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Heiko Peters ist Hamburger Kaufmann und war bis zum November 2000 CDU-Mitglied. Mit einer bundesweit vielbeachteten Anzeigenkampagne prangerte der 62jährige streitbare Hanseat die Lüge der Regierung Kohl vor dem Bundestag und dem Bundesverfassungsgericht an, die Sowjetunion habe ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung erklärtermaßen davon abhängig gemacht, daß die durch die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949 veränderten Besitzverhältnisse bestehen bleiben. Als Folge dieser Unwahrheit erhielten rund 600.000 betroffene Familien bis heute ihr unrechtmäßig beschlagnahmtes Eigentum in der ehemaligen DDR nicht wieder zurück.
Wie sind Sie eigentlich auf das Thema "Rückgabe des in der sowjetischen Zone konfiszierten Besitzes aus der Zeit zwischen 1945 und 1949" gekommen?
Peters: Durch einen Leitartikel von Klaus-Peter Krause in der FAZ mit dem Titel "Bush sagt No", in dem der damalige US-Präsident George Bush Senior zitiert wurde, eine Vorbedingung der Sowjets zur Deutschen Wiedervereinigung habe es nicht gegeben. Wider besseres Wissen behaupteten Kohl und Regierungsvertreter vor dem Bundestag und später vor dem Bundesverfassungsgericht ja das Gegenteil. In einem Leserbrief an die FAZ habe ich deswegen gefordert, die Staatsanwaltschaft müsse sich um den Fall kümmern. Nach Abdruck meines Leserbriefes rief mich der damalige CDU-Parteivorsitzende Wolfgang Schäuble persönlich an und kritisierte mich, weil ich Mitgliedern der eigenen Partei - ich war damals im Vorstand der Blankeneser CDU - mit dem Staatsanwalt drohen würde, dies gehöre sich nicht. Wolfgang Schäuble persönlich kritisierte mein Vorgehen.
Ich entgegnete ihm, ein Einschalten der Staatsanwaltschaft sei nötig, weil anscheinend ein Unrecht begangen worden sei und das Parteibuch in einem solchen Fall nicht vor Ermittlungen schützen dürfe. Wir können es nicht zulassen, daß unser Grundgesetz zu Lasten einer Minderheit ausgehebelt und das Recht in unserem Lande gebeugt wird. Zu diesem Zweck log Kanzler Helmut Kohl den Bundestag hinsichtlich einer sowjetischen Vorbedingung zur Wiedervereinigung an und sprach Roman Herzog als Vorsitzender des Bundesverfassungsgerichtes eindeutig ein parteipolitisches Gefälligkeitsurteil und beugte auf diese Weise wissentlich Recht. Ich habe alles Weitere getan, weil ich es als meine politische und bürgerliche Pflicht empfunden habe, gegen diesen Skandal vorzugehen.
Sie haben dann von 1996 bis 2000 in einer bundesweiten Anzeigenkampagne scharfe Kritik an Helmut Kohl, Klaus Kinkel, Wolfgang Schäuble und Roman Herzog, den Hauptakteuren der Politinszenierung einer vermeintlichen sowjetischen Vorbedingung zur Wiedervereinigung geübt. Was war Ihr Ziel dabei?
