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Die Verfassung kennzeichnet den Geisteszustand

 
     
 
Das Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage "an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist", heißt es im Artikel 146 des Grundgesetztes. Dies bedeutet nicht nur, daß das deutsche Volk keine selbstbestimmte Verfassung hat und nur ein gegebenes Grundgesetz. Artikel 146 impliziert auch einen Volksentscheid
über einen Verfassungsentwurf. Gesetze werden aber gegeben -, von Herrschern, Parlamenten oder Siegern, das Grundgesetz ist dem deutschen Volk, unter der Federführung der alliierten Siegermächte, am 24. August 1948 auf dem Convent von Herrenchiemsee in einer ersten Fassung gegeben worden. Das Volk hat sich das Grundgesetz nicht selbst gegeben.

Der Verfassungs-Convent im engeren Sinne kommt aus der republikanischen Tradition und wurde für das deutsche Volk durch bestellte Honoratioren verabschiedet. Soweit - so gut: Deutschland ist seither eine Republik. Schon in der französischen Revolution, die erst in eine jacobinische Republik - und dann in ein Kaisertum unter Napoleon mündete, gab es Convente, vor allem der Jacobiner. Doch die Bestimmung einer Republik und was in einer Republik das Volk ist, liegt in der Antike - im alten Griechenland und im Rom der Cesaren.

Griechenland und seine Gemeinwesen, wie zum Beispiel die Polis Athens, sind die eher ethischen Vorbilder unserer demokratischen Ordnung. Der griechische Philosoph Aristoteles formulierte, "so wie für den Menschen gilt, die rechte Mitte zu wahren, so ist es auch im Staatsleben die richtige, vernunftgemäße Form das Beste". Dies ist nicht nur aufklärerisch, in diesem Sinne regiert herrschte der Alte "Fritz" in Preußen. Auch für die Jahre des Wirtschaftswunders der Bundesrepublik galt die Goldene Regel, die Ludwig Erhard in seiner Mahnung "Maß halten" formulierte.

In antikem Sinne bezeichnet Demokratie die Herrschaft des Volkes durch das Volk, vertreten durch seine edelsten Häupter. Dies war auch schon in Rom so. Der römische Denker Cicero läßt Africanus in seiner "de re publica" sagen: "Der Staat ist die Sache des Volkes", Volk sei aber eine Menge von Menschen, die vor allem in der Übereinkunft der Rechtssätze und des gemeinsamen Nutzens zusammenleben. In diesem Sinne konstituiert ein Rechtsraum, unabhängig von der Art des geltenden Rechts, also egal ob ein religiöses oder ein laizistisches Recht, durch die Gebundenheit der Menschen an die Normen, ein Volk. Hier gilt die Verfassung also für die Bürger, nicht für ein Volk.

Zum deutschen Volk in diesem Sinne gehört jeder, der dieser Rechtsnorm unterworfen ist, der also im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebt und einen deutschen Paß besitzt. Spätestens an dieser Stelle stößt man auf dem Widerspruch zwischen Republik als Regierungsform einerseits und Demokratie als Herrschaft des Volkes andererseits. Republik ist vor allem eine andere als völkische Herrschaftsform.

