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Moskaus gescheiterter Störversuch

 
     
 
Die Aufregung bei den Westmächten war groß und die Besorgnis im Bonner Kanzleramt spürbar, als am 10. März 1952 die Nachricht aus Moskau einging, daß die Sowjetregierung einen Friedensvertragsentwurf für Deutschland vorgelegt habe und eine Viererkonfe- renz darüber vorschlage.

Tatsächlich hatte an diesem Tag der stellvertretende Außenminister der UdSSR, Andrej Gromyko, den diplomatisch
en Vertretern Englands, Frankreichs und der USA eine Note und ein Memorandum übergeben. Darin regte die Regierung der Sowjetunion die Einberufung einer „Konferenz der vier Großmächte über die Ausarbeitung eines deutschen Friedensvertrages“ an und schrieb wörtlich: „Um die Vorbereitung des Entwurfs eines Friedensvertrages zu erleichtern, legt die Sowjetunion ihrerseits den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika den beigefügten Entwurf für die Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland zur Prüfung vor.“ Zugleich erklärte sich Moskau bereit, „auch andere eventuelle Vorschläge zu dieser Frage zu prüfen“. Und was die Aufregung im Westen letztlich auslöste: „Die Regierung der UdSSR rechnet damit, in kürzester Frist eine Antwort auf den oben erwähnten Vorschlag zu erhalten“. Der Kreml suchte also, den Westen unter Zugzwang zu setzen und machte seinen Druck geschickt propagandistisch plausibel, als er im beigefügten „Grundriss zu einem Friedensvertrag mit Deutschland“ feststellte: „Seit Beendigung des Krieges mit Deutschland sind fast sieben Jahre vergangen. Jedoch hat Deutschland immer noch keinen Friedensvertrag. Es ist gespalten und befindet sich gegenüber anderen Staaten in einer nicht gleichberechtigten Situation. Diesem unnormalen Zustand muß ein Ende gemacht werden.“

Worte, denen niemand widersprechen konnte und die in den Ohren der national bewußten Deutschen wie Musik klingen mußten, wie man auch diesseits und jenseits der Zonengrenze gern zur Kenntnis nahm, daß nach Meinung Moskaus „der Friedensvertrag unter unmittelbarer Beteiligung Deutschlands, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, ausgearbeitet werden“ müsse. Eine demütigende Aussperrung von den Verhandlungen, wie sie Deutschland 1919 in Versailles widerfuhr, sollte es nicht geben.

Diese wohlberechneten Schmeicheltöne sollten besonders national-konservative Kreise in Westdeutschland für den Vorschlag des Kremls einnehmen und Adenauers eingeleitete Westintegrationspolitik stören. Entsprechend beunruhigt war man im Bonner Kanzleramt über die möglichen psychologischen Auswirkungen der Moskauer Wiedervereinigungsinitiative auf die Stimmung in der westdeutschen Bevölkerung. Starke politische Kräfte gaben damals immer noch dem Streben nach nationaler Einheit den Vorzug vor einer Westbindung. Die gerade in jenem Jahre 1952 stattfindenden Olympischen Winterspiele in Oslo und Sommerspiele in Helsinki dokumentierten durch die Teilnahme einer gesamtdeutschen Olympiamannschaft noch zusätzlich diesen Einheitswillen und konnten in dieser Tendenz von Moskau für seine Zwecke eingesetzt werden. Alles dieses erfüllte Kanzler Adenauer mit Sorge.

Über die Beibehaltung einer gemeinsamen deutschen Olympiamannschaft hinaus bereitete ihm die augenscheinlich „konzertierte Aktion“ zwischen den Ost-Berliner Kommunisten und dem Kreml ungleich größeres Kopfzerbrechen.

Der als „Stalin-Note“ in die Geschichte eingegangenen Deutschland- Initiative Moskaus war nämlich ein Ersuchen der DDR-Regierung in Ost-Berlin an die vier Hauptsiegermächte vorausgegangen. Darin wurden die Regierungen in London, Moskau, Paris und Washington gebeten, „den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beschleunigen“, worauf die Sowjetführung mit der Versicherung geantwortet hatte, „alles, was möglich ist, zu tun, um den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland und die Wiederherstellung der Einheit des deutschen Staates zu beschleunigen“. Schon knapp drei Wochen später, am 10. März 1952, übergab dann Gromyko den drei westlichen Vertretern in Moskau die erwähnte Note mit dem beigefügten Memorandum.

Der vorgelegte Friedensvertragsentwurf enthielt neben diskutablen und annehmbaren Punkten wie die Wiederherstellung der deutschen Einheit, den Abzug der Besatzungstruppen und die Errichtung einer eigenen Wehrhoheit auch Auflagen wie die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsche Ostgrenze und die Neutralisierung Gesamtdeutschlands, Vorbedingungen, von denen der Kreml wissen mußte, daß sie vom Westen und von der Bonner Regierung schwerlich angenommen werden würden und deren Nennung die ganze sowjetische Deutschland-Initiative in den Verdacht brachte, nichts anderes zu bezwecken, als die sich gerade vollziehende Westintegration der Bundesrepublik zu verhindern. Adenauer war es bekanntlich gelungen, den drei westlichen Besatzungsmächten gegen die Zusage eines deutschen Wehrbeitrags große Zugeständnisse wie die Beendigung ihrer Oberherrschaft in Westdeutschland und die Mitgliedschaft in internationalen Einrichtungen und Organisationen zu erreichen. Dabei nahm die Teilnahme am westeuropäischen Einigungsprozeß absoluten Vorrang ein und innerhalb diesem wiederum die Verständigung mit Frankreich. Als Zeitzeuge der leidvollen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts wußte der deutsche Kanzler, daß am Anfang einer europäischen Einigung die endgültige Beendigung der sogenannten Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich stehen mußte. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzte er alle sich bietenden Möglichkeiten und Gelegen-

heiten und begriff selbst Nachteile als Chancen wie etwa die Teilung Deutschlands, mit der er den wiederholt von deutscher Stärke sich bedroht fühlenden Franzosen die Furcht vor einer gegenseitigen Annäherung nahm oder die weitgehend fehlende Souveränität der Bundesrepublik, die es ihm erleichterte, seine deutschen Landsleute für die Zustimmung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf übernationale Institutionen wie die Hohe Behörde der Montan-Union zu gewinnen. Westlichen Nachbarn wie eigenen Landsleuten wußte er, unpopuläre Entscheidungen wie das Ja zur Aufstellung einer westdeutschen Armee mit der sich augenscheinlich verstärkenden Bedrohung durch die Sowjetunion plausibel zu machen. Der Ausbruch des Koreakrieges gab Adenauers besorgter Beurteilung, daß „die Lage noch nie so ernst“ gewesen sei, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Scharfsichtig erkannte der deutsche Kanzler auch die große Bedeutung der handelnden Personen in der Politik und ihrer gegenseitigen Wertschätzung. So fand er für seine Verständigungspolitik gegenüber Frankreich im französischen Außenminister Robert Schumann einen gleichgesinnten Partner und konnte mit ihm die deutsch-französische Annäherung ein gutes Stück voranbringen; wie er im Übrigen auch im italienischen Ