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Eine Zeile aus einer Hymne des deutschen kommunistischen, stalintreuen Schriftstellers Erich Weinert, die dieser 1938 in der Emigration in de Sowjetunion schrieb, gibt den Titel einer erregenden Dokumentensammlung übe Spitzenkontakte von SED/PDS und KPdSU in den Jahren 1989 bis 1991 her: "Im Krem brennt noch Licht". Herausgegeben und mit einer Einführung versehen von de Zeitgeschichtlern Detlef Nakath, Gero Neugebauer und Gerd-Rüdiger Stephan.
Als Ende 1989 die 43 Jahre alte SED korrodierte, einen neuen Namen erhielt und unte diesem fortbestand; als der "real existierende sozialistische " SED-Staa dröhnend zusammenbrach und eine "geläuterte", durchweg zur Existenz unfähig DDR vom Drang des Volkes zur Wiedervereinigung Deutschlands überholt worden war, starrte Spitzenfunktionäre der SED/PDS nach Moskau, erhofften und erhielten Beistand zur Rettung zur Erhaltung der DDR, für den Fortbestand des Sozialismus.
Sie erhielten viel Zuspruch, zahlreiche Streicheleinheiten und von erfahrene "Westarbeitern" der KPdSU etliche Ratschläge, viele politisch-ideologisch Hinweise und bündnispolitische Anregungen für ihr künftiges Verhalten, für Agieren un Agitieren der SED-Fortsetzer in einem demokratischen, freiheitlichen parlamentarische Deutschland. Der SED-Staat, die DDR, war nicht zu halten. Das hatten die Genossen in Moskau sehr schnell erkannt und die Genossen in Ost-Berlin schließlich auch kapiert.
Es gibt genügend Belege dafür, daß die im April 1946 durch Zusammenschluß von SP und KPD in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands entstandene SED Ende 1989 nich aufgelöst, sondern mit einem anderen Namen Partei des Demokratischen Sozialismu erhalten wurde und bis heute fortgesetzt wird. Weitere Beweise dafür, daß die PD eben nicht die Nachfolgerin sondern die Fortsetzerin der SED ist, sind auch in den hie erwähnten Protokollen zu finden.
Gregor Gysi machte als gerade eben gewählter Vorsitzender der SED bereits am 10 Dezember 1989 in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Leiter der Internationale Abteilung des ZK der KPdSU, Rafael Fjodorow, deutlich, daß er keine nachteilige rechtlichen Konsequenzen bei einer Änderung des Parteinamens SED sehe. Der Parteivorstan müßte einen Beschluß fassen, daß alle Rechte bei der Partei blieben, die anstelle de Bezeichnung SED einen neuen Namen tragen würden.
Am 2. Februar 1990 informierte Gysi (zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender de Doppelnamen-Partei SED/PDS) den Generalsekretär der KPdSU und Vorsitzenden des Oberste Sowjet der UdSSR, Michail Gorbatschow, über den Ruf zahlreicher SED/PDS-Genossen nac Auflösung der Partei. Gysi ließ den Moskauer Obergenossen wissen, daß er auf eine Präsidiumssitzung in einer Rede am 26.01.1990 klargemacht habe, "daß jetzt da Stoppzeichen gesetzt werden müsse, daß man keine Auflösung zulassen und nicht weite zurückweichen dürfe".
Der SED/PDS-Parteivorstand hatte sich am 20. Januar 1990 nochmals mehrheitlich für de Erhalt der Partei entschieden. Am 4. Februar beschloß der Parteivorstand die Streichun des Namens SED und die Fortführung der (alten) Partei mit der Firmenbezeichnung PDS.
Zu den wichtigsten sowjetischen Gesprächspartnern der SED/PDS-Apparatschiks gehört einer der erfahrensten und gewieftesten sowjetischen "Westarbeiter" Valentin Falin, in der in Frage kommenden Zeit Chef der Internationalen Abteilung des Z der KPdSU. Dieser war es denn auch, der in einem Gespräch in Moskau Anfang Februar 199 die ob des Volkszorns gegen die SED/PDS verschreckten deutschen Genossen mit eine düsteren Agentengeschichte zu trösten und zu stärken versuchte.
