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Neue Allianzen für die Zukunft

 
     
 
Man ist schnell zur Tagesordnung übergegangen, so als sei das Ereignis nicht so wichtig gewesen. Aber es hatte den Hauch der Historie und war schlicht Realpolitik. Man könnte es auch Machtpolitik nennen, wenn das Wort für deutsche Ohren nicht so einen Mißklang hätte. Aber mit einer an den Maßstäben des Rechts allein orientierten Politik hat die Annäherung der USA an Indien, auch über nukleare Mittel, ziemlich wenig zu tun. Hier geht es einfach um eine Eindämmung des wachsenden Rivalen China und auch um eine Präventivstrategie
für den Fall, daß Pakistan einmal in die Hände von radikalen Muslimen fallen sollte. Und natürlich geht es auch um harte Dollars. Die sind bei und mit der wirtschaftlich wie politisch aufstrebenden künftigen Großmacht Indien eher zu holen als im alternden Europa oder im politisch unsicheren Hinterhof von Lateinamerika.

Indien hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben, wurde deswegen jahrzehntelang gemieden und an den Rand des Weltgeschehens gedrückt, teilweise sogar mit Sanktionen belegt. Nun ist das alles vergessen. Was sollen die Iraner davon halten? Sie werden sich denken: Was dem Inder billig, ist dem Iraner recht. Sie werden jetzt noch weniger nachgeben wollen. Aber sie täuschen sich. Es gehört auch zur Realpolitik, daß man die Atomwaffenreife verhindern will. Indien hat sie schon, Iran will sie erlangen. Daß Amerika es ernst meint mit seiner Machtpolitik, scheint aber auch den Mullahs langsam zu dämmern. Sie geben sich gesprächsbereit - bezeichnenderweise bilateral gegenüber Washington. Washington wird das Angebot annehmen, solange es um den Irak geht. In der Atomfrage bleibt man am Potomac kompromißlos. Iran gilt nach wie vor als "größte Herausforderung", wie es in der neuesten Fassung der Nationalen Sicherheitsstrategie heißt, die im Prinzip nicht von der alten abweicht und einen Präventivschlag vorsieht, sollten die vitalen Interessen Amerikas gefährdet sein, etwa durch die Beschaffung von Atomwaffen in Staaten, die dem Terror nahestehen.

Ganz anders im Fall Indien. Die wirkliche Bedeutung des neuen strategischen Bündnisses in Südasien aber betrifft die Weltpolitik. Offenbar ist man in Washington überzeugt davon, daß Indien schon wegen der demographischen Größe zu den kommenden Weltmächten zählt. Wer die von 15 Stiftungen, den Geheimdiensten und weiteren großen Instituten angefertigten jährlichen Berichte über die Zukunft der Weltpolitik verfolgt, den wird das kaum wundern. Seit mehr als fünf Jahren schon spielt die Demographie darin eine bedeutsame Rolle. Darüber wundern sich die Europäer, weil sie dieses Thema verdrängen. Aber es ist ein Faktor der Geopolitik. Washington und Neu Delhi zeigen es nun. Junge Menschen in einem freiheitlichen, marktwirtschaftlichen und demokratischen System, das bedeutet auch viel Innovationskraft, Unternehmergeist, preiswerte Arbeitskräfte. All das ist ein Warnschuß für das sozialstaatsgesättigte Europa. Amerika wird sich nicht vom alten Kontinent abwenden, aber es wird ihn eben als einen alternden Kontinent betrachten, der Gefahr läuft, in den nächsten Jahrzehnten islamisiert zu werden, weil seine Widerstandskräfte erlahmen, wenn er sich nicht auf seinen Logos, seine Philosophie, sein Rechtsdenken und die Menschenrechte, auf sein historisches Erbe und vor allem auf die Lebensoffenheit seiner christlichen Kultur besinnt.

Der strategische Allianzenzuwachs Amerikas muß jedoch nicht das letzte Wort der Weltpolitik sein. Indien ist ein großes Potential, aber es ist auch eine große Unbekannte. Kastenwesen und religiöser Eifer fesseln den Riesen. Von sozialer Marktwirtschaft keine Spur. Gewerkschaften, soziale Sicherungssysteme, sozialer Friede - Fehlanzeige. Und die Rivalität zu China kann auch mal zur Partnerschaft werden. Dennoch, Amerika handelt, Europa schaut vor allem zu. Zwar versucht Frankreich, mit dem sudöstlichen Riesen ins Geschäft zu kommen, und auch Rußland ist nicht zimperlich. Es liefert Uran trotz des noch gültigen Embargos. Damit überholt Moskau sozusagen die Amerikaner. Außerdem hilft es Indien bereits beim Bau zweier Kernreaktoren im Süden des Subkontinents. Auch Moskau betreibt kaltschnäuzig Machtpolitik.

Aber Europa hat noch Trümpfe: Seine historischen Erfahrungen mit Indien und darüber hinaus, seine Fähigkeit zur Partnerschaft, die nicht nur business heißt, seine Wettbewerbsfähigkeit in einigen Bereichen der Spitzentechnologie, zum Beispiel der Elektrooptik. Europa darf sich nicht auf eine Zuschauerrolle beschränken - noch nicht, dafür ist der Primat des Rechts zu wenig verankert, auch in der neuen Welt. Ein wenig sollte, ja muß Europa in der Machtwelt noch mitspielen. Sonst rutscht es ab auf Kolonialstatus.

Indien ist nicht nur demographisch im Wachstum begriffen

Europa sollte auf historische Erfahrungen zurückgreifen

Sucht nach Partnern, die wirtschaftlich und gesellschaftlich mit den USA am ehesten kompatibel sind: US-Präsident Bush in Indien
 
     
     
 
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