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Deutsch-polnische Beziehungen: Eigenständige kommunale Aussenpolitik

 
     
 
Bis 1989/1990 haben viele deutsche Heimatvertriebene im Wege eines Heimattourismus ihre Herkunftsgebiete besucht und Kontakte zu den dort lebenden Polen geknüpft und dabei unter anderem in den schwersten Augenblicken der Krise und des Kriegszustandes in Polen 1981 durch Paketaktionen große humanitäre Hilfe geleistet.

Ungeachtet dessen herrschte von 1945 bis 1989/90, also ungefähr 45 Jahre, in der polnischen Öffentlichkeit durch die Flut der Propaganda
über die deutsche Gefahr und insbesondere über den Revisionismus und Revanchismus der deutschen Heimatvertriebenen ein nachhaltig feindliches Vertriebenenbild. Ausschlaggebend hierfür war der innenpolitische Nutzen, da das Gespenst des deutschen Revisionimus ein soziotechnisches Instrument war, um das Volk an die kommunistische Herrschaftselite zu binden, vom totalitären stalinistischen Regime abzulenken sowie die Ursachen wirt- schaftlicher und gesellschaftlicher Krisen in Polen zu verschleiern, aber auch antisozialistische Tendenzen einzudämmen. (So Jerzy Kolacki, Die Tätigkeit der Vertriebenen aus polnischer Sicht.)

Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Republik Polen und der damit verbundenen Auflösung des Ost-West-Konfliktes besteht jedoch für die Heimatkreis- gemeinschaften der ostdeutschen Freundeskreisen die Möglichkeit, durch grenzüberschreitende Arbeit Verständigungs- und Aufbauarbeit für das Europa der Zukunft im Geiste der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 in den Oder-Neiße-Gebieten der Republik Polen auf kommunaler Ebene zu leisten. Dabei hat der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 die psychologischen Grundlagen und damit günstige Voraussetzungen für eine deutsch-polnische Zusammenarbeit im kommunalen Bereich geschaffen, obwohl in diesem Vertragswerk als großer Mangel die deutschen Heimatvertriebenen nicht erwähnt werden.

Für die in den Heimatkreisgemeinschaften maßgeblichen Vertriebenenvertreter stand dabei von Anfang an fest, daß die Aufbauarbeit in den Heimatgebieten beziehungsweise die Wiederbelebung der Heimatgebiete als Herzensangelegenheit nur im engen Zusammenwirken mit den heute dort lebenden Menschen, also mit den polnischen Bürgern, geleistet werden kann. Sie waren und sind aus Liebe zur angestammten Heimat von dem Willen beseelt, sich für das Wohlergehen ihrer Heimatgemeinden und der dort lebenden Menschen einzusetzen. In diesem Bewußtsein haben die ostdeutschen Heimatkreisgemeinschaften bereits seit 1991 den Dialog mit den führenden polnischen kommunalen Repräsentanten der Gebietskörperschaften in den Oder-Neiße-Gebieten unter Einbeziehung wichtiger gesellschaftlicher Kreise aufgenommen.

Im Rahmen ihrer mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit mit den Bürgern ihrer Heimatgebiete haben die Heimatkreisgemeinschaften und die sie unterstützenden ostdeutschen Freundeskreisen ein umfangreiches Paket von Maßnahmen im humanitär-sozialen und im kulturellen Bereich geschnürt.

So haben im humanitär-sozialen Bereich die Vertriebenenorganisationen in den Heimatgebieten durch umfangreiche humanitäre Hilfsmaßnahmen dazu beigetragen, den heute dort lebenden Menschen bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven zu helfen und einen Beitrag zur Stabilisierung des Gebietes zu leisten. Die Heimatkreisgemeinschaften zahlen aus eigenen Mitteln und mit Hilfe der seit den 50er Jahren bestehenden Sozialwerke der Freundeskreisen Gelder an hilfsbedürftige Deutsche aus und organisieren Hilfstransporte, die ausschließlich aus Spenden finanziert und von ehrenamtlichen Helfern durchgeführt werden.