Falin machte Gysi darauf aufmerksam, daß die Empörung gegen die SED/PDS nur scheinba der Spontanität" unterliege. Bereits 1956 sei "in der Nato ein Szenarium zu Unterminierung der DDR erarbeitet worden, das die Einschleusung einer großen Anzahl vo Agenten in der DDR vorsah. Gleiches wiederholte sich 1979." Der konzentrierte Angrif auf das MfS habe vor allem das Ziel verfolgt, die DDR gegen die Aktivitäten der Agente schutzlos zu machen.
Im Zusammenhang mit Untersuchungen über die Rolle des SPD-Politikers Herbert Wehner in der gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte ist der in der Gesprächsnotiz enthaltene Vermer über Falins Hinweis interessant: "Entsprechende Dokumente (über das angeblich Nato-Szenarium H.B.) hätten sich u.a.m. im Besitz von Herbert Wehne befunden."
Bereits Anfang Februar 1990 wurde in mehreren Gesprächen zwischen hochrangigen KPdSU und SED/PDS-Funktionären vereinbart, die Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien auf ein "völlig neue Stufe zu heben", insbesondere in diesen Bereichen:
Herstellung von Kontakten auf Arbeitsebene zwischen leitenden Funktionären de einzelnen Kommissionen des Parteivorstandes der SED/PDS mit ihren sowjetischen Partnern in ZK der KPdSU;
Fortsetzung des Austausches von Kadern der PDS bzw. der KPdSU zum Studium un zur Weiterbildung in den zentralen Bildungseinrichtungen beider Parteien;
Unterstützung seitens der sowjetischen Medien für das politische Wirken de PDS;
Verstärkte Entsendung von Repräsentanten der KPdSU in die DDR und ei massenwirksames Auftreten dieser in den DDR-Medien und vor der Öffentlichkeit;
und das war sehr wichtig bei der "Umwandlung" de heruntergekommenen "alten" Sozialismus in einen (scheinbar) "neuen" Sozialismus die Intensivierung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zur Schaffun eines theoretischen Vorlaufs für gesellschaftliche Veränderungen in Richtung eine demokratischen Sozialismus. In Thesen der PDS-Kommission Internationale Politik vom 7 Dezember 1990 "Zur weiteren Gestaltung der Parteibeziehungen mit der KPdSU" wir zu den inhaltlichen Schwerpunkten gleichfalls die "wissenschaftlich-konzeptionell Entwicklung der Sozialismus-Theorie" gezählt.
Anfang Februar 1990 hatte Gorbatschow dem Genossen Gysi den Rücken gestärkt mit de Bemerkung, "Was auch geschehen werde, die Idee des Sozialismus werd weiterleben". Gysi bedankte sich mit dem Hinweis, er sei Rußland zu Dan verpflichtet. Sein Urgroßvater habe Industriewerke in Kolomna besessen und dies sei de Ursprung dafür, daß er die Gelegenheit erhielt, Kommunist zu werden. Für ihn gebe e keine besseren Ideen in der Welt.
Hans Modrow, der Ehrenvorsitzende der PDS, bekam im Januar 1991 von Valentin Falin nac einem Exkurs über Marxismus-Leninismus die Feststellung und den Auftrag mit auf den Weg "Alles in allem sind wir doch offensichtlich Vertreter einer Lehre, die bis heut nicht in vollem Maße zur Entfaltung gekommen ist. Gerade aber eine solche Entfaltun sollte man im Auge haben."