Peters: Innerhalb der CDU war die Bereitschaft gering, dieses Thema offen zu diskutieren. Deswegen wollte ich die Öffentlichkeit wachrütteln und auf dieses wirklich wichtige Problem aufmerksam machen. Denn in einer sozialen Marktwirtschaft in der Tradition von Ludwig Erhard kann es einfach nicht angehen, daß das Eigentum als Grundpfeiler dieser Wirtschaftsordnung auf solch eklatante Art verletzt wird. Was ich mir erhoffte, war, daß nun endlich die deutschen Journalisten selbständige Recherchen zu diesem Thema anstellen und eigene Artikel darüber schreiben würden. Eine Welle von Berichterstattungen, das war es, was ich erhofft hatte. Dazu ist es aber nicht gekommen. Das ging so weit, daß mir sogar ein Vertreter des Nachrichtenmagazins Spiegel erklärte: "Alles was Sie sagen stimmt, Herr Peters! Wir wissen sogar noch viel mehr über das Thema. Wir werden aber als Spiegel nicht darüber berichten, weil wir kein Interesse daran haben, daß die ehemaligen Eigentümer ihren Besitz zurückerhalten." Diese Verweigerungshaltung eines der bedeutendsten Organe der "vierten Gewalt" in unserem Land war eine ganz neue und zugleich schimpfliche Erfahrung für mich. Heute muß ich bilanzieren: Der Funke des Themas ist nicht auf die bundesdeutsche Presse übergesprungen.
Obwohl ihre teils großformatigen Anzeigen in allen wichtigen Zeitungen wie Süddeutsche Zeitung, FAZ und Welt, um nur einige zu nennen, über einen mehrjährigen Zeitraum erschienen sind?
Peters: Ja. Alle wichtigen deutschen Blätter waren dabei, und die Kampagne erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Jahren. Und die Sprache der Anzeigen war wirklich sehr hart und direkt. Ich brachte Begriffe wie "Betrug", "Lüge" und "Hehlerei" in einen direkten Zusammenhang mit der politischen Führung unseres Landes. Alles strafrechtlich bewehrte Sachverhalte. Dies tat ich, um eine juristische Reaktion der Gegenseite hervorzurufen. Sollten sie mich doch verklagen. Dies hätte mir die Gelegenheit verschafft, vor einem Gericht die Richtigkeit meiner Kernaussagen öffentlich zu untermauern.
Sind Sie nicht verklagt worden?
Peters: Nein, nie. Zähneknirschend ließ man mich gewähren. Ich denke, meine Adressaten wollten dieses Risiko nicht eingehen. Denn bei einem Prozeß wäre die Wahrheit ans Licht gekommen: Die sowjetische Vorbedingung zur Wiedervereinigung Deutschlands hat es nicht gegeben. Dies ist mir sowohl von Anatolij Tschernjajew, dem außenpolitischen Berater Gorbatschows, als auch vom wichtigsten DDR-Unterhändler, Günther Krause, persönlich bestätigt worden. Es gab keine sowjetische Vorbedingung zur Wiedervereinigung Deutschlands. Von Günther Krause liegt mir sogar eine diesbezügliche eidesstattliche Erklärung vor. Fakt ist: Die Regierung Kohl wollte die Konfiskationen nicht rückgängig machen und mit den Einnahmen aus dem Verkauf der seinerzeit konfiszierten Betriebe und Böden die deutsche Einheit finanzieren. Denn der ehemals staatseigene Besitz der DDR ging ja mit der Wiedervereinigung über in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland.
War die scharfe Gangart Ihrer Anzeigen zweckmäßig?
Peters: Heute denke ich, daß ich beim Formulieren Stilfehler begangen habe. Der sehr aggressive Sprachstil der Anzeigen, bedingt durch meine Empörung, war vielleicht etwas zu drastisch. Bei manchem Leser hat diese Überpointierung womöglich zu einer Distanzierung geführt.
Woher stammte das Geld für eine derart aufwendige Kampagne?
Peters: Ich sammelte das Geld für diesen Zweck zunächst bei Hamburger Bürgern, die so dachten wie ich. Innerhalb einer Woche hatte ich 600.000 Mark für die ersten Anzeigen auf einem Sonderkonto beisammen. Später erweiterte sich der Kreis der Spender auf die gesamte Bundesrepublik. Insgesamt kamen rund neun Millionen Mark zusammen. Und das Geld war nicht nur von den Wohlhabenden. Teilweise schickten die Leute auch Zehn-Mark-Scheine mit dem Hinweis, mehr könnten sie nicht erübrigen, aber ich solle meinen Kampf fortsetzen. Das fand ich phantastisch.