Des weiteren organisieren die Heimatkreisgemeinschaften Hilfen für Krankenhäuser, Kinderheime und Altenwohnstätten. Sie richten auch Apotheken ein. Außerdem beteiligen sich inzwischen viele ostdeutsche Heimatkreisgemeinschaften an der Unterhaltung von Sozial- stationen in der Republik Polen, die mit Hilfe der Anschubfinanzierung durch das BMI eingerichtet werden konnten und die Anlaufstellen für hilfsbedürftige, kranke, alte und schwache Menschen sind, die dort Rat und direkte Hilfe erhalten und um häusliche Pflege nachsuchen können.

Durch diese Arbeit werden Menschen erreicht, die aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung im polnischen Staat häufig jahrelang in großem Elend leben mußten. Die Sozialstationen gewähr- leisten die medizinische Versorgung für viele in den Oder-Neiße-Gebieten lebende Personen. Jede an einer Sozialstation beteiligte ostdeutsche Heimatkreisgemeinschaft steuert jährlich erhebliche Geldmittel zur Unterhaltung der Station bei. Insgesamt ist anzumerken, daß die Sozialstationen für alle dort lebenden Menschen segensreich sind und gerade bei den Polen einen ausgezeichneten Ruf genießen.

Im kulturellen Bereich gehört zum zukunftsorientierten Wirken der ostdeutschen Freundeskreisen mit ihren Heimatkreisgemeinschaften, daß noch vorhandene Baudenkmäler als Zeugnisse deutscher Kultur wieder hergestellt beziehungsweise vor weiteren Schäden und Verlusten bewahrt und gesichert werden. Im Bereich des Denkmalschutzes liegen die Schwerpunkte auf den Gebieten der Wiederherstellung alter Bausubstanz und der Restaurierung von Friedhöfen.

Die Heimatkreisgemeinschaften möchten in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften in der Republik Polen alle Anstrengungen unternehmen, die historische Kontinuität der kommunalen Gebietskörperschaft mit ihren alten Bauten und Baustrukturen durch Verschönerungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen sichtbar und erlebbar zu gestalten.

Das ist eine große und schöne Aufgabe. Europa, Deutschland und Polen haben einen Gewinn, wenn die jeweilige Gebietskörperschaft in den Oder-Neiße-Gebieten der Republik Polen ihr eigenes Gesicht mit ihren bedeutenden Kulturdenkmälern einbringt, die ihre reiche Geschichte mit Höhen und Tiefen zeigt. Damit wird in der Öffentlichkeit auch ein vielbeachtetes Zeichen der Identifikation mit dem historischen Erbe und dem Erhalt heimatlicher Identität gesetzt.

Demzufolge beteiligen sich im historischen Ostdeutschland die Heimatkreisgemeinschaften an dem Wiederaufbau von Schlössern, Stadttoren, mittelalterlichen Stadtmauern, Wassertürmen, Kriegerdenkmälern und anderen Baudenkmälern aus deutscher Zeit.

Die polnische Bevölkerung erkennt zunehmend die große Bedeutung der von den Deutschen erbrachten Kulturleistungen für Geschichte und Gegenwart der Oder-Neiße-Gebiete und sucht nach neuen Wegen, sie mit ihrer eigenen Identität zu verbinden. Dieser Prozeß wird gerade von den Heimatkreisgemeinschaften nachhaltig gefördert. So werden in vielen Museen oder anderen öffentlichen Orten Ausstellungen der Heimatkreisgemeinschaften präsentiert, die die Geschichte und Gegenwart der jeweiligen Heimatregion zum Inhalt haben.

Austausch von Publikationen über die jeweilige Gebietskörperschaft gehört ebenso zum Repertoire gemeinsamer kultureller Zusammenarbeit wie die gemeinsame historische Forschung und die Sammlung von Archivgut.

Größtes Interesse bei den Polen genießen die von den Heimatkreisgemeinschaften gefertigten verwaltungsgeschichtlichen Abhandlungen über den Kreis, Stadt- und Gemeindechroniken, Bildbände und andere historische Abhandlungen.

