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Verwüstung der politischen Kultur

 
     
 
Zu den wirklich üblen Erscheinungen der politischen Kultur in Deutschland gehört die Neigung zu Denunziationen. Wir erleben, daß Maßstäbe, Konventionen, Werte ihre Gültigkeit verlieren. Alles wandelt sich. Politische Geschäftemacher suchen ihren Nutzen daraus zu ziehen. Sie instrumentalisieren die Vergangenheit anderer Leute, indem sie Prominente
n deren Verhalten von gestern vorwerfen. Aber geschieht das nicht zu moralischen Zwecken, indem Fehler der Vergangenheit ins Bewußtsein gehoben werden mit dem ehrenwerten Ziel der Besserung von Menschen und Verhältnissen?

Das ist die schöne Theorie, die häßliche Wahrheit sieht anders aus. Sie läßt sich mit dem Wort Bert Brechts erfassen: "Die Rachsucht, aufgemacht und frisiert wie das Gewissen trat auf und gab Proben ihres nie versagenden Gedächtnisses" (Flüchtlingsgespräche). Es geht nämlich um die Durchsetzung persönlicher und politischer Interessen, nicht um Moral.

Einer der neueren unter den zahlreichen Fällen derartiger Verleumdungskampagnen aus unsauberen Motiven richtete sich gegen Elisabeth Noelle-Neumann, die Gründerin des Instituts für Demoskopie in Allensbach. Rechtzeitig zum 50jährigen Jubiläum des Instituts wurde wieder einmal der Versuch unternommen, unter Mißbrauch der Faschismuskeule eine Institution und eine Person zu demontieren, die zur Stabilisierung der Bundesrepublik Deutschland beigetragen hat.

Elisabeth Noelle-Neumann hat sich den Linken in dreierlei Hinsicht mißliebig gemacht, nämlich mit

• der Theorie der Schweigespirale,

• dem Nachweis der Linksverschiebung der politischen Kultur in Deutschland,

• ihrer Arbeit für die CDU/CSU.

Anlaß für die neue Kampagne war das Institutsjubiläum, das mit dem Festredner Helmut Kohl gefeiert wurde. Schon vor Jahren hatte ein Journalist namens Otto Koehler ein Buch "Wir Schreibmaschinentäter. Journalisten unter Hitler – und danach" veröffentlicht. Es erschien bezeichnenderweise im Kölner Pahl-Rugenstein-Verlag, der 1990 Pleite machte, weil die Unterstützung aus Ost-Berlin ausblieb.

Dieser Otto Koehler, der meistens im stramm deutschfeindlichen "Konkret" veröffentlicht, aber gelegentlich auch – nicht zu deren Ruhm – in der "Zeit", hatte in seinem Buch auch Elisabeth Noelle-Neumann als "Wunschadjutantin des Propagandaministers" (Goebbels) angegriffen. Wahr daran war lediglich eine Mitarbeit an Goebbels Paradeblatt "Das Reich". Koehler ging es – wie auch in anderen Fällen – um die Konstruktion eines Zusammenhanges von NS-Staat und Bundesrepublik. Genau diese Strategie kennzeichnet auch die jüngsten Angriffe.

Regelmäßig versuchen im Deutschen Bundestag die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke und die grüne Abgeordnete Buntenbach durch Anfragen die Bundesregierung und ihre Institutionen in Verlegenheit zu bringen. Das geschieht in folgender Weise: Sie greifen eine Person, die sie als rechts (gleich rechtsextrem) bezeichnen, heraus und fragen die Bundesregierung nach Verbindungen zwischen dieser Person und staatlichen Einrichtungen.

Immer in der Absicht, die Bundesregierung in die Defensive zu treiben, was in der Regel auch gelingt.

Jedoch: Die Bundesregierung hat den Kampf gegen rechts selbst zu ihrem Programm erhoben und sich damit in die Faschismus-Falle begeben. So hat sie ihre Probleme, einerseits selber gegen "rechts" zu sein, andererseits aber die Angriffe der extremen Linken abzuwehren, die der Bundesregierung nachweisen wollen, daß sie selber ja mit "Rechten" paktiere, also unaufrichtig und unglaubwürdig sei.

