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Angela Merkel zuckte förmlich zusammen, als Kanzler Schröder während des TV-Duells das Thema Türkei ansprach. In gewundenen Formulierungen erläuterte sie das Unionsmodell einer "privilegierten Partnerschaft" für Ankara, als sei ihr die Ablehnung eines vollständigen EU-Aufnahme der Türkei im Grunde peinlich. Der am Rest des Abends so angriffslustigen CDU-Chefin war plötzlich die Furcht ins Gesicht geschrieben, der Kontrahent könnte sie vor laufenden Kameras in die Falle locken und als "Ausländerfeindin" entlarven .
Die Szene war kennzeichnend für diesen Wahlkampf: Zahlreiche drängende Probleme unserer Zeit blieben praktisch ausgeblendet oder wurden nur gestreift - wie etwa die eng mit der Türkeidiskussion verwobenen Fragen von Zuwanderung und den wachsenden Parallelgesellschaften in unseren Städten.
Auch die Sicherheitspolitik spielte so gut wie keine Rolle. Berlin schickt deutsche Soldaten in die gefährlichsten Regionen der Welt - offenbar, weil die Regierung Schröder Deutschland von dort bedroht sieht. Wie ist es dann zu verantworten, daß der Wehr-etat zum Steinbruch der Haushaltpolitik verkommen ist? Eine Frage, welche auch die Opposition nicht sonderlich zu interessieren schien.
Daran anknüpfend fand keine der Parteien eine befriedigende Antwort darauf, nach welchen Maßgaben deutsche Außenpolitik überhaupt gestaltet werden soll. Die durchsichtigen Friedensparolen der Regierung helfen da nicht. Ebenso flau aber bleiben die Floskeln der Union, die sich in kaum mehr als Treueschwüren über den Atlantik und die Besänftigung europäischer Nachbarn erschöpfen. In Zeiten, da die einstige Schutzmacht USA selbst an Orientierungsschwäche leidet, würde es auch einer Unionsregierung nicht erspart bleiben, eine eigene weltpolitische Position für Deutschland vorzulegen. Wie die konkret aussehen könnte? Fehlanzeige bei der Union.
Die demographische Entwick-lung ist eigentlich ein Thema, das den Christdemokraten auf den Leib geschneidert sein sollte - weil untrennbar an den Komplex Familienpolitik geknüpt. Während der vergangenen Kampagne wurde es unter "ferner liefen" abgehandelt. Ebenso wie der bedenkliche Niedergang der Rentenkassen - hier gibt es offenbar nur die Alternative zwischen grausamen Wahrheiten, die niemand sagen will, weil er die Strafe der Wähler fürchtet, oder süßen Lügen. Also ließen die Parteien gleich ganz die Finger davon.
Eine von Konservativen seit Kohls verpuffter "geistig-moralischer Wende" erhoffte Wertedis-kussion blieb - fast erwartungsgemäß - dieses Mal ebenfalls aus.
Bedenkenträger wenden gern ein, daß allzu heikle Themen im Wahlkampf nichts zu suchen hätten, weil die "populistische" Verengung wichtiger Sachverhalte auf Parolen und Kampfreden nicht zu verantworten sei. Ein Rückblick auf die vier wichtigsten Bundestagswahlen der Vergangenheit - den ersten Urnengang 1949, die Willy-Brandt-Wahl 1972, die Wahl Helmut Kohls als Bestätigung der Bonner "Wende" 1983 und sein Sieg 1990 - zeigt jedoch, daß hier durchaus schicksalhafte Fragen im Wahlkampf heiß diskutiert wurden. Damit konnte das Volk die historischen Weichen gleichsam selbst stellen, mit oftmals weitreichenden Folgen bis in unsere Tage. (HH)
1949: Der Aufbruch Eine Stimme mehr für den kühlen Realisten von Rosemarie Fiedler-Winter
Heute glaubt man, die "deutsche Schicksalswahl 2005" mit jener von 1949 vergleichen zu können, als Konrad Adenauer mit nur einer Stimme (seiner) zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt wurde. Und doch war alles ganz anders.
