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Mehrere hunderttausend Neugierige haben den diesjährigen "Tag der offenen Moschee" Anfang Oktober genutzt, einen Blick in die geheimnisvolle Welt der Muslime in Deutschland zu werfen. Interesse und Faszination für das Exotische mischen sich mit Angst und Mißtrauen einer fremden und oft bedrohlich wirkenden Religion gegenüber. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat es den Anschein, der Djihad, der Heilige Krieg im Namen Allahs, habe auf den Westen übergegriffen. Seitdem klagen Vertreter muslim ischer Organisationen über ein Klima zunehmender Diskriminierung.
Auch die mehr als drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime, in der großen Mehrzahl türkische Einwanderer und deren Nachkommen, fühlen sich unter Generalverdacht gesetzt. Zu Unrecht, klagen ihre Verbandsspitzen, müßte man sich für die Gewalttaten islamistischer Fanatiker rechtfertigen. "Gegen den Mißbrauch unserer Religion lehnen wir uns auf und distanzieren uns von Verbrechen", heißt es in einer im April verbreiteten Erklärung des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland und des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD).
Auf eine Initiative Nadeem Elyas , des engagierten ZMD-Vorsitzenden, geht auch der erstmals 1997 durchgeführte "Tag der offenen Moschee" zurück. Die Zahl großer muslimischer Gebetshäuser mit Minarett in Deutschland wächst rapide. Allein in Berlin ist für die nächsten Jahre der Bau von zehn repräsentativen Moscheen geplant. Bundesweit verdoppelte sich deren Zahl im vergangenen Jahr auf über 140. Hinzu kommen noch schätzungsweise 3.000 kleinere Gebetsräume, die unscheinbar in Wohnhäusern oder Garagen untergebracht sind. Angesichts der Geburtendynamik und unverminderten religiösen Disziplin hiesiger Muslime rechnen Experten für die Zukunft mit einem beschleunigten Vormarsch des Islams.
Nadeem Elyas gilt als erster Ansprechpartner für den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen. Der stets freundlich lächelnde, distinguierte Herr, der als Frauenarzt im rheinischen Eschweiler lebt und arbeitet, stammt ursprünglich aus Saudi-Arabien. Bereits 1964 kam er als 19jähriger in die Bundesrepublik, wo er neben Medizin auch Islamwissenschaften studierte. 1994 hatte er die geniale Idee, einen Zusammenschluß von etwa 500 Moscheegemeinden als "Zentralrat der Muslime in Deutschland" ins Vereinsregister einzutragen. Die Anlehnung des Namens an den Zentralrat der Juden sicherte Aufmerksamkeit und Respekt. Seitdem ging es steil bergauf mit ihm.
Elyas fehlt in keiner Fernsehsendung zum "Dialog". Dabei vertritt sein ZMD nur eine kleine Minderheit von etwa zehn Prozent der hiesigen Muslime. Elyas gilt als "liberal" und formuliert Positionen eines selbstbewußten Islam in Deutschland. Selbst Bundespräsident Rau empfing den frommen Funktionär als Verbündeten, der frühere EKD-Vorsitzende Manfred Kock nannte ihn öffentlich "mein muslimischer Freund". Doch trotz seines beträchtlichen Charmes und seiner Eloquenz bleiben Zweifel an der Glaubwürdigkeit des ZMD-Vorsitzenden. Kritiker nennen ihn einen Heuchler, der von Toleranz spricht, in Wahrheit jedoch den extrem intoleranten Auffassungen des saudisch-wahhabitischen Islam anhänge.
Zudem weisen Verfassungsschutzbehörden darauf hin, daß er regelmäßigen Kontakt zu radikalen muslimischen Organisationen pflegt. Nach Auskunft von Hartwig Möller, dem Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, sind wichtige Teile des ZMD von der extremistischen Muslimbruderschaft (MB) beeinflußt. Die Mu-
slimbrüder, gegründet 1928, gelten als führende arabische Geheimorganisation. Sie rufen zum Sturz aller Regierungen in der Region auf, die nicht streng an der Scharia ausgerichtet sind. Ihr Emblem zeigt zwei gekreuzte Schwerter, Fernziel ist eine weltweite Herrschaft des Islam. Die MB ist Mutterorganisation so militanter Gruppen wie der Hamas, des Islamischen Djihad oder der Islamischen Heilsfront FIS. Auch zu Al Quaida bestehen Querverbindungen.