Im Fall Noelle-Neumann hat sich der Bundeskanzler allerdings von der linken Hetze nicht beeindrucken lassen und siehe da – sofort fielen die Angriffe in sich zusammen. Ein überzeugender Beweis, daß feige Nachgiebigkeit gegenüber dem linken Kampagnenjournalismus falsch ist. Jede Niederlage, die ihm bereitet wird, ist ein Sieg gegen links. Nötig bleibt aber die Analyse derartiger Kampagnen. Auch das ist ein Schritt zur Überwindung dieses Übels.

Derartige Kampagnen werden inszeniert, um die eigenen Anhänger zu mobilisieren. In den Jahrzehnten vor dem Zusammenbruch des "Realsozialismus" wurden dessen Anhänger und Mitläufer durch linke Theorien und mitreißende Visionen mobilisiert.

Nach der blamablen Pleite dieser paradiesischen Erwartungen lockt die linke Theorie – gleich, ob nun demokratisch-sozialistisch oder marxistisch-leninistisch – keinen krummen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Die ideologisch desorientierte Linke weiß nicht mehr, was sie will, sondern nur noch, was sie nicht will. Sie ist auf jeden Fall gegen die bestehende Ordnung und deren Repräsentanten, und deshalb werden zu deren Verunsicherung von Zeit zu Zeit denunziatorische Kampagnen vom Zaun gebrochen.

Als Aufhänger sind Faschismusvorwürfe hervorragend geeignet. Will doch seit der Katastrophe von 1945 niemand "Faschist" sein, eine Bezeichnung, unter der großzügig alles, was bürgerlich, konservativ, staatstreu, antikommunistisch ist, zusammengeworfen wird. Seitdem die Sozialdemokraten den antitotalitären Konsens des ersten Nachkrigesjahrzehnts aufgegeben haben, kommt es zu Volksfrontbündnissen zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und Anarchisten.

Schon seit Jahrzehnten gibt es an den Universitäten eine Kumpanei zwischen Juso-Hochschulgruppen, dem DKP-nahen marxistischen Studentenbund "Spartakus" und gewaltbereiten Autonomen. Kitt dieses üblen Bündnisses ist der "Kampf gegen rechts", der Antifaschismus. In der großen Politik stellen wir die Unterwanderung der Grünen durch Mao-Kommunisten fest. Zu den früheren Mitgliedern maoistischer Gruppen zählen die heutigen Grünen Antje Vollmer, die mit CDU-Hilfe Bundestagsvizepräsidentin wurde, Ex-Sprecherin Krista Sager und Noch-Sprecher Jürgen Trittin.

Seit der Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt 1994 ist offenkundig, daß bei der SPD eine Kooperationsbereitschaft mit der PDS besteht. Dieser "Wandel durch Annäherung" geht bis zur offenen Koalitionsabsicht, die erst Ende vergangenen Jahres auf einem Treffen der Linken in Erfurt bestätigt wurde. Diese bunte, wirre, widersprüchliche Gesellschaft wird nicht durch positive Ziele zusammengehalten, sondern durch ein gemeinsames Feindbild, und dieser Feind steht rechts. Dessen Gefährlichkeit muß den Freunden und Genossen gelegentlich durch Kampagnen ins Gedächtnis gerufen werden.

Solche denunziatorischen Feldzüge haben sich in jüngerer Zeit gegen den ehemaligen österreichischen Präsidenten Waldheim gerichtet. In Erinnerung ist auch noch die üble Kompagne gegen Steffen Heitmann, der 1993/94 erfolgreich als Anwärter auf das Amt des Bundespräsidenten abgeschossen wurde. Der "Historikerstreit" der 80er Jahre diente ebenso der geistigen Terrorisierung einer ganzen Reihe von Historikern, an der Spitze Ernst Nolte. Das sind nur einige Beispiele. Es bedürfte einer aufwendigen zeitgeschichtlichen Forschungsarbeit, alle Fälle zusammenzustellen.