Des weiteren führen die Freundeskreisen und die Heimatkreisgemeinschaften Sommerfeste mit einem Kulturprogramm durch, die sich zu einem festlichen Treffpunkt von Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen sowie Neuzugezogenen entwickelt haben.

Der BdV und seine Landesverbände sowie die Freundeskreisen mit ihren Heimatkreisgemeinschaften haben nicht nur bei der Gründung und dem Aufbau von fast allen deutschen Vereinen in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße wesentliche Hilfestellung geleistet, sie geben auch den dort lebenden Deutschen zum Teil finanzielle und ideelle Hilfe, um ihnen ein aktives Vereinsleben zu ermöglichen.

In den Führungsgremien vieler Heimatkreisgemeinschaften gibt es einen Heimatbeauftragten, der die deutschen Vereine in kultureller, sozialer und verbandsorganisatorischer Hinsicht berät. Hierzu gehören auch die Vermittlung von Brauchtum und Liedgut, gemeinsame Kultur- und Begegnungsveranstaltungen sowie auch die Hilfe bei sozialen Maßnahmen wie Ausflügen, Ferienfreizeiten.

Bei einem guten Zusammenwirken nimmt der deutsche Verein die Funktion einer Brücke zwischen den Heimatkreisgemeinschaften und den polnischen Gebietskörperschaften wahr.

Zwischen dem Heimatkreisgemeinschaften und den führenden kommunalen polnischen Repräsentanten, aber auch mit Vertretern von Vereinen und Schulen besteht in der Regel eine gute, zum Teil sehr enge Zusammenarbeit. Es finden regelmäßig Treffen beziehungsweise Arbeitsbesuche statt, die einem intensiven Meinungs- und Informationsaustausch sowie der Besprechung gemeinsamer zukünftiger Projekte dienen. Darüber hinaus besuchen führende polnische Mandatsträger häufig die Heimattreffen der Heimatkreisgemeinschaften, im Gegenzug werden Vertreter der Heimatkreise zu Stadtfesten, Stadtjubiläen und besonderen kulturellen Veranstaltungen in die Heimatgebiete eingeladen.

In der Republik Polen sind gemeinsame Zeitungs- und Fernseh-interviews sowie die Übertragung der Reden der Vorsitzenden der Heimatkreisgemeinschaften bei Festakten und die Einbeziehung der Heimatkreisgemeinschaften bei der Herausgabe einer Festschrift im Rahmen der kommunalen Partnerschaft Ausdruck einer besonderen Form der Kontakte.

Eine besondere offiziell-feierliche Form der Kontakte stellen die inzwischen 15 Partnerschaftsverträge mit dem Austausch von Partnerschaftsurkunden zwischen Heimatkreisgemeinschaften als Vertriebenenorganisationen und polnischen Gebiets- körperschaften dar. Alle bereits seit vielen Jahren in der Zusammenarbeit praktizierten kommunalen Aufgabenbereiche sind in den operativen Teil der Partnerschaftsurkunde aufgenommen worden.

Es handelt sich hierbei um

- Denkmalspflege

- Organisation von Ausstellungen und musealen Präsentationen

- Publikationen über die Gebietskörperschaft

- Veranstaltungen im kulturellen Bereich

- Zusammenarbeit in der historischen Forschung

- Förderung der Gebietskörperschaft durch Kontakte in den Bereichen Wirtschaft und Tourismus

- Hilfe im sozial-humanitären Bereich

- Jugendaustausch

- Arbeitsbesuche und Arbeitstreffen.

Der Partnerschaftsvertrag hat als hochpolitischer Vertrag für den Bund der Vertriebenen, die ostdeutschen Freundeskreisen und die deutschen Heimatvertriebenen folgende sehr hoch zu veranschlagende Vorteile:

1. Die ostdeutsche Heimatkreisgemeinschaft wird als Vertriebenenorganisation durch diesen Vertrag von gleichberechtigten Partnern als ideelle Gebietskörperschaft von den Polen akzeptiert und respektiert.