Damals hatten die Deutschen nichts zu verlieren. Heute steht für viele ihre gesamte Existenz auf dem Spiel. Damals konnte kaum jemand sicher sein, daß sich Deutschland zu einem Wohlfahrtsstaat ent- wickeln würde, der noch fremde Arbeitskräfte aus dem Ausland herbeirufen mußte, um die vielen neuen Aufgaben zu erledigen. Heute wissen wir, daß fast fünf Millionen Arbeitslose um ihr Fortkommen bangen. Jeder Beobachter der Szene kann sich ausrechnen, daß es "nicht mehr so weiter geht wie bisher".
Deshalb ist 1949 auch für viele der Eindruck entstanden, als erlebten sie ein Polit-Schauspiel auf großer Bühne, das sie selbst nicht unmittelbar betraf. Denn das Leben bestand aus Behelfssituationen zwischen Ruinen. Auch vier Jahre nach Kriegsende. Heute ist das Vollbad mit Dusche, sind Telefon und Fernsehen, Waschmaschine und Auto Selbstverständlichkeiten. Aber viele wissen nicht, wie sie die Krankenversicherung und die Miete bezahlen sollen. Damals, das war die Zeit, als Konrad Adenauer und Kurt Schumacher heftige historische Debatten über Beachtung und Behandlung der SBZ (Sowjetische Besatzungszone) geführt haben.
Täglich drängten Hunderte von Flüchtlingen oft unter Einsatz ihres Lebens über die schwer bewachte Grenze mitten in Deutschland. Jakob Kaiser, der mitteldeutsche CDU-Chef und spätere Ostminister im Kabinett Adenauer, sowie seine Ehefrau Elisabeth Nebgen ließen gemeinsam mit dem Kölner CDU-Politiker Johannes Albertz nicht locker, "den Alten vom Berge", wie Adenauer volkstümlich genannt wurde, auf die gefährliche Lage aller Nicht-SED-Mitglieder in der "Zone" hinzuweisen.
Wenn wir uns - ich war damals Studentin und freie Berichterstatterin - im "Kölner Hof" trafen, ging es oft hoch her, und dort spielte die bevorstehende Wahl selbstverständlich eine Rolle. Ich wurde auch gebeten, den Dr. Adenauer, als ich von ihm einen Interviewtermin erhielt, mit Nachdruck nach der so brennenden Ost-Situation zu fragen. In diesem Punkt blieb der erste deutsche Bundeskanzler jedoch mehr als zurückhaltend.
Sein großer Kontrahent Kurt Schumacher lehnte sich für die Landsleute jenseits der Zonengrenze sehr viel weiter aus dem Fenster. Adenauer: "Ach, Kindchen, was können wir gegen die Russen ausrichten!" Und damit war das Thema vom Tisch. Die Geschichte hat dem "Alten vom Berge" Recht gegeben. Die Haltung der Russen blieb bis zuletzt entscheidend, und der große Realist Adenauer beherrschte seine Lage souverän, weil er sich nichts vormachte. Eine Einstellung, die allen genutzt hat.
Diejenigen, die sie persönlich zu hören bekamen, fühlten sich trotzdem nicht selten enttäuscht von Adenauer, und dazu gehörten auch ich und mein Vater, der als Journalist vor "jenen Russen" geflohen war. Heute ist die Erinnerung an das Wahlereignis von 1949 verblaßt. Sicher ist, daß kaum jemand vor der Zeit danach Angst gehabt hat, denn es konnte eigentlich kaum schlechter werden.
Rosemarie Fiedler-Winter ist Buchautorin und freie Wirtschaftsjournalistin in Hamburg. Sie wurde in Dresden geboren und arbeitet für große Tages- und Fachzeitungen.
Plakat der SPD zur Bundestagswahl am 14. August 1949.
Sitzverteilung im Bundestag 1949: Wahlbeteiligung: 78,5 Prozent
1972: Der Verrat Die Stasi half nach beim Triumph der "neuen Ostpolitik" von Fritz Schenk
Die Bundestagswahl vom Herbst 1972 war die erste, die nach einer auf drei Jahre verkürzten Legislaturperiode stattgefunden hatte. Allerdings geschah dies - im Gegensatz zur jetzigen und der ebenfalls vorgezogenen Wahl von 1983 - verfassungsrechtlich korrekt und daher ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts. Vorausgegangen war ihr ein intensives parlamentarisches Ringen um Kanzlermehrheiten. Brandt hatte seine parlamentarische Mehrheit von zunächst sechs Mandaten verloren, weil etliche Abgeordnete aus SPD und FDP ihre Fraktionen verlassen hatten. Ein konstruktives Mißtrauensvotum zu Gunsten des Oppositionsführers Rainer Barzel (CDU) war fehlgeschlagen. Wie wir heute wissen, weil zumindest der CDU-Abgeordnete Julius Steiner, womit sich der SED-Spionagechef Markus Wolf nach 1989 brüstete, mit 50.000 Mark bestochen worden war, um gegen Barzel zu stimmen. Wer noch (und warum) gegen Barzel votiert hatte, ist nicht aufgeklärt worden. So war eine Patt-Situation entstanden, die Regierung Brandt/Scheel handlungsunfähig. Bundespräsident Gustav Heinemann löste verfassungsgemäß den Bundestag vorzeitig auf. Die Wahl gewann Willy Brandt mit einer ausreichenden neuen Mehrheit.
Auslöser der heftigen Kontroversen und der Parteiaus- und -übertritte war die sogenannte neue Ost- und Deutschlandpolitik dieser ersten sozialliberalen Koalition in Bonn. Sie brach mit der strikten Nichtanerkennung der DDR. Dieser Regierungskurs bildete den Hauptgrund der Auseinandersetzungen, die nicht nur im Bundestag, sondern quer durch die Gesellschaft zu heftigen Debatten führte. Es kam zu menschlichen Zerwürfnissen, zum Zerbrechen alter Freundschaften.
Hauptakteur dieser Politik war Brandts engster Vertrauter Egon Bahr. Die Zugeständnisse, welche diese Regierung in materieller Hinsicht an die SED machte, haben den westdeutschen Steuerzahler Milliarden gekostet, ohne den Ruin des Kommunismus aufzuhalten. Auch die viel gerühmten "menschlichen Erleichterungen" hatte die Brandt-Regierung in verwaschenen "Kann"-Bestimmungen entgegengenommen, das SED-Regime eben nicht zu klaren Regelungen gezwungen, womit die DDR-Bevölkerung gegen-über dem Regime erst recht zur Anpassung und Erpreßbarkeit verurteilt wurde.
Die Union hat damals mit großer Beharrlichkeit vor allem erreicht, daß es nicht zur totalen Anerkennung der DDR und zweier deutscher Staatsbürgerschaften und so zur Besiegelung der Zweistaatlichkeit gekommen ist. Denn der eigentliche Hintergrund der neuen Ostpolitik unter dem Stichwort "Anerkennung der Realitäten" ging von der Vorstellung aus, Europa (Ost- wie West-) werde nie die Wiederherstellung der deutschen Einheit unterstützen oder auch nur hinnehmen, weshalb man den Frieden auf der Basis von zwei Deutschlands mit einer Art "Österreichlösung" für die DDR suchen sollte. Die vorherrschende Stimmung in Westdeutschland tendierte in diese Richtung. Wer für Wiedervereinigung eintrat, war eben kein Realist sondern ein unverbesserlicher Antikommunist und Kalter Krieger. n
Fritz Schenk (geboren 1930 in Eisleben-Helbra) war von 1971 bis 1987 stellvertretender Leiter der Sendung "ZDF-Magazin". Nach dem Ausscheiden Gerhard Löwen-thals 1987 übernahm Schenk die Leitung bis 1988.
Plakat der SPD zur Bundestagswahl am 19. November 1972
Sitzverteilung im Bundestag 1972: Wahlbeteiligung: 91,1 Prozent
1983: Die "Wende" Der von vielen erhoffte Kurswechsel blieb Stückwerk von Elisa Wachtner
Als "Winterkanzler" verspotteten im Herbst 1982 Medien und politische Gegner den neuen Regierungschef Helmut Kohl, der schon bei den nächsten, vorgezogenen Bundestagswahlen am 6. März 1983 wieder aus dem Amt fliegen würde. Die Vorgeschichte dieses Urnengangs reicht zurück bis in den Oktober 1981. Hundertausende "Friedensaktivisten" hatten sich im Bonner Hofgarten versammelt, um gegen den "Nato-Doppelbeschluß" zu demonstrieren. Viele, auch führende Sozialdemokraten sympathisierten mit den "Nachrüstungsgegnern" und fielen so dem eigenen Kanzler Helmut Schmidt in den Rücken.
Zugleich begann im Jahre 1981 der Ölpreisschock des Vorjahres, schon der zweite nach 1973, mit voller Wucht auf die bundesdeutsche Wirtschaft durchzuschlagen, die Arbeitslosigkeit stieg, die Staatsfinanzen kamen gefährlich ins Schlingern. Im Frühjahr 1982 trat SPD-Finanzminister Hans Matthöfer zurück - wie gemunkelt wurde, weil er nicht bereit war, einen Haushalt mit drastisch geschönten Zahlen vorzulegen. Das tat sein Nachfolger Manfred Lahnstein im Sommer. Die offensichtlich unsolide Haushaltspolitik und der zunehmende Wankelmut großer Teile der SPD in der Sicherheits- und Bündnispolitik veranlaßte den Koalitionspartner FDP, die Notbremse zu ziehen. Im nach ihm benannten "Lambsdorff-Papier" legte Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff im September einen Forderungskatalog vor, in dem er eine radikale Kurskorrektur in der Wirstchafts-, Sozial- und Haushaltspolitik einklagte. Das Papier wurde von Kanzler Schmidt als Ultimatum zurückgewiesen. Um ihrem Rauswurf zuvorzukommen, baten die vier FDP-Minister, unter ihnen neben Lambsdorff auch Außenminister Hans-Dietrich Genscher, am 17. September 1982 um ihre Entlassung und beendeten 13 Jahre sozialliberale Koalition. Am 1. Oktober wurde Helmut Kohl vom Bundestag zum neuen Regierungschef gewählt.
Der SPD gelang es, den Rücktritt der FDP-Minister als Verrat darzustellen, die Liberalen stürzten bei Umfragen ins Bodenlose. Etliche prominente Freidemokraten, darunter der heutige EU-Kommissar Günter Verheugen, liefen zur SPD über.
Doch schon zur Jahreswende 1982/83 begann sich eine sta- bile Mehrheit für die neue CDU/CSU/FDP-Koalition in den Umfragen abzuzeichnen, die schließlich bis zu den Wahlen am 6. März 1983 halten und zum Sieg Helmut Kohls führen sollte. Mit den Märzwahlen zogen zudem erstmals die Grünen in den Bundestag ein - getragen von der weiter lebendigen Kriegsangst großer Teile der Linken.
Hoffnungen auf den grundlegenden wirtschafts- und sozialpolitischen Kurswechsel, wie er im Lambsdorff-Papier angemahnt worden war, wurden indes in weiten Teilen enttäuscht. Auch nach der von Kohl versprochenen "geistig-moralischen Wende" suchten Konservative in den Folgejahren vergebens.
Andererseits sicherte Kohls Triumph den Bestand des Nato-Doppelbeschlusses, der den Sowjets vor Augen führte, daß ihr Versuch, den auf allen Gebieten außer der Rüstung überlegenen Westen "an die Wand zu rüsten", aussichtslos war. Dies leitete innerhalb der Kremlführung einen Prozeß des Umdenkens ein, an dessen Ende die Reformpolitik von Michail Gorbatschow und die Auflösung des Ostblocks stand. Somit weist von der Wahl 1983 ein direkter Weg zu den Umwälzungen der Jahre 1989 bis 1991 und damit auch zur deutschen Einheit.
