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Stasi-Partei PDS: Brandstifter als Biedermann

 
     
 
Hubertus Knabes Buch "Der diskrete Charme der DDR" ist aus vielerlei Gründen lesenswert. Es untersucht detail- und materialreich die Unterwanderung der Westmedien durch die Stasi. Der Autor zeigt die Bemühungen des DDR-Geheimdienstes, die wenig wohlwollenden Westmedien als Quelle "feindlicher Propaganda" auszutrocken oder Westjournalisten für die eigene Agitation zu instrumentalisieren. Der Historiker Knabe beschreibt akribisch das weitverzweigte Netz der Inoffiziellen Mitarbeiter, Einfluß-agenten und Kontaktpersonen; er schildert, wie West-Journalisten von der Stasi mit "Belastungsmaterial" über westdeutsche Politiker ausgestattet wurden. Knabe enttarnt viele "Skandale
" als Resultat einer "operativen Agitation" des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Der Wandel des DDR-Bildes im Westen hat seinen Grund: Es war eben doch viel "von Pankow gesteuert".

Da ist etwa der Fall Dietrich Staritz. Offenbar seit 1961 mit dem MfS verbandelt, wurde der Linksaktivist an der Freien Universität Berlin gezielt "aufgebaut". Nach dem Abschluß seines Studiums trat Staritz in die Redaktion des "Spiegel" ein und übernahm die Verantwortung für die Berichterstattung aus dem Ostblock: ganz im Sinne der Stasi. 1972 kehrte Staritz an die FU zurück, bekam dort einen Lehrstuhl und wurde zugleich Leiter des Arbeitsbereichs DDR-Forschung am Zentrum für Europäische Sozialforschung in Mannheim. Staritz arbeitet erfolgreich daran, die kommunistische Doktrin zu relativieren. Als "Sprachrohr der DDR" (Knabe) lobte er ex cathedra deren Errungenschaften, negierte ihren Diktatur-Charakter und verteidigte die deutsche Zweistaatlichkeit. Die "Geschichte der DDR" von IM "Erich" ist 1996 (!) in erweiterter Neuausgabe erschienen.

Immer wieder lancierte das MfS Material an West-Journalisten oder spickte sie mit Falschinformationen, um ungeliebte Politiker, besonders Gegner der Anerkennung der DDR, loszuwerden. Besonders perfide waren die falschen NS-Vorwürfe gegen den Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, der sich strikt für eine Wiedervereinigung Deutschlands einsetzte. Gegen den ehemaligen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Oberkonsistorialrat wurden ab 1963 Medienattacken von der DDR gesteuert, um ihn als "Handlanger der faschistischen Gewaltherrschaft" hinzustellen.

Im Zuge der "Affäre Lübke", einer Inszenierung des MfS gegen den Bundespräsidenten, wollte Günter Gaus 1966 unbedingt den SED-Chefpropagandisten Albert Norden in "Report" zu Wort kommen lassen, sicherte ihm sogar 60 Minuten beste Sendezeit zu und versprach keinerlei Kommentierung. Als Norden sich zierte, bettelte der Südwestfunk: "Sie können über unseren Sender Ihre Politik vertreten." Gaus brachte der Redaktion dann einen "letzten Vorschlag" vor: Er wolle sogar den FDP-Politiker Erich Mende ausladen: "Ich garantiere, daß Mende nicht auf den Bildschirm kommt, Norden soll das letzte Wort haben."

Hubertus Knabe breitet auf 500 Seiten Beispiele für die Arbeit des MfS in den Westmedien aus, auf manch bekannte Namen fällt ein schales Licht. Angesichts der Unterwanderung durch das MfS wird klar, warum im Westen niemand mit dem Zusammenbruch der DDR rechnete. Viele Westmedien hatten DDR-Material verbreitet. Die Entspannungspolitik ging mit einer Verharmlosung der DDR durch die Journalisten einher. Der Status quo wurde zunehmend akzeptiert, der Blick auf den wirklichen Charakter der DDR verstellt.