2. Die Einbeziehung des deutschen Vereins in den Text des Partnerschaftsvertrages und in ein dichtes Netz von gemeinsamen Maß- nahmen mit der polnischen Seite bedeutet für die deutsche Volksgruppe eine sichtbare Aufwertung in der Öffentlichkeit.

3. In den Partnerschaftsverträgen mit deutschem und polnischem Text gewinnt der historische deutsche Name der Gebietskörperschaft neben den heutigen polnischen Bezeichnungen wieder an Bedeutung und Aktualität.

4. Durch diesen engen Kontakt zu den Heimatgebieten in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den dort lebenden Menschen und Verwaltungen wird die fortwirkende Verbindung der Vertriebenen mit der Heimat dokumentiert.

5. Des weiteren leisten die vielfältigen partnerschaftlichen, grenzüberschreitenden Aktivitäten Beiträge dafür, daß die historischen Ostprovinzen als geistiger Begriff im öffentlichen Bewußtsein in der Bundesrepublik und in der Republik Polen auch in Zukunft weiterleben.

Mit der Partnerschaftsvereinbarung erhält auch das Verhältnis zwischen deutschen Heimatvertriebenen und Polen eine neue Dimension. Es sind zugleich die Aufgaben und Herausforderungen für beide Partner gewachsen. Es geht über die Verständigung hinaus um aktive Zusammenarbeit, gemeinsame Zukunftsgestaltung in einem vereinten Europa. Dies kommt auch in den visionären Botschaften der Texte vieler Partnerschaftsurkunden zum Ausdruck. Dort erklären sich nämlich beide Partner bereit, durch den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit in kommunalen Aufgabenbereichen einen Beitrag zum Zusammenwachsen Europas auf kommunaler Ebene zu leisten.

Mit dieser Form einer eigenständigen kommunalen Außenpolitik haben inzwischen viele Heimatkreisgemeinschaften der Politik des Desinteresses der deutschen Bun-desregierungen seit 1990 gegenüber Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und deren fehlende Einbindung in die Ausgestaltung der deutschen Ostbeziehungen Rechnung getragen und sich von der Ignoranz der gesamten deutschen Außenpolitik, für die die Heimatgebiete der Vertriebenen kein Thema sind, emanzipiert.

Es ist bisher einem linksradikalen Publizisten vorbehalten geblieben, die Bedeutung der Partnerschaftsverträge für die deutschen Heimatvertriebenen herauszuarbeiten. In seinem Buch "Grenzenlose Heimat, Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände" schreibt Samuel Salzborn zum Vertrag zwischen der Heimatkreisgemeinschaft Preußisch Holland und der Stadt Preußisch Holland/Paslek:

"Träume werden wahr, die Zäsur 1998. - 1998 war es dann so weit. Der lang gehegte Traum, im Ausland unmittelbar für die eigenen Interessen kämpfen zu können, wurde wahr. Am 12. Juni wurde die Urkunde über die Partnerschaft zwischen der polnischen Stadt und Gemeinde Paslek und der Kreisgemeinschaft Preußisch Holland unterzeichnet. Eine solche Partnerschaftsvereinbarung war ein absolutes Novum, denn damit erklärte sich erstmals eine polnische Stadt bereit, mit einer Organisation zusammenzuarbeiten, die jahrzehntelang im Sinne einer "Exilvertretung" statt ihrer hatte auftreten wollen ... Der Anspruch der sogenannten Exilvertretungen hat sich dabei keinesfalls geändert."

In der Erkenntnis der Tragweite der Herstellung einer solchen partnerschaftlichen Vereinbarung ist dieser Vermerk eines Vertriebenengegners von Bedeutung. Hier wird nachhaltig gewürdigt, welche politische Bedeutung die eigenständige kommunale Außenpolitik der deutschen Heimatvertriebenen haben kann, die deutliche Akzente gegenüber der offiziellen bundesdeutschen Außenpolitik setzt.