Die hier angeprangerten Methoden sind an sich nicht neu. Sie wurden bereits vor 40 Jahren von der SED angewendet. Die Hetze gegen Dr. Hans Globke, Adenauers Staatssekretär, und Bundespräsident Heinrich Lübke, der als KZ-Baumeister diffamiert wurde, gingen auf den SED-Propaganda-Chef Albert Norden zurück. Eine besonders aktive Rolle spielte die Staatssicherheit, die zwischen 1962 und 1966 eine eigene Abteilung zur Desinformation aufbaute.

Systematisch wurden hier seitdem unter Einschaltung westdeutscher Medien Diffamierungskampagnen organisiert. Ein besonders unrühmliches Beispiel ist der "Stern", aber zum Bayerischen Rundfunk bestanden ebenfalls Beziehungen, und auch die "Zeit", der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" wurden von der Staatssicherheit instrumentalisiert. Über diese Unterminierung der Bundesrepublik Deutschand sind wir durch den Bericht zweier Stasi-Offiziere genau unterrichtet. (Günter Bohnsack/Herbert Brehmer: Auftrag Irreführung. Wie die Stasi Politik im Westen machte. Hamburg, Carlsen-Verlag 1992.)

Die denunziatorischen linken Kampagnen hatten letzten Endes keinen Erfolg. Nicht die Bundesrepublik, sondern die DDR und der Ostblock brachen zusammen. Aber deswegen blieben sie nicht ohne Wirkung. Das Klima des Mißtrauens, der Mißgunst, der Verleumdung macht die politische Kultur in Deutschland zur Unkultur. Eine Kontrolle des Wirkens insbesondere der elektronischen Medien ist dringend nötig.

Die Medienintellektuellen beherrschen einen Apparat, der ihnen gewaltige Macht verleiht, denn sie können durch öffentlichen Druck auch gegen Widerstreben Verhaltensweisen beeinflussen. Dabei stellt der profitgierige Sensationsjournalismus eine besondere Gefahr dar, denn wirtschaftlicher Erfolg, Auflagenhöhen, Einschaltquoten verführen zur Hemmungslosigkeit.

Die Macht dieser Medienintellektuellen ist von nichts und niemandem legitimiert, es handelt sich um selbsternannte Meinungsführer, Praeceptoren, Sittenwächter und Hüter der "political correctness". Sie sind abhängig vom Zeitgeist, den sie gleichzeitig ausdrücken und beeinflussen. Warum aber können diese Medienintellektuellen einen solchen Einfluß ausüben? Und: War es früher anders?

In der Tat wurde in früheren Jahrzehnten das Denken und auch das politische Verhalten durch Milieuzugehörigkeiten bestimmt. So gab es ein gefestigtes sozialistisches Arbeitermilieu in den Industriegebieten. Auf dem Lande herrschte ein katholisches oder protestantisches, konservatives Milieu und in den Städten ein bürgerliches, das durch Besitz und Bildung gekennzeichnet war. Seitdem diese Milieus und damit auch ihre meinungs- und verhaltensbestimmende Kraft verfallen, bleibt ein Meinungsvakuum.

Die Medien, insbesondere das Fernsehen, füllt dieses Vakuum. Meinungen werden gemacht, aber oft unseriös, sensationsgierig und verhetzend.

Deshalb ist eine Kontrolle der "Vierten Gewalt", wie die Medien manchmal genannt werden, nötig. Die anderen drei Gewalten, die gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende, sind staatlich und unterliegen damit wirkungsvolleren Kontrollen als die Medien, die privatwirtschaftliche oder einseitig politische Interessen verfolgen. Gerade wegen des großen und oft unheilvollen Einflusses ist eine effektive gesetzliche Kontrolle nötig. Wer allerdings auf rechtliche Regelungen baut, der baut wegen der abnehmenden Regelungsfähigkeit des Staates auf Sand. Nach dem Grundsatz "hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott" muß Selbsthilfe die staatlichen Maßnahmen ergänzen.

Mut und Standfestigkeit sind die besten Waffen gegen die Pressionen linker Medien. Deren größter Verbündeter ist die bürgerliche Feigheit. Wer nach dem Grundsatz "Nun erst recht" standhaft bleibt, der setzt sich durch. Dann zeigt sich nämlich, daß der Kampagnenjournalismus nur über eine eingebildete (auf neudeutsch: eine virtuelle) Macht verfügt.

 
     
     
 
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