In der Republik herrscht das Recht über die Bevölkerung, und nicht das Volk über sich selbst, was die ursprüngliche Idee der Demokratie im antiken Sinne ist. Dabei entscheidet die Herrschaft über das Recht und durch das Recht im Sinne der römischen Konzeption der Republik über die Herrschaft im Staat. War es in Rom zunächst ein Triumvirat, das die Entscheidungen traf, war es in der römischen Republik der Magistrat, der den Diktator ernannte. Dieser hatte alle Amtsgewalt. In der Bundesrepublik wird der Bundeskanzler durch das Parlament bestimmt, und er bestimmt die Richtlinien der Politik - steht zumindest im Grundgesetz. Das Recht bestimmt das Parlament. Es sind in dem Sinne des antiken Vorbildes der römischen Republik aber nicht die Tüchtigen, die durch Herkunft und Ertüchtigung Fähigkeit erwerben und beweisen und Verantwortlichkeit als auch Funktion im Staat und für den Staat übernehmen, wie im alten Sparta. Es sind aber die Mächtigen, die oft auf Grundlage materieller Voraussetzungen Gewalt erlangen und ausüben. Dies ist ganz wie in unserem heutigen Staate, wo die Lobbies ihre Kandidaten in Parteien und Ämter hieven, wo Parteispenden über Wahlausgänge entscheiden, Bestechungen an der Tagesordnung sind und Leistung und Charakter weniger zählen als Opportunismus und Vetternwirtschaft. Es ist eine Binsenweisheit, daß nicht die Besten im Bundestag sitzen. Es nimmt nicht mehr das Volk iniativen Einfluß, sondern zusammengewürfelte Bürgergesellschaften. Es ist nicht die Aristokratie im Senat wie in Rom, sondern eine Parteilerschicht im Parlament und öffentlichen Leben, die Politisches bestimmt.

Dies bedeutet zwangläufig ein Desinteresse an Erhalt des Ganzen (des Staates, der Volksgemeinschaft) und bewirkt eine Motivation nur an der Durchsetzung von Individual- beziehungsweise Gruppeninteresse. Der Egoismus steht heute über dem Gemeinwohl. Rom ist an dieser Fehlentwicklung zugrunde gegangen. Wer muß hier nicht zwangsläufig an das System Kohl und seine aufstrebenden Epigonen denken - die Nachfolger wie Roland Koch aus Hessen oder Peter Müller aus dem Saarland.

Schließlich macht bei dieser Klasse an Politikern die Parteizugehörigkeit wenig aus. Beck ist Pfälzer wie Kohl und ißt ebenso gerne Saumagen. Buri hatte schon unter Kanzleramtsminister Bohl Spitzenaufgaben und dient seinem Herrn Schröder genauso wie dem Ex-Kanzler. Jeder hat den Herrscher, den er verdient, meint Cicero. Man kann es konkretisieren: es herrscht die Klasse, die es am geschicktesten versteht, sich mit allen Mittel an der Macht zu halten. Oder: je dümmer das Volk, desto frecher die Regierung. Nur einer Menge Menschen, die lediglich bewahrt sein will, der dient die Herrschaft des Optimaten. Dem Bequemen wird alle Verantwortung aus der Hand genommen. Dieser Optimat ist ein Diktator, der die Mittel der Staatslenkung und die Wege der Machtausübung beherrscht, um seinen eigenen Zielen zu dienen. Er dient schließlich nicht dem Volk, sondern Einzelinteressen. Diese aber müssen mit den Interessen der Bevölkerung, oder anders: der Bürger, nicht übereinstimmen. In der Republik dient das Parlament und die Regierung nicht dem Volk, sondern sich selbst und den Lobbies. Das Volk - besser die Bürgervergesellschaftung - vergnügt sich derweil mit "Spare-Rips" in "Neighbourhood" (auf deutsch: Brot und Spiel).

Weit sind wir in der Bundesrepublik Deutschland aber von der Dekadenz und Heuchelei in der Unart der römischen Republik nicht entfernt. Und aktuell:. Der neu ins Leben gerufene "Bürgerconvent" der Herren Henckel, von Kuehnheim und Lambsdorff vermittelt eher den Eindruck des "gewußt Wie". Will da jemand etwa die Überbleibsel des Systems Kohl retten? Zuviel Heuchelei stiftete nur Verwirrung, gefragt ist Gradlinigkeit.

Es ist kein Zufall, daß Machiavelli in den Jahren vor der Reformation in Europa des 16 Jahrhunderts die Republik einerseits als demokratische Herrschaftsform erklärte, andererseits über die Möglichkeiten des Machterhalts seiner Tyrannen philosophierte und Techniken hierzu entwarf. Es entlarvt sich die Heuchelei in dem formulierten Ziel der Republik als Demokratie, wenn es darum geht, die Stabilität des Staates zu gewährleisten, indem dem Tyrann und seiner Clique die Macht erhalten wird. Volk und Bürger sind in diesem Sinne nur Manövriermasse und "Verfassung" bezeichnet eher den Geisteszustand des Usopators.