Sind Sie oder Ihre Familie persönlich von den Konfiskationen betroffen?
Peters: Nein. Meine Großeltern stammen ursprünglich aus Pommern, doch schon seit über 100 Jahren sind wir Hamburger Bürger. In der ehemaligen DDR hatten wir keinen Besitz.
Haben Sie mit Ihrem Engagement nicht der CDU geschadet?
Peters: Ich denke nicht. Mein Ziel ist nicht nur die Wahrung unserer Rechtsstaatlichkeit, sondern auch die Erneuerung der Demokratie, basierend auf der persönlichen Freiheit. Mein Ziel ist die Wahrung unserer Rechtsstaatlichkeit.
Ich habe wirklich Angst, daß aus unserem Staat auf Dauer eine Art Funktionärsdiktatur, ich nenne es eine "Demokratur", eine gelenkte Demokratie mit genormten Einstellungen werden wird. Das Anerziehen von genormten und gestanzten Meinungen unter dem Etikett der Political Correctness hat bereits jetzt ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Indiz hierfür ist auch unsere gleichgeschaltete Presse. Ebenso hat sich die Bestellung unserer obersten Richter durch die Parteien als nicht zweckmäßig erwiesen. Es kann nicht sein, daß Fachkunde und der innere Wille zur Gerechtigkeit der Parteiraison untergeordnet werden. Dies gefährdet unser Land. Unsere Demokratie bewegt sich in die falsche Richtung und hiergegen gilt es anzukämpfen.
Nun sind seit Ihrer Kampagne schon einige Jahre vergangen. Inwieweit ist das Problem des 1945 bis 1949 konfiszierten Eigentums heute noch von tagespolitischem Interesse?
Peters: Mehr denn je sogar. Wie ist denn heute, 15 Jahre nach der Wende, die Lage in der ehemaligen DDR? Zweieinhalb Millionen überwiegend jüngere Menschen haben den Osten Deutschlands verlassen, weil sie dort keine Zukunft mehr sehen. Es gibt heute Landstriche im Osten Deutschlands, in denen die Arbeitslosigkeit bei 35 bis 40 Prozent liegt. Das geht an die soziale und wirtschaftliche Substanz. Und das, wo beispielsweise Sachsen vor dem Krieg einmal die wirtschaftlich stärkste Region in Deutschland war. Wie soll denn diese unheilvolle Arbeitslosigkeit jemals in den Griff bekommen werden, wenn man potentiellen Arbeitgebern bis heute die Rückkehr in ihre Heimat erschwert? Die Hauptursache für die wirtschaftliche Misere in den Neuen Bundesländern ist das Fehlen eines leistungswilligen Mittelstandes, denn der Mittelstand ist einzig dazu in der Lage, diejenigen Arbeitsplätze zu schaffen, die dort benötigt werden.
Wie die neuesten Zahlen der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) belegen, erwirtschaftet der Staat mit dem Verkauf des enteigneten Besitzes gerade mal die Kosten, die für die Verwaltung durch diese Behörde entstehen.
Peters: Leider haben Sie Recht. Dies bestätigt eine meiner Grundüberzeugungen, wonach der Staat nicht vernünftig wirtschaften kann. Hinzu kommt, daß der Öffentlichkeit von Anfang an ein völlig falsches Bild vom Umfang des Problems suggeriert wurde. Es hieß, betroffen von den bestehenbleibenden Enteignungen seien lediglich zirka 11.000 Großgrundbesitzer und etwa 6.500 bis 7.000 Mittelständler und Großindustrielle. Heute weiß man, daß tatsächlich rund 625.000 Familien betroffen sind, also praktisch der gesamte Mittelstand. Also eben nicht nur Grafen und Freiherren, sondern in erster Linie Menschen, die, etwa als Klempner, Apotheker oder Landwirt, eine wesentliche und zahlreiche Stütze der Wirtschaft waren. Fast der gesamte Mittelstand war betroffen.
