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Wir müssen retten, was noch zu retten ist. Unionspolitiker warnen eindringlich vor dem Verkauf der jahrelang hoch angesehenen Bundesdruckerei an ausländische Finanzinvestoren" - so lautet die Überschrift in der "Süddeutschen Zeitung". Was ist geschehen?
Die ehemalige Reichsdruckerei in Berlin wurde 1879 vom damaligen Reichskanzler Fürst Bismarck gegründet. Die zu "unmittelbaren Zwecken der Reichsbehörden" bestimmte Reichsdruckerei entwickelte sich bald zu einer der angesehensten und mit bester technischer Ausstattung versehenen Druckereien in Deutschland. Ihre Leistungen im Wertpapierdruck hatten über Europas Grenzen hinaus einen guten Ruf. Der Druck der Reichs-banknoten erfolgte ausschließlich in der Reichsdruckerei.
Die Kunstblätter der Reichsdruckerei (Nachbildungen von Kupferstichen alter Meister) wurden weltweit gehandelt. Die Reichsdruckerei beschäftigte nach dem Ersten Weltkrieg rund 4000 Personen, zur Inflationszeit waren es bis zu 12000 Beschäftigte. Die Mitarbeiter wurden tariflich bezahlt mit Zuschlägen aus dem öffentlichen Dienstverhältnis. Voraussetzung für die Einstellung von Führungskräften im Betriebsdienst war die abgelegte Meisterprüfung im Druckgewerbe.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die stark zerstörte Reichsdruckerei unter dem Namen "Staatsdruckerei" am 1. Juni 1945 ihre Arbeit für den Berliner Magistrat wieder auf. Im Wertdruckbereich waren es vor allem Banknotenaufträge und Sicherheitsdrucke für den Staat Venezuela, die durch die Bezahlung mit amerikanischen Dollar Geld in die Kasse brachten. Am 8. Februar 1951 übernahm die Bundesrepublik Deutschland die Staatsdruckerei unter dem Namen "Bundesdruk-kerei".
Im November 1959 erhielt die Bundesdruckerei wieder den ersten Auftrag zur Herstellung deutscher Banknoten nach dem ausgewählten Entwurf eines Grafikers der Bundesdruckerei. Seitdem war die Bundesdruckerei wieder maßgebend am Druck deutscher Banknoten beteiligt.
Die letzte große Herausforderung auf dem Gebiet des deutschen Banknotendrucks war die Serie BBk III der Deutschen Bundesbank, die nach Entwürfen des Bundesdruckerei-Angestellten Reinhold Gerstetter 1989 zur Ausführung kam. Seit 1999 ist die Bundesdruckerei am Druck der Euro-Banknoten beteiligt.
Eine außergewöhnliche Leistung erbrachte die Bundesdruk-kerei 1987 bis 1988 mit der Umstellung der Produktion von Personalausweisen und Reisepässen auf eine zentrale Personalisierung. Waren die Druckereien es gewohnt, von einem Druckerzeugnis eine Auflage in größerer Stückzahl herzustellen, so verlangte jetzt der Bundesminister des Innern die Herstellung von nur je einem Dokument und dies versehen mit persönlichen Daten, Unterschrift und Lichtbild und danach eine direkte Auslieferung an rund 1900 Meldestellen in der Bundesrepublik.
Dieser Auftrag stellte an die Bundesdruckerei höchste Anforderungen im Bereich der damals noch nicht ausgereiften digitalen Datenerfassung und der Logistik in der Zuordnung von Daten und Lichtbildern.
Trotz vieler negativer Erwartungen aus Experten- und Medienkreisen gelang das Vorhaben termingerecht und führte zur Anerkennung durch den Innen- und Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages.
Zum 1. September 1994 wurde die Bundesdruckerei aus den engen Bindungen des öffentlichen Dienstes entlassen und in eine GmbH umgewandelt. Der Bund blieb Alleingesellschafter. Dies gab der Bundesdruckerei mehr Freiheit in ihrem wirtschaftlichen Handeln und ermöglichte die Entwicklung zu einem angesehenen Konzern für Hochsicherheitstechnologie.
Das wirtschaftliche Ergebnis der Bundesdruckerei lag 1988 bei einer Beschäftigtenzahl von zirka 3200 Personen und einem Umsatz von rund 248 Millionen D-Mark bei rund 16 Millionen D-Mark, die an den Bundeshaushalt abgeführt wurden. Als GmbH erreichte die Bundesdruckerei 1996 bei einer Beschäftigtenzahl von nur 2400 Personen einen Umsatz von 388 Millionen D-Mark.