Machiavelli nimmt Rom als Beispiel, wo sich drei Elemente der Staatsform positiv vereinigt haben. Ein monarchisches Element, durch den regierenden Konsul, ein demokratisches Element, durch den Volkstribun und ein aristrokatisches Element durch den Senat. So weit funktionierte dies in Rom ja auch zeitweise gut, sogar mit einem Cesar. In unserem heutigen Staat, der Bundesrepublik Deutschland, ist jedoch von diesen drei Elementen ein verkümmerter Volkstribun übriggeblieben, der sich nun Kanzler nennt und sich auf parlamentarische Mehrheiten stützen muß.

Im Bundestag kann kaum jemand das aristokratische Element, also die Verantwortung in den Händen der Besten, ernsthaft erkennen. Der Bundespräsident müht sich redlich integrative Repräsentanz zu sein, wie ein Monarch. Es gelingt jedoch nur sehr kommentierend. Die Weiterentwick-lung demokratischer Verhältnisse in der Konzeption des Gesellschaftsvertrages durch Rousseau führt vor allem zur Teilung der Gewalten im Staat, um Tyrannis zu verhindern. Aber selbst diese Gewaltenteilung zwischen Rechtsprechung, Regierung und Parlament existiert in der beabsichtigten Form in der Bundesrepublik nicht. In der Parteiendemokratie sind die Regierungen und Regierungschefs von den Mehrheiten im Parlament abhängig. Die Verschränkung zwischen Exekutiver und Legislativer ist offenkundig, genauso wie die Verquickung von Gerichtsbarkeiten mit Parteieninteressen. Parteien sollen nach dem Grundgesetz lediglich bei der Meinungsbildung mitwirken und nicht einen Apparat bilden, der das gesamte öffentliche und private Leben durchwirkt, wie bei der SED und teilweise durch das System Kohl.

Durch den Bundestag als Herrschaftsinstrument und weniger als Regierungskontrollgremium, hat sich in Deutschland eine Form der Republik etabliert, in der eine politische Klasse, aufgrund der finanziellen und kollegialen Verhältnisse, dem Streben nach Selbsterhalt unterliegt. Dies ist nicht die Herrschaft des Volkes durch Aristokratie oder Repräsentanz, wie in Athen oder Rom, sondern die Machtausübung einer Versorgungsklasse, besser: Selbstversorgungsklasse.

Man sollte nicht unbeachtet lassen, daß mit der französischen Revolution, auf dem Fuße der Aufklärung, sich ein anderes Verständnis der Herrschaft durchgesetzt hat. Der Revolution der Straße folgte die Schreckensherrschaft der Jacobiner. Freiheit, als Verantwortungslosigkeit, Gleichheit als Begründung für den Mord am Besseren und Brüderlichkeit als Gruppenzwang sind und waren jedoch nie die Ideale des "wahren Jacob", sondern Gerechtigkeit. Mariannes Freiheit führt das Volk und verführt es nicht wie der grundlose Schrei runstiger Vorort-hyänen, jener Clubs und Gesellschaften, welche die Revolution so blutig machten.

