. Hartz IV werde, befürchtet Henkel, in einem "administrativen Super-GAU" enden.

Dagegen stellt er Mut machende Aktivitäten wie den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden. Ohne Staat, (übrigens auch ohne tatkräftige Mithilfe der Kirche) hat Privatinitiative eines der schönsten und symbolträchtigsten Denkmale deutscher Geschichte wiedererrichtet, weil sich Menschen mit ganzem Herzen dafür eingesetzt haben.

Als "moralische Schlamperei" bezeichnet er nicht nur die Diffamierung des Abgeordneten Hohmann, sondern auch die Art, wie man mit Jürgen Möllemann umging, und das Verfahren, das die bekannten Seilschaften von der Zeit bis zur Süddeutschen Zeitung anwandten, um die üblen Verfehlungen des "zweit-höchsten Repräsentanten der deutschen Juden", Michel Friedman, herunterzuspielen - sie griffen den ermittelnden Staatsanwalt an.

Henkel zieht gegen jede Art von Gleichmacherei zu Felde, die in der Sozialpolitik wie in der Bildungspolitik zu schlimmen Folgen geführt habe. Die Politik der Bundesregierung erschöpfe sich meist in der Veröffentlichung von Ankündigungen, denen keine Taten folgten.

Man schluckt allerdings trocken, wenn man Henkels Anhimmelung der USA liest. Schon als Schüler war er gefesselt von der amerikanischen Trivialkultur; nichts riß ihn so hin wie US-Popmusik. Die Begeisterung hat sich bis heute noch vertieft. Was immer es Gutes und Schönes in der Welt gibt, kommt nach Henkels Meinung aus den USA. Und großzügig, wie die Amerikaner sind, teilen sie all ihre Schätze mit den anderen Völkern. Er ist dankbar dafür, daß die USA Deutschland "adoptiert" haben, wie er schreibt. - Hier fehlt die sonst vorhandene gesunde Kritikfähigkeit; er erkennt nicht, daß Deutschland auf viele der von ihm angeprangerten Irrwege von den USA geführt worden ist. Und er wünscht sich Angela Merkel als Kanzlerin, weil er meint, ohne es zu begründen, daß sie das Zeug dazu habe, den jetzigen verderblichen Kurs der Bundesregierung umzukehren. Hoffen wir in unser aller Interesse, daß Henkel Recht hat und nicht Arnulf Baring, der in der von Angela Merkel geführten CDU nur eine zweite SPD sieht.

Vielleicht ist ein solches Buch wie "Die Kraft des Neubeginns" aus der Feder eines der führenden Wirtschaftsmanager Deutschlands tatsächlich ein Zeichen dafür, daß unser Land an einem Wendepunkt steht. Lesenswert ist es allemal.

Gemeinsam stark: Deutschlands Wiederaufbau war wirtschaftlich erfolgreich, doch ein neues Selbstbewußtsein entstand dadurch nicht.

 
     
     
 
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