In einem anderen Gespräch mit deutschen Genossen im September 1990 hatte Fali verkündet, von einem Zusammenbruch des Sozialismus könne nicht gesprochen werden Gescheitert sei nicht der Sozialismus, sondern "sein stalinistisches Modell" Die PDS-Genossen wurden von Falin im Januar 1991 aufgefordert, das "Modell DDR" und die " Errungenschaften der DDR" in die gesamtdeutsche und international Arbeit, in Politik und Agitation der PDS einzubringen:
Die PDS "ist im Grunde genommen die einzige Partei geblieben, die im Bundestag un in entsprechenden Landtagen, in parlamentarischen Institutionen der BRD aber auch in de Europäischen Gemeinschaft Westeuropas in parlamentarischen Kontakten in der Lage ist, de Nachlaß der DDR ökonomisch, sozial, kulturell, national differenziert und ausgewogen das heißt den Staat DDR, ohne den die heutige Entwicklung in Europa undenkbar wäre, zu vertreten. Ebenso wenig vorstellbar wäre ohne die DDR die positive Wende in Europa in de jüngsten Zeit. Die DDR war über 40 Jahre eine Art Gegengewicht gegenüber der BRD Insbesondere gilt das für die erste Zeit ihrer Existenz. Sie war ein Gegengewicht in militärischer, politischer und auch in anderer Hinsicht. Wie viele soziale Beschlüsse in der BRD sind nur dank der Existenz der DDR zustande gekommen. Dies erfolgte sowohl au staatlicher Ebene als auch kommunal. Die BRD-Bürger vermochten damit, dies Errungenschaften, die nicht ohne die DDR erzielt wurden, tagtäglich zu genießen."
Falin ermahnte die deutschen Genossen im gleichen Gespräch auch, daß es in Zusammenhang mit einer "allseitigen sachlichen Darstellung der Geschichte" nützlich wäre, "solche Leistungen wie die Bodenreform, die Schulreform, die demokratischen Ansätze (in der SBZ/ DDR H.B.) herauszuarbeiten, die viel weiter in ihrer Entwicklung waren als seinerzeit in den Westzonen". Der gewieft "Westarbeiter" Falin fügte hinzu: "Dies wird wichtig sein, auch wenn e darum geht, für eine neue Verfassung der BRD einzutreten." Der totalitär Unrechtsstaat DDR und seine "Errungenschaften" als Modell für ein freiheitliche demokratische Bundesrepublik Deutschland! In einem Gespräch mit Modrow in Juli 1990 äußerte Falin die Meinung, "noch in der DDR alle Möglichkeiten zu nutzen, daß sich nicht das BRD-Recht durchsetzen könne".
Noch während der SED-Staat zusammenbrach und auf seinen Trümmern an der Entwicklun einer nicht totalitären DDR gebastelt wurde , wollten sowohl die Genossen der KPdSU als auch die der SED/PDS das Experiment "Neuer Sozialismus" in eben einer solche DDR, also in einem zweiten deutschen Staat, verwirklicht sehen. Ungenannte Mitarbeiter de Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU machten Mitgliedern der PDS-Kommissio Internationale Politik in einem Gespräch am 20. März 1990 in Berlin deutlich, daß die KPdSU eine "wesentliche, ja die entscheidende Aufgabe der PDS" darin sehe "mit aller Kraft und allen Mitteln gegen einen Anschluß der DDR an die BRD zu kämpfen".
Die sowjetischen Genossen brachten allerdings bereits in diesem Gespräch Gedanke über eine mögliche Vereinigung der "alten" Bundesrepublik Deutschland mit de mitteldeutschen Länder ein, wenn auch die "Eigenstaatlichkeit der DDR bis zu Jahrtausendwende" erhalten bleiben sollte. "Die Sowjetunion werde ih möglichstes dazu beitragen", versprachen die sowjetischen Genossen und ermahnte ihre deutschen Genossen: Gemeinsam müßten alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, da der "spätere Einheitsstaat keine vergrößerte BRD, sondern durch die gleichberechtigte Mitgestaltung durch die DDR ein völlig neuer demokratischer Staa werde".
Der PDS-Vorsitzende Gysi äußerte gegenüber Gorbatschow im Februar 1990, die Europäer hegten keine guten Gefühle gegenüber einem mächtigen Großdeutschland, un auch er, Gysi, habe dazu sehr gemischte Gefühle. "Die Losung von Deutschland einig Vaterland komme ihm gegenwärtig nur schwer über die Lippen", klagte er Daraufhin meinte Gorbatschow scherzhaft, "da werde er wohl noch üben müssen".
In einem Gespräch mit dem PDS-Ehrenvorsitzenden Modrow am 24. Juli 1990 betonte Falin, "daß der Beitritt der DDR in die BRD nicht als Schlußpunkt der Geschichte angesehen werden sollte. Man müsse 5, 10 bis 20 Jahr weiterdenken. Dieses Weiterdenken betrifft auch solche Fragen, wie den mögliche geforderten Austausch politischer Gebiete zwischen Ost und West".