Der aktuellste Grund, das Buch über den "diskreten Charme der DDR", sicher eines der wichtigsten Sachbücher dieses Jahres, zur Kenntnis zu nehmen, ist der eben vollzogene rot-grüne "Putsch" von Berlin. Begleitet wurde das reibungslose Zusammenspiel von SPD und PDS mit Kommentaren, die suggerierten, bei den geheimen Absprachen zwischen PDS-Fraktionschef Wolf und SPD-Fraktionschef Wowereit in Brüssel habe es sich um ein Novum gehandelt, eine ganz neue Qualität der Annäherung der beiden linken Parteien. Wer Knabe liest, weiß, daß das Gegenteil der Fall ist. Vielmehr sind die guten geheimen Beziehungen zwischen SED und SPD dort wieder aufgenommen worden, wo sie durch den Fall der Mauer gewaltsam unterbrochen wurden.

Bereits unter Willy Brandt machten die Sozialdemokraten der SED Avancen, um ein politisches Zweckbündnis zu erreichen. Sein Adlatus Egon Bahr ging so weit, "inoffizielle Wochentreffen in Bonn oder Westberlin" anzubieten, um, wie der Gesprächspartner auf SED-Seite, der HVA-Agent von Berg, zufriedenen bemerkte, "miteinander gegen gewisse Leute in der SPD, auf alle Fälle gegen die Strauß-Anhänger," zu kooperieren. Wäre es nach der SPD gegangen, wäre für diese "Kooperation" sogar ein "fester Kreis" installiert worden, dem Bahr und von Berg angehören sollten. Die SED gab sich spröde. Trotzdem wurden ihr weiter von diversen SPD-Emissären interne Materialien übergeben. So zum Beispiel im April 1967 der Entwurf eines offenen Briefes an die Delegierten des VII. Parteitages der SED, über den im SPD-Vorstand zuvor heftig gestritten worden war. Die SED-Genossen sollten redigieren, was später als Verlautbarung der SPD erscheinen würde. Schließlich sollte die SED "indirekt" der SPD "helfen", demokratische Veränderungen in der "BRD" durchzusetzen, wie der Bahr-Vertraute Klaus Ellrodt dem Stasi-Offizier von Berg anvertraute.

Brandt vermittelte nicht nur im Januar 1968 eine SED-Delegationsreise unter Politbüromitglied Paul Verner nach Italien, indem er sich beim christdemokratischen Außenminister Fanfani dafür einsetzte, daß die SED-ler Diplomaten-Visa bekamen. Bahr und Brandt ermöglichten auch die Abschiebung des sowjetischen Schriftstellers Alexander Solschenizyns, indem sie Breschnew über Kontaktmänner wissen ließen, der ungeliebte Dissident werde in der BRD aufgenommen.

"Es muß alles schnell gehen", drängte damals KGB-Chef Juri Andropow, weil "Solschenizyn unsere Absichten ahnt und mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit treten könnte, die uns und Brandt in eine schwierige Lage versetzen würde." Da verwundert es auch nicht mehr, daß der vorhandenen Aktenlage zufolge Brandt gegen seinen innerparteilichen Konkurrenten Fritz Erler, einen eher konservativen SPD-Politiker, Belastungsmaterial der SED einsetzte.

Aus den Stasi-Unterlagen geht hervor, daß Brandt im Mai 1965 ein Schreiben des Generalstaatsanwaltes der DDR zugespielt wurde, in dem es um Erlers Aussagen nach seiner Verhaftung durch die Gestapo ging. Vierzehn Tage später setzt Brandt den Parteivorstand der SPD von dem Schreiben in Kenntnis. Da kommt das Brandtsche Wort von 1990, "Nun wächst zusammen, was zu-sammen gehört", einen ganz neuen Sinn. Nur wenige Tage nach der gewonnenen Bundestagswahl vom 28. September 1969 wurde dem HVA-Agenten von Berg si-gnalisiert, er müsse sich unbedingt bei Bahr melden, der wesentliche Teile der Regierungserklärung mit erarbeite und ihn im vorhinein über einige Punkte informieren wolle. Wozu Markus Wolf bei soviel Entgegenkommen seinen Superagenten Guillaume in Brandts Umgebung brauchte, ist eher schleierhaft. Tatsächlich hat es sich der HVA-Chef auch nie verziehen, daß Kanzler Brandt über den Stasi-Spion stürzte.