Ein Volk lehnt sich immer gegen Pression auf, selbst der Bürger ruht nicht in Bier und Wein oder Brot und Spiel, wenn er im Bewußtsein eigener Leistungsfähigkeit nach höherem strebt. In diesem Sinne waren die Junirevolutionen 1848 von Paris bis Berlin, kein Aufbegehren gegen die alte Ordnung oder die Monarchie, sondern gegen die dumme Arroganz der Macht, wie sie sich auch in heutigen Republiken vergegenwärtigt. Was die Trikolore 1790 blutrot färbte und die Kommunisten 1917 im Zarenreich und Nationalsozialisten 1933 in Deutschland an die Regierung brachte, ist jene Uneinsichtigkeit in die Maßgabe von Freiheit. Freiheit bedarf der rechten Form, das heißt eines ursprünglichen Rechtssystems, einer für das Volk gemachten und durch das Volk gegebenen Verfassung, mit integrativer Repräsentanz, also Identifikation und Identität durch lebende Symbole - nicht durch konsumelle Äußerlichkeit, wie in der markt-orientierten Bürgergesellschaft. Will der Eine durch seine persönliche "Freiheit" alles machen dürfen, ihm solle also alles erlaubt sein, ist dem Anderen Freiheit eine Pflicht zu verantwortungsvollem Handeln in einem Rechtsrahmen. "Handele stets so, daß Dein Tun einem allgemeinen Gesetze entsprechen könnte" lautet der kategorische Imperativ Kants. Ist wiederum dem Einen der Ruf nach Freiheit nur Mittel zum Zweck, erlangen jene, die um diese kämpfen, eine neue Form der Freiheit, ein Recht zur Freiheit. Aber jenes soll möglichst gut, das Beste für das Volk sein - im Sinne der alten Griechen. Die Realisierung dieser Form zur Freiheit fehlt der Bundesrepublik Deutschland, da es für diesen Staat keine selbstbestimmte Verfassung des deutschen Volkes gibt.

Welche Form hat denn die Bundesrepublik Deutschland? Was heißt hier Republik, und wie soll diese schließlich aussehen? - Wie die Volksrepublik in China, oder die präsidiale Republik Frankreichs - oder wie die USA. Herrscht das Volk hier wirklich durch das Parlament oder herrscht immer noch die alte Clique von 1948. In den sozialistischen Republiken des Bolschewismus und des real existierenden Sozialismus zerbrachen die republikanisch-sozialistischen Demokratien. Das Volk versetzte ihnen den Todesstoß.

Die jetzige Form oder Verfaßtheit der Republik, das Grundgesetz, ist nicht statisch, sondern im Übergang wie diese Staatsform selbst!. Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist Rechtsraum für die Bundesbürger und offensichtlich nicht für das deutsche Volk. Es wird ständig der Realität angepaßt und dies im Sinne der Versorgungsklasse. Es scheint in "diesem unserem Lande" immer nur eine Frage, für wen die Gesetze gelten, wer sich einem Gesetz unterstellt, oder diesem unterstellt wird. Die Staatsanwaltschaft bescheinigte erst kürzlich dem Ex-Kanzler Helmut Kohl, in dessen Amt Akten zu Hauf vernichtet wurden, der die Herkunft von Spendengeldern verschweigt und der in die Leuna-Affäre verwickelt ist, daß die Vorwürfe gegen seine Person nicht hinreichend zu beweisen seien und hat die Ermittlungen, zum Teil gegen Zahlung entsprechender Summen Geldes, eingestellt.

Ein Grundgesetz wie in Deutschland kennt man in Großbritannien überhaupt nicht, und dennoch ist dieser Staat eine Demokratie, mit Parlament und Wahlen und Gesetzeswerk. Wer also behauptet, eine Republik gründet sich auf fest verfaßte Rechtsnormen und sei sicher eine Demokratie, der irrt. Diese Republik ist sicher keine Demokratie! Wir sind keine Demokratie, weil der Begriff des Volkes nicht klar umrissen ist und immer weiter verwischt wird. Ein Volk baut sich aus Familien auf, die stammeshistorisch und genuin zusammengehören - nicht schon eine Menge von Menschen mit gleichen Interessen und Zielen, ist ein Volk. Dies ist eher eine Masse Menschen, die leitbar und leicht zu regieren wie auch leichter zu verführen ist. Die Zersetzung der Familien in Deutschland und der Verlust der Identität des Individuums im Markt macht das Volk zur Masse und zum Spielball der Mächtigen. In wessen Sinne ist Deutschland also eine "Republik" - ein Staat mit Massemensch.

Herrenchiemsee: Der Verfassungsconvent von 1948 arbeitete dem deutschen Volke ein provisorisches Grundgesetz aus.
 
     
     
 
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