Mitte Januar 1991 gab Falin dem gleichen deutschen Gesprächspartner gegenüber zu "Die Tatsache, daß aufgrund der Arroganz von Erich Honecker, Günter Mittag un einigen anderen Genossen man gezwungen sein werde, die DDR zu verlieren, stand im Grund genommen seit längerem fest. Wann das geschieht, war nur eine Frage der Zeit."
In den Unterredungen zwischen führenden Genossen der KPdSU und der SED/PDS kam imme wieder die vom SED-Staat geleistete und von der KPdSU bzw. der Sowjetunion strategisc konzipierte, organisatorisch, finanziell und politisch-ideologisch kräftig unterstützt "Westarbeit" im und gegen den freien Teil Deutschlands zur Sprache.
Den deutschen Genossen wurde von ihren sowjetischen "großen Brüdern" nachhaltig klargemacht, daß etliche Elemente der "Westarbeit", de politisch-psychologischen Kriegsführung gegen die (alte) Bundesrepublik Deutschland un deren freiheitlich demokratische Grundordnung, nach dem Ende de "Eigenstaatlichkeit" der DDR in der neuen Bundesrepublik Deutschland in die praktische politische Arbeit der PDS übernommen werden sollen. Das betrifft insbesonder die in zahlreichen Kampagnen und Bewegungen (z. B. im Anti-Berufsverbote-Kampf, in de Friedensbewegung) erfolgreich praktizierte Bündnispolitik der Kommunisten/Sozialisten.
Aus Notizen über KPdSU-SED/PDS-Spitzengespräche zwischen Ende 1989 und Anfang 199 wird deutlich, daß etliche strategische und taktische Leitlinien, vor allem auc bündnispolitisches Agieren sowohl auf der nationalen als auch auf der internationale Ebene bereits in diesen Konsultationen erörtert und festgelegt wurden.
In einem dieser Gespräche (in der Unterredung des SED/PDS-Vorsitzenden Gysi mi Alexander Jakolew, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der KPdSU, am 2. Februa 1990) bestätigte der deutsche Obergenosse, daß die DKP (und über sie etliche Hilfs- un Tarnorganisationen sowie zahlreiche "Bewegungen", Kampagnen und Einzelaktionen sowie die Sozialistische Einheitspartei Westberlins (SEW) von der SED finanziel unterstützt worden waren. Dies geschah zu einem großen Teil über SED-Unternehmen in de DDR, in der Bundesrepublik Deutschland und im Ausland.
In dem Gespräch mit Jakolew bekundete Gysi die Absicht der PDS, "mit der KPdS kurzfristig gemeinsame Betriebe zu gründen. Die PDS werde zunächst 2 Vorschläge für Pilotprojekte unterbreiten, wobei westliche Betriebe einbezogen werde könnten. Auf diese Weise könnte auch der DKP und der SEW konkrete Unterstützun geleistet werden. Die finanzielle Hilfe der PDS für diese Parteien müsse in Kürz eingestellt werden, da sie keine Möglichkeit mehr für die Einnahme von Devise habe."
Auch in dem Gespräch mit Gorbatschow am selben Tag hatte Gysi geklagt: Die Partei hab eine Reihe ihrer Betriebe abgeben müssen. Sie beginne jedoch auch damit, neue Betrieb aufzubauen und neue juristische Möglichkeiten dafür zu erschließen. Man erhalt Unterstützung von vielen Seiten, darunter auch von bestimmten Personen und Kräften au der BRD.
Am 18. Mai 1990 traf sich Gysi wieder einmal mit dem versierten sowjetische "Westarbeiter" Falin in Berlin. Gysi gab eingangs die Absicht der PDS kund "einen breiten Konsens mit den Linkskräften in der BRD herzustellen, die inhaltlichen Probleme zu diskutieren und die organisatorischen Fragen erst ganz am Schlu zu stellen". Als Zielgruppen der PDS nannte der PDS-Vorsitzende insbesondere die Intelligenz, linke Gewerkschafter und die Jugend aus allen Bevölkerungsschichten.