Diese Zahl 625.000 wurde im Jahr 2000 in einem Bericht des Bundesfinanzministeriums an das Bundesverfassungsgericht genannt. Von diesen 625.000 würden nach meiner Schätzung etwa zehn Prozent nach wie vor sofort in ihre Heimat zurückkehren, wenn man hierfür die Voraussetzungen schaffen würde. Wenn jede dieser mittelständischen Familien im Schnitt nur fünf Arbeitsplätze im Osten schaffen würde, wären dies rund 300.000 neue Arbeitsplätze. Für Menschen, die wiederum Steuern und Sozialabgaben leisten würden. Darum lautet meine Forderung: Sofort denjenigen Besitz an den Mittelstand zurückgeben, der heute noch im Staatsbesitz ist! Dies gilt ja nach wie vor für den überwiegenden Teil der 1945 bis 1949 konfiszierten Äcker, Wälder und Immobilien.
Noch in diesem Jahr wird vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil erwartet, in dem die Höhe der Ausgleichsleistungen für die in der Zeit von 1945 bis 1949 vorgenommenen Enteignungen festgelegt werden soll. Erwarten Sie, daß das Straßburger Verfahren womöglich neue Lösungswege für das Problem eröffnet?
Peters: Europa wird Deutschland wieder einmal dahin treiben, Gerechtigkeit zu üben. Straßburg wird sagen: "Ihr müßt die Entschädigungen zahlen. Und zwar müßt ihr an Stelle der vorgesehenen drei bis fünf Prozent mindestens 50 Prozent zahlen." Wobei hier noch eine jährliche Verzinsung zu sechs Prozent zu veranschlagen ist. Und damit sind wir dann wieder bei rund 100 Prozent. Im konkreten Falle der 70 Kläger wird Straßburg entscheiden, daß Entschädigungen gezahlt werden müssen. Und generell wird Straßburg Deutschland verpflichten, bei der Höhe der Entschädigungen bedeutend nachzubessern. Dies wird aber Herrn Eichels Etat mit Sicherheit überlasten.
Wie könnte die Regierung das Entschädigungsproblem lösen, vor das sie durch Straßburg möglicherweise gestellt wird?
Peters: Zur Rückgabe, wo sie möglich ist, sehe ich keine vernünftige Alternative. Und Herr Eichel wird sich dieser Einsicht auf Dauer wahrscheinlich auch nicht verschließen können. Auch in den Fällen, wo das Eigentum inzwischen verkauft worden ist, müssen natürlich Entschädigungen gezahlt werden, indem der Verkaufserlös ausgeschüttet wird. Ich sage sogar: nach dem Verkehrswert von 1990. Wenn nun Herr Eichel kommt und sagt: "Dazu fehlen mir die Mittel", sage ich: "Gut, dann machen wir das anders: Gib den Leuten, denen Du nichts mehr zurückgeben kannst, handelbare und übertragbare Steuergutschriften"! Diese Steuergutschriften sollen wie folgt verwendet werden: Zu 100 Prozent sollen sie angerechnet werden, wenn im Laufe von drei Jahren nach Erteilung ein entsprechender Betrag auf dem Boden der ehemaligen DDR investiert wird. Zu 75 Prozent sollen sie angerechnet werden, wenn die Investition woanders getätigt wird, aber einem Bewohner der ehemaligen DDR wirtschaftlich nutzt. Und zu lediglich 50 Prozent soll der Betrag angerechnet werden, wenn gar nicht investiert wird. Weil die Steuergutschrift aber handelbar und übertragbar sein soll, entwickelt sich sofort ein Handel mit diesen Gutschriften, der letztlich dringend benötigte Investitionen im Osten zur Folge haben wird. So könnte man die berechtigten Ansprüche befriedigen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung in den Neuen Bundesländern spürbar voranbringen. n
Das Interview mit dem Hamburger Kaufmann Heiko Peters führten Joseph Miller-Aichholz und Veit Godoj. |
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