Aufbauend auf die Dichte der vielfältigen kommunalen Beziehungen zwischen den Heimatkreisgemeinschaften und den polnischen Gebietskörperschaften habe ich den kommunalpolitischen Kongreß der Freundeskreis Ostdeutschland in Zusammenarbeit mit dem BdV initiiert und inhaltlich konzipiert. Dieser Kongreß soll einem fruchtbaren Meinungs- und Erfahrungsaustausch dienen, der der Erörterung, Weiterentwicklung und Vertiefung der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Zukunftsgestaltung in einem zusammenwachsenden Europa Rechnung trägt. Dabei geht es um die Konzentration und Ausrichtung der gemeinsamen Kräfte auf erreichbare Ziele. Unsere gemeinsamen Interessen sollen durch die Bündelung und Koordination der gemeinsamen Kräfte besser verfolgt werden können. Die bisherigen zwei kommunalpolitischen Kongresse, an denen jeweils 40 polnische Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte sowie mehr als 36 ostdeutsche Heimatkreisvertreter teilnahmen, haben Bewegung in das deutsch-polnische Verhältnis unter Einbeziehung der deutschen Heimatvertriebenen gebracht. Man bewegt sich gemeinsam aufeinander zu. In einem von der Direktorin des Präsidialbüros, Frau Czeslawa Ostrowska, verlesenen Grußwort des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski fordert dieser die anwesenden polnischen Mandatsträger und die deutschen Heimatvertriebenen auf, die solideste Brücke im deutschen-polnischen Verhältnis zu bauen. Dabei wird den Polen folgendes immer stärker bewußt: Die deutschen Heimatvertriebenen besitzen zu ihren Heimatgebieten ein unzerstörbares Heimatgefühl, das ein starkes ideelles und materielles Engagement für die Heimat freisetzt. Sie sind gerade mit ihrer spezifischen Erfahrung wertvolle Mittler im europäischen Integrations- prozeß für die polnische Bevölkerung. Und die deutschen Heimatvertriebenen sind im deutschen Volk fast die einzige gesellschaftliche Gruppierung, die den Blick immer wieder nach Osten in Richtung Polen richtet, sich mit diesem östlichen Nachbarn befaßt und beschäftigt.

Was die Bedeutung unserer kommunalpolitischen Aktivitäten angeht, so möchte ich auf die Botschaft des früheren geschäfts- führenden Präsidialmitgliedes des Deutschen Landkreistages, Dr. Hans Tiedeken, aus dem Jahre 1985 hinweisen, die nichts an ihrer Aktualität verloren hat. Er sagte:

"Das europäische Gebäude wird von unten her gebaut - mit all seinen architektonischen und vor allem statischen Schwierigkeiten in den oberen Etagen. Wenn Keller- und Erdgeschoß nicht tragen und schon rissig sind, arbeiten die nationalen und übernationalen Handwerker in luftiger Höhe vergeblich. Deshalb sind die kommunalpolitischen Auslandskontakte, Partnerschaften und Freundschaften notwendig, sinnvoll und geboten."

Wenn wir eine Zwischenbilanz der mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen den Heimatkreisgemeinschaften als Vertriebenenorganisationen und pol- nischen Gebietskörperschaften ziehen, dann können wir unter dem Strich weitgehend auf imposante Erfolge in unserer Arbeit in der Heimat zurückblicken. In den bereits erwähnten kommunalen Aufgabenbereichen haben wir gemeinsam gute Arbeit geleistet. Die Beziehungen auf kommunaler Ebene haben sich zu einer engen vertrauensvollen Zusammenarbeit geformt. Die polnischen Partner haben insbesondere in den beiden letzten Jahren wichtige politische symbolische Zeichen gesetzt, indem sie mehrere maßgebliche Vertreter der Vertriebenenverbände mit der Verleihung von Ehrenbürgerrechten oder anderen hohen kommunalen Auszeichnungen geehrt und damit gewürdigt haben, daß sich diese Persönlichkeiten in besonderer Weise um das Miteinander verdient gemacht haben.