Die Wende in dieser "Erfolgsstory" wurde im November 2000 durch den damaligen Bundesfinanzminister Hans Eichel eingeleitet, der gegen den Willen des Innenministers Otto Schily die Bundesdruckerei GmbH an die international tätige, britische Kapitalgesellschaft Apax Partners & Co. verkaufte. Der Verkauf erfolgte nicht an ein fachlich orientiertes Unternehmen aus der Sicherheitsbranche, das die Zukunft der Bundesdruckerei GmbH hätte gewährleisten können, sondern an die meistbietende Apax-Kapitalgesellschaft zu einer Summe von zwei Milliarden D-Mark, die der Finanzminister zur Reduzierung seiner hohen Schuldenlast im Bundeshaushalt benötigte.
Nach nur zwei Jahren war das blühende Unternehmen abgewirtschaftet und kaum noch etwas wert. Die britische Investorengruppe Apax verkaufte im September 2002 die Bundesdruckerei für einen "symbolischen Euro" an die Anwalts-Sozietät Clifford Chance, Heinz-Günter Gondert, die heute einen Anteil von 94 Prozent hält.
"Private Unternehmer führen Dienstleistungsbetriebe besser als der Staat", so hieß das Schlagwort in der Bundestagssitzung vom 8. Juni 2000 (14. WP. 108. Sitzung), als trotz erheblichen Protestes verschiedener Abgeordneter und Wirtschaftsexperten der Verkauf der Bundesdruckerei beschlossen wurde. "Der Markt und der Wettbewerb werden alles regeln."
Man übersah, daß es für Banknoten wie auch für Pässe/Personalausweise gar keinen Markt gibt. Ein privater Unternehmer kann die Produktionsmenge von Wertdruckerzeugnissen aus Gründen der Gewinnerzielung nicht beliebig verändern und einem Nachfrager steht nur ein Anbieter gegenüber. Ein solches bilaterales Oligopol ist keine Marktform, sondern beruht auf Vertrauen und Kontrolle in der Preisbildung.
Es kam wie es kommen mußte! Nach dem Konzept von Finanzinvestoren wurde die Bundesdruk-kerei und ihre Muttergesellschaft "authentos" mit einem Großteil der Verbindlichkeiten belastet. Allein die jährliche Zinsbelastung beträgt rechnerisch etwa 40 Millionen Euro, der Gewinn der Bundesdruckerei liegt nur bei 2,8 Millionen Euro im Jahr. Die hohe Schuldenlast von etwa 700 Millionen Euro läßt die Preise der Bundesdruckerei steigen, dies benachteiligt ihre Angebotssituation bei ihrem Bemühen um Aufträge und führt letztendlich zu überhöhten Preisen bei Personalausweisen und Reisepässen, die der Bürger unvermeidbar zahlen muß.
Mit der Privatisierung erfolgte ein Arbeitsplatzverlust für rund 2000 Beschäftigte. Trotz Demonstrationen der Betriebsangehörigen vor seinem Ministerium hatte Finanzminister Eichel die Not dieser Betroffenen und ihrer Familien bei seinem "Finanzdeal" völlig unberücksichtigt gelassen. Politiker gehen mit einer guten Pension in den Ruhestand, eine gerichtliche Untersuchung zu möglichem Fehlverhalten hat es bis heute nicht gegeben.
Der heutige Mehrheitseigentümer der Bundesdruckerei, Heinz-Günther Gondert, erklärte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir werden die Bundesdruckerei verkaufen - wann ist offen". Insider behaupten: "Es ist damit zu rechnen, daß der Verkauf 2007 über die Bühne gehen könnte." Die Unionspolitiker und Sicherheitsexperten Ralf Göbel (CDU) und Hans Peter Uhl (CSU) warnen vor einem Verkauf an ausländische Finanzinvestoren, denn es dürfe nicht sein, daß eine so sensible Biometrie- und Personaldatenerfassung, wie sie für die Herstellung deutscher Pässe und Personalausweise vor sich geht, nicht mehr von Deutschland kontrolliert werden kann.
Mit einem Verkauf ins Ausland würde ein weiteres angesehenes, traditionsreiches und hochentwickeltes Unternehmen für Deutschland verloren gehen. Die "Tragödie der Bundesdruckerei" ist ein Beispiel für die Vorgehensweise der Heuschrecken (eine Wortschöpfung die von Vizekanzler Franz Müntefering, SPD, stammt). Da werden gesunde Unternehmen mit staatlichen Krediten aufgekauft, ausgeschlachtet, bis zum letzten ausgesaugt, abgesahnt und dann für einen "symbolischen Euro" fallen gelassen.
Ein nationales Empfinden und eine Achtung vor der Leistung und dem Aufbauwerk der Betriebsangehörigen sind den Heuschrec |
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