Falin kam während der Unterredung auch auf die vom SED-Staat sowie der Sowjetunion un deren "Fünften Kolonnen" in der Bundesrepublik Deutschland (wie auc international) forcierten und auf mannigfache Weise unterstützte "Friedensbewegung" zu sprechen. Dieses Thema wurde in einem Gespräch zwische dem PDS-Ehrenvorsitzenden Modrow und Falin am 24. Juli 1990 in Moskau vertieft. Fali äußerte: "Mit der Vereinigung muß die Friedensbewegung erneut stärker entwickel werden."
In einer Reihe von KPdSU-PDS-Gesprächen (vor allem in Bemerkungen Falins) wurde imme wieder deutlich, welche erhebliche Rolle diese "Friedensbewegung" auch im Kamp gegen die Nato gespielt hat. Falin ließ Gysi zum Beispiel in diesem Zusammenhang wissen "Wenn die Nato aufgelöst werden könnte, wenn erreicht werden könnte, daß kein Nato mehr als militärische Offensivorganisation existiert, dann wären die Anstrengunge der Vergangenheit nicht umsonst gewesen."
Im Rückblick von den derzeitigen Ergebnissen und Erfolgen der von der PD praktizierten Bündnispolitik auf nationaler wie internationaler Ebene zeigt sich, wi großteils realistisch bündnispolitische Lageanalysen und Konzepte in de KPdSU-PDS-Spitzengesprächen am Beginn der neunziger Jahre waren.
Hans Modrow, damals noch DDR-Ministerratsvorsitzender, konferierte an der Spitze eine Regierungsdelegation am 6. März 1990 mit Gorbatschow. Dieser ermahnte die deutsche Genossen, ihre Bestrebungen zur Förderung der Zusammenarbeit der linken Kräfte einschließlich der SPD, zu verstärken. 14 Tage später, in einem Gespräch zwische Mitgliedern der PDS-Kommission Internationale Politik und einem namentlich nicht genannte Vertreter der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, wurde den deutschen Genosse angeraten, "ein Zusammengehen mit allen linken Kräften elastisch, behutsam, abe zielstrebig zu entwickeln".
Der sowjetische Genosse konstatierte: "Auf die Dauer betrachtet, würden die PD und die SPD in der DDR, und in weiter Ferne in einem Gesamtdeutschland, zusammengehen. Da sei schon deshalb unausbleiblich, da es sehr viele Gemeinsamkeiten gebe und sich die PD nach seiner Auffassung im Prinzip bereits in eine sozialdemokratische Partei verwandel habe."
Ein Mitarbeiter der PDS vermerkt in der von ihm angefertigten Gesprächsnotiz "Worten und Tonfall des Gesprächspartners war zu entnehmen, daß er darin kein negative Etikettierung, sondern eine positive Entwicklung sieht."
Modrow (inzwischen Ehrenvorsitzender der PDS) sagte Falin im Januar 1991 zu, die Bündnispolitik sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu intensivieren "insbesondere angesichts der Notwendigkeit einer stärkeren Entwicklung de internationalen Solidarität, eines Zusammenwirkens der verschiedenen linken Kräfte un der Kontakte mit den Sozialdemokraten".
Bemerkenswert ist, wie Falin in einem Gespräch mit Modrow im Juli 1990 die SP einschätzte: "Die DDR war doch stets die Linke für die SPD. Nur deshalb konnte auc die SPD in der BRD existent bleiben. Ohne die DDR besteht für die SPD in Westdeutschlan eher die Gefahr, entweder ganz unterzugehen oder zu einer ähnlich bedeutungslosen Kraf zu werden wie die Sozialisten in den USA."
Im Linkskartell wird unvermindert über die in Deutschland angeblich herrschend "Siegerjustiz" und die anhaltende angebliche politische Verfolgung ehemalige "Bürger der DDR" polemisiert. Falin versprach dem Genossen Modrow in eine Gespräch im Juli 1990, daß die sowjetische Presse deutlicher "zu Verfolgungen vo Kommunisten in der DDR" berichten würden. Dazu müßten allerdings die sowjetische Medien stärker mit entsprechendem Material ausgerüstet werden.
Im September desselben Jahres sprachen die PDS-Genossen mit Falin gar über die Notwendigkeit einer "zweiten Emigration deutscher Genossen und Freunde" in die Sowjetunion und deren "Einsatz an wissenschaftlichen Instituten, als Spezialisten in Betrieben". Die deutschen Genossen übergaben Falin bei dieser Gelegenheit ei Exemplar eines "für DDR-Bürger" vorgeschriebenen Fragebogens zur Entscheidun über deren Verwendung in der Bundeswehr. Das Gesprächsprotokoll vermerkt: "Gen Falin sprach sich für eine Veröffentlichung dieses Fragebogens in der Presse un entsprechende Kommentierung aus. Die sowjetischen Genossen bleiben an der Übermittlun weiterer konkreter Fakten von Verfolgungen demokratischer Kräfte interessiert, u überzeugender auf verschiedenen Kanälen wirken zu können."
Wladimir Bukowski zitiert in seinem Buch "Abrechnung mit Moskau" (Gusta Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach, 1996) einen Beschluß des KPdSU Politbüros vom Oktobe 1990 "über Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfolgung der Partei de Demokratischen Sozialismus (DDR)" (In "Deutschland Archiv" Nr. 2/94).
Im Dezember 1989 wurde mir (H. B.) von einer leitenden Mitarbeiterin eine SED-Institutes glaubhaft berichtet, daß bereits im Herbst 1988 zahlreiche Kisten mi geheimen Archivmaterialien aus dem Politbüro und Zentralkomitee sowie andere "empfindlichen" Bereichen der SED "in Richtung Osten" abtransportier wurden. Die "Sicherstellung", realiter: Das Verschwindenlassen, das Verstecke von SED-Archiven war auch Gegenstand mehrerer SED/PDS-KPdSU-Spitzengespräche.
In einem ebenfalls von Bukowski beschafften Papier aus der Internationalen Abteilun des ZK der KPdSU berichtet der in der "Westarbeit" ebenfalls sehr erfahren "Berater" in dieser von Falin geleiteten Abteilung, Nikolai Portugalow, übe eine Dienstreise Mitte März 1991 durch Deutschland und über ein bei dieser Gelegenhei mit dem PDS-Vorsitzenden Gysi geführtes Gespräch. Gysi bat seinen Gesprächspartne dringendst um Hilfe bei der "Sicherstellung" des SED-Archivs, das "ein Menge geheimer Dokumente enthalte, deren Veröffentlichung nicht nur für die PDS, sonder auch für die KPdSU äußerst unerwünschte Folgen hätte".
Geradezu beschwörend wies Gysi darauf hin, daß das Archiv zum Beispiel auch Dokument enthält, "die mit der Tätigkeit illegaler kommunistischer Parteien zusammenhängen die die SED (in Absprache mit uns [KPdSU H.B.]) materiell unterstützt hat" Es handele sich dabei um die Buchführung über die finanzielle Hilfe der SED a progressive Organisationen in der BRD bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. "Gys zufolge wäre die Veröffentlichung der Dokumente aus dem Archiv ,eine echt Katastrophe." (Bericht Portugalows vom 13. März 1991 an den Vertreter de Generalsekretärs des ZK der KPdSU, Genosse Iwaschko.)
In den Jahren nach den hier geschilderten Spitzengesprächen und Kontakten hat die SED-Fortsetzungspartei tatsächlich vor allem in bündnispolitischen Bereichen eine Meng von dem erreicht, was sie sich in Übereinstimmung mit den Genossen in Moskau, teilweis auch auf deren "Anraten", vorgenommen hatte.
Zu den bedeutendsten bündnispolitischen Erfolgen zählen zweifellos die offen Zusammenarbeit mit der SPD in der rotroten Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommer und die Absprache zwischen SPD und PDS in Sachsen-Anhalt über die Unterstützung de sozialdemokratischen Minderheitsregierung in Magdeburg.
Detlef Nakath, Gero Neugebauer, Gerd-Rüdiger Stephan (Herausgeber): "Im Krem brennt noch Licht". Die Spitzenkontakte zwischen SED/PDS und KPdSU 19891991 Berlin, Dietz Verlag, 1998, 36 D
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