Plakat der CDU zur Bundestagswahl am 6. März 1983
Sitzverteilung im Bundestag 1983: Wahlbeteiligung: 89,1 Prozent
1990: Die Einheit Der historische Umbruch traf die Linke völlig unvorbereitet von Jan Bremer
Das Jahr 1989 begann schlecht für den damaligen Regierungschef Kohl. Im Januar errang die 1983 gegründete Partei der "Republikaner" 7,5 Prozent bei den Abgeordnetenhauswahlen von West-Berlin und zog erstmals in ein Landesparlament ein. Enttäuschung und Überdruß an Helmut Kohls Regentschaft führten dazu, daß bereits offen über die angeblich bevorstehende Agonie seiner Regierung gemutmaßt wurde.
Die Linke schöpfte Zuversicht: Rot-Grün hatte sich in Landeskoalitionen etabliert und seinen Schrecken verloren. Die "Brandt-Enkel" der 68er Generation sahen ihre Zeit gekommen. Oskar Lafontaine, seit 1985 erster SPD-Ministerpräsident des Saarlandes und seit 1987 stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei, wurde ihr Hoffnungsträger.
Doch für die meisten völlig unerwartet gab die Weltgeschichte der deutschen Politik eine dramatische Wende: Am 2. Mai 1989 begann Ungarn mit dem Abbau seiner Grenzsperranlagen zu Österreich, im Juni fanden in Polen erste demokratische Wahlen statt, am 19. August nutzten rund 700 DDR-Urlauber ein "Paneuropäisches Picknick" an der österreichisch-ungarischen Grenze zur Flucht. Von nun an ging es Schlag auf Schlag: Botschaftsbesetzungen, Massenflucht, Sturz Erich Honeckers, Mauerfall und schließlich: der mil-lionenfache Ruf nach Wiedervereinigung auf den Straßen der DDR.
Mit einem Mal waren die eben noch "fortschrittlichen Kräfte" der deutschen Linken, an ihrer Spitze Lafontaine, zu rückwärtsgewandeten Status-quo-Verteidigern geschrumpft, welche die Chance eines vereinten Deutschlands weder sehen wollten noch konnten. Helmut Kohl hingegen erkannte, nach anfänglichem Zögern, die Wucht der Ereignisse und nahm mit seinem Zehn-Punkte-Programm zur deutschen Einheit am 27. November 1989 das Heft des Handelns in die Hand. Während seines Besuchs bei DDR-Ministerpräsident Hans Modrow am 19. Dezember in Dresden hielt der Kanzler eine flammende Rede zur Einheit der Nation. Der vor Monaten noch hart bedrängte Regierungschef betrat als "Kanzler der Einheit" die Bühne der Geschichte.
Als Oskar Lafontaine im Januar 1990 offiziell zum Kanzlerkandidaten der SPD gekürt wurde, sahen viele in ihm schon eine tragische Figur. Seine Versuche, durch harsche Kritik an wichtigen Einzelheiten des Vereinigungsprozesses, wie etwa an den Modalitäten der Währungsumstellung in der DDR, Profil und Initiative zurückzugewinnen, mußten scheitern - zu offensichtlich war, daß hinter den (zum Teil keineswegs unsachgemäßen) Einwänden Lafontaines dessen tief empfundene Ablehnung der deutschen Einheit an sich hervorlugte. Abschätzige Äußerungen über die DDR-Bevölkerung rundeten dieses Bild ab.
So folgte Kohls Sieg bei den Bundestagswahlen am 2. Dezember 1990 in den Augen der Zeitgenossen nur der Logik der Geschichte. Als Bestätigung der Einheit für die einen, als Schlußstein eines Debakels für die anderen, die im vereinten Deutschland partout eine Ka- tastrophe sehen wollten. In den folgenden Jahren seiner noch einmal achtjährigen Kanzlerschaft blieben überfällige Reformen jedoch liegen, welche viele europäische Nachbarn in den 90er Jahren erfolgreich vollzogen. Doch daran dürften sich kommende Generationen weit weniger erinnern als an den "Kanzler der Einheit", der Helmut Kohl für immer bleiben wird.
Plakat der CDU zur Bundestagswahl am 2. Dezember 1990
Sitzverteilung im Bundestag 1990: Wahlbeteiligung: 77,8 Prozent |
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