Unsere Politik des Dialogs und der ausgestreckten Hand ist seit mehreren Jahren von Ideen- und Konzeptionsreichtum geprägt. Sie hat die deutschen Heimatvertriebenen unter Beibehaltung und Betonung ihrer wichtigen politischen Anliegen gegenüber dem polnischen Nachbarn im wesentlichen zu einem im kommunalen Bereich in der Republik Polen akzeptierten Partner gemacht. Sie hat aber auch in der Bundesrepublik Deutschland die von maßgeblichen politischen Kräften angestrebte Isolation der Vertriebenen scheitern lassen.

Die deutschen Heimatvertriebenen arbeiten nämlich mit vielen gesellschaftspolitischen Verbänden und Gruppen zusammen, wie unter anderem den kommunalen Spitzenverbänden in der Bundesrepublik Deutschland, pflegen gute Kontakte zu großen Sozialverbänden wie dem Lazarus-Hilfswerk und der Johanniter-Unfall-Hilfe. Sie führen einen Meinungs- und Gedankenaustausch mit bedeutenden Vertretern des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages.

Entgegen der Meinung von Markus Mildenberger in seinem Beitrag "Die Rolle der Vertriebenen in den deutsch-polnischen Beziehungen - Brücke oder Barriere?" im Deutschland-Archiv 3/2000 haben die deutschen Heimatvertriebenen an politischer Bedeutung gewonnen. Der von ihnen auf kommunaler Ebene beschrittene Weg des "Wandel durch Dialog", der sich durch Offenheit, Ehrlichkeit und nüchterne Bestandsaufnahme auszeichnet, führt zur politischen Anerkennung der deutschen Heimatvertriebenen in der Republik Polen und ermöglicht Diskussionen über die Anliegen und Positionen der Vertriebenen sowie Lösungen der offenen Fragen. Dabei plädieren sie für eine Politik des gegenseitigen Gebens und Nehmens, die nicht nur auf ökonomische Bereiche beschränkt sein soll, sondern auch die ideellen Bereiche erfassen soll.

Dabei wäre es wünschenswert, wenn der Geist der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der kommunalen Arbeit mit dazu beitragen könnte, daß in Zukunft für die Heimatgebiete der deutschen Heimatvertriebenen auch Regelungen gefunden werden, die auf der Grundlage von Recht und Wahrheit zu tragfähigen und zukunftsfähigen Lösungen führen und die von beiden Seiten akzeptiert werden können.

Hierzu bedarf es im Rahmen eines intensiven Dialogs mit den polnischen kommunalen Mandatsträgern des Ausbaus der Kontakte auf kommunaler Ebene, um die Partnerschaft in der polnischen Bevölkerung noch stärker bewußt zu machen. Chancen müssen aufgezeigt, Ängste und Befürchtungen, die zumeist auf Unwissenheit beruhen, durch Information und Aufklärung abgebaut werden. Es geht darum, einen Geist des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu schaffen, der voranbringt und weiterträgt. Beide Seiten müssen gemeinsame Positionen und Interessen definieren.

Zur Vertiefung der deutsch-polnischen Beziehungen wollen wir strategische Ziele für eine gemeinsame Bewältigung politischer Zukunftsaufgaben ins Auge fassen. Zu unserem Grundverständnis gehört hierbei die gleichberechtigte Position der deutschen Heimatvertriebenen in der Heimat.

Wir befinden uns auf einem guten Weg. Mit den Mitteln der Diplomatie haben wir das erste Mal in der Nachkriegsgeschichte die wirkliche Chance, den Geist und Inhalt des europäischen Passus der Charta der deutschen Heimatvertriebenen zu verwirklichen, nämlich die Schaffung eines geeinten Europas, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können und in dem das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.

Phillip Blandauer: Der Stellvertretende Sprecher der Freundeskreis Ostdeutschland ist vor allem für Fragen der Kommunalpolitik und der EU-Osterweiterung zuständig
 
     
     
 
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