Waren die SED-SPD-Kontakte in den sechziger und siebziger Jahren noch eher verdeckt, änderte sich das, je näher die DDR ihrem Absterben kam. Die nord-rhein-westfälischen SPD-Politiker Friedhelm Farthmann und Walter Bajor gingen ganz offiziell mit SED-Genossen jagen und gaben gewissermaßen als Abschußprämie Interna über andere SPD-Politiker zu Protokoll: Johannes Rau habe "keine Ausstrahlung auf Frauen", Jochen Vogel "einen unerträglichen Leitungsstil", Lafontaine (welch groteskes Mißverständnis!) suche "vor allem wirtschaftlich den Schulterschluß mit CDU-Positionen".

Der außenpolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion Karsten Voigt, heute Staatssekretär im Auswärtigen Amt, machte bereits vor dem Mauerfall mit Egon Krenz Urlaub und diskutierte mit ihm Fragen der Ostpolitik. Kein Wunder, daß sich Krenz schnöde im Stich gelassen fühlt: Er ist ein echtes Opfer des "Wandels durch Annäherung". Die Wunschkandidaten der SPD heißen heute Gysi, Brie und Bisky, die verbindet, daß sie ein rein taktisches Verhältnis zur Demokratie haben und alle bei der Stasi registriert waren. Der SPD-Vordenker der "Berliner Republik", Tobias Dürr, hat die PDS bereits zum "Therapieprojekt" erklärt, ohne das "die ostdeutsche Transformation seit 1989 zweifellos noch viel holpriger" verlaufen wäre. Von ihr gehe keine "Gefahr mehr für irgendwen" aus. Nachdem so der Brandstifter zum Biedermann umdefiniert worden ist, steht einer direkten Machtbeteiligung der SED/PDS nichts mehr im Wege.

Bei Hubertus Knabe kann man nachlesen, wie oft sich die SPD in ihrer Einschätzung der SED getäuscht hat. Es hat sie nicht gehindert, sich immer wieder sehenden Auges von der SED hinters Licht führen zu lassen. Bis zum bitteren Ende plante die SED "Enthüllungskampagnen" gegen die SPD. Die Drohung liegt noch heute in der Luft, wenn etwa ehemalige Stasioffiziere mit dem unverblüm-ten Hinweis auf bisher noch nicht bekannte Akten der HVA die "Wiederherstellung ihrer Würde" fordern.

Aber statt kritisch mit ihrer unrühmlichen Beziehung zur SED umzugehen, plant die SPD, lieber Kritiker mundtot zu machen. Schon das Standardwerk "Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen" haben einige dem Autor nicht verziehen. Knabe hat darin gezeigt, daß die Stasi nicht nur ein Problem der ehemaligen DDR-Bürger war. Knabes neues Buch zeigt, warum die zweite deutsche Diktatur in vielen Westmedien so auffallend wohlwollend beurteilt wurde und warum die PDS so kurz nach dem unrühmlichen Ende der SED hoffähig gemacht wurde.

Die Reaktion auf diese Enthüllung ließ nicht lange auf sich warten: Der rot-grüne Senat in Berlin war noch nicht gebildet, da flatterte Hubertus Knabe ein Schreiben des Vorstandes der "Stiftung SED-Unrecht", bei der er mittlerweile als Wissenschaftlicher Direktor der Forschungs- und Gedenkstätte Hohenschönhausen beschäftigt ist, ins Haus. Wenige Tage vor Ablauf seiner Probezeit soll im neu zusammengesetzten Vorstand über seine "Personalangelegenheit" beraten werden. Wenn, wie zu befürchten ist, Hubertus Knabe keinen unbefristeten Vertrag bekommt, ist er das erste politische Berufsverbotsopfer des von der PDS gestützten rot-grünen Übergangssenats. Ein Zeichen, das nichts Gutes erwarten läßt.

 
     
     
 
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