In Deutschland steuern die Muslimbrüder neun bis zwölf islamische Zentren, darunter Häuser in München, Frankfurt, Darmstadt und Marburg. Etwa 1.300 Anhänger hat diese hart-islamistische Fraktion in Deutschland. Mindestens neun der 19 Vereine, die unter dem Dach des Zentralrats agieren, sind Teil des MB-Netzwerks, schätzt der NRW-Verfassungsschutz. Elyas hat stets abgestritten, Muslimbruder gewesen zu sein. Nicht zu leugnen sind aber seine Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), die als Vertretung des ägyptischen Zweiges der Muslimbrüder gilt. Wie der hessische Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht schreibt, saß Elyas beim 25. Jubiläumskongreß der IGD als Gastredner auf dem Podium. Immerhin 10.000 Besucher konnte die IGD mobilisieren.
Neben Elyas traten zwei eher weniger "Dialog"-orientierte Gestalten auf: die ägyptischen Prediger Amr Khaled und Omar Abdel Kafi, die in ihrer Heimat wegen Christenhetze und extrem fundamentalistischer Ansichten mit Redeverbot zu religiösen Themen belegt sind. Kafi startete auf dem IGD-Kongreß mit dem Motto "Integration statt Ghetto?" unverblümt einen Aufruf zur Islamisierung Deutschlands: "Integration darf nicht zu weit gehen. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, den Islam zu verbreiten. Wir müssen die ganze Welt besiedeln und zum Islam bekehren. Die Zukunft gehört der Religion Allahs."
Der hessische Verfassungsschutz betont ausdrücklich, der Zentralrat der Muslime sei kein Beobachtungsobjekt. Dennoch stellt der Bericht verwundert fest, daß Elyas zum kompletten drakonischen Strafkatalog der Scharia stehe. Der Frauenarzt aus Eschweiler rechtfertigt "grundsätzlich auch Steinigung der Frau bei Ehebruch". Interessant ist, daß der von der rot-grünen Bundesregierung gesteuerte Bundesverfassungsschutz in seinem Bericht - anders als das von der Union geführte hessische Innenministerium - den Auftritt Elyas beim IGD-Kongreß verschweigt.
Als die größte, einflußreichste und finanzstärkste islamistische Organisation in Deutschland gilt die 1985 gegründete Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Übersetzt bedeutet der Name "national-religiöse Sicht" und deutet an, daß es Milli Görüs sowohl um islamistische als auch türkisch-nationalistische Ziele geht. Die IGMG operiert in ganz Europa. Nach unterschiedlichen Schätzungen hat sie zwischen 26.500 und 30.000 Anhänger in Deutschland und betreibt etwa 2.000 Einrichtungen, deren Besucherzahl bei etwa 300.000 liegen soll. Die Verwaltung des umfangreichen IGMG-Immobilienbesitzes untersteht der Europäischen Moscheebau- und Unterstützergemeinschaft (EMUG). Deren Chef ist der islamistische Multifunktionär Ibrahim El Zayat, der auch als IGD-Vorsitzender die Fäden zur Muslimbruderschaft spinnt.
Besonderes Anliegen der IGMG ist die Jugendarbeit. Muslimische Einwanderer der dritten Generation sollen im Geist der Heimat und des Korans erzogen werden. Zitate des Verfassungsschutzberichts aus der Zeitung Milli Gazete, die von der IGMG gefördert wird, belegen deren extremistischen Charakter. Zum Thema Integration schreibt ein Autor: "Jene unschuldigen Kinder hat uns Gott anvertraut ... Dutzende von perversen Institutionen, allen voran Juden- und Christenkomitees, lauern nur auf eine günstige Gelegenheit, um uns unsere Kinder abspenstig zu machen. Werfen wir unsere Kinder jenen verirrten Ungeheuern nicht zum Fraß vor!"
Die hessische Jugendorganisation der IGMG rief im Mai vergangenen Jahres zu einem Treffen zum "Tag der Eroberung und Tag der Jugend" auf. "Die geistig-politische Bedeutung einer derartigen Fatih-Veranstaltung, dem Symbol für die gewaltsame Eroberung für den Islam, ist keineswegs zu unterschätzen", urteilt das Wiesbadener Innenministerium. Als "Fatih", der Eroberer, wird Sultan Mehmet II. bezeichnet, der 1453 die Stadt Konstantinopel erstürmen konnte. Obwohl die IGMG sich nach außen als integrationsbejahend darstellt, propagiere sie, so der hessische Verfassungsschutz, "eine neo-osmanische Nostalgie, die zumindest geeignet ist, Zivilisationskonflikte herbeizuführen und junge Menschen türkischer Herkunft Europa zu entfremden".
Lange Zeit war die IGMG von ihrem Gründer und geistigen Vordenker, Necmettin Erbakan, dem kurzzeitigen und 1997 vom Militär abgesetzten türkischen Ministerpräsidenten, abhängig. In dessen islamistischer, 1998 verbotener Wohlfahrtspartei hat auch der heutige türkische Ministerpräsident und EU-Beitrittsbetreiber Recep Tayyip Erdogan bis zum Amt des Bürgermeisters von Istanbul Karriere gemacht. Als Erbakan mit der Tugendpartei eine Rückkehr zur Macht plante, spaltete sich Erdogan mit einigen Getreuen ab. Der von ihnen aus den Trümmern der Wohlfahrtspartei aufgebauten neuen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) gelang rasch der Aufstieg. Für Milli Görüs war der Verlust von Erbakans Machtbasis ein herber Schlag.
Um so bedeutender erscheint die Wiederannäherung Erdogans an die europäischen Islamisten von Milli Görüs. Ein offizielles Rundschreiben der Regierung in Ankara wies alle türkischen Auslandsvertretungen an, die IGMG nach Kräften zu unterstützen. Botschafter sollten an Veranstaltungen teilnehmen und Vertreter der Organisation zu Empfängen einladen. Wie selbstverständlich nahm sich Erdogan bei seinem Staatsbesuch in Berlin im September vergangenen Jahres Zeit für ein Gespräch mit hochrangigen Funktionären von Milli Görüs, darunter der Vorsitzende Osman Döring, genannt Yavuz Celik Karahan.
Die rot-grüne Bundesregierung hofft, mit ihrer Unterstützung eines EU-Beitritts der Türkei ein Signal für die Aussöhnung von Islam und westlicher Demokratie zu senden. Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Mit Sicherheit aber steht eine weitere Einwanderungswelle bevor. Der Islamforscher Bassam Tibi, der sich von Erdogans "Wandlung" wenig beeindruckt zeigt, schrieb dazu: "Der Djihad der Muslime für eine Islamisierung erfolgt in unserer Zeit friedlich durch Migration. Heute leben allein in Westeuropa 17 Millionen Muslime. Werden sie Europäer durch eine Europäisierung des Islams, oder werden sie bei zunehmender Migration (Hidjra) eine Vorhut zur Islamisierung Europas werden?"
Schonungslose Analyse
Eine brisante Studie der Konsequenzen eines EU-Beitritts der Türkei hat soeben der bekannte Orientalist und Kritiker islamistischer Doppelzüngigkeit Hans-Peter Raddatz vorgelegt. Seine anspruchsvolle und unbedingt lesenswerte Untersuchung "Die türkische Gefahr? Risiken und Chancen" kam zeitgleich mit der Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen auf den Buchmarkt. Raddatz hinterfragt die gängige Einschätzung der friedliebenden Absichten der heutigen Türkei. In historischen Abrissen spannt er einen Bogen von der osmanischen Expansionsgeschichte über den Genozid an den Armeniern bis hin zum Ringen zwischen national-chauvinistischen kemalistischen Eliten und den immer stärkeren Re-Islamisierungstendenzen der letzten Jahre. Auch an die Adresse der deutschen Politik richtet er schwere Vorwürfe. Ein politisch korrektes "Leitkartell" aus Parteien, Medien, Wirtschaft und Kirche übe sich in pro-islamischer "gerichteter Unschärfe" und verschweige dabei den Bürgern die absehbaren Risiken. Am Ende der Entwicklung stünde eine "eurotürkische Fusion". "Diese Dynamik ist so lange intakt, wie das deutsche ‚Leitkartell mindestens zwei Kriterien einhält: Tabuisierung der Zuwanderung und Religionsfreiheit für das islamische Recht." F. M.
Hans-Peter Raddatz: "Die türkische Gefahr? Chancen und Risiken", Herbig, München 2004, 267 Seiten, 19,90 Euro
In Deutschland werden immer mehr Moscheen und islamische Gebetshäuser gebaut: Forscher der Istanbuler Bigli Universität machen die hohe Arbeitslosigkeit unter den Türken in der Bundesrepublik Deutschland und die Ghettoisierung für deren zunehmende religiöse Orientierung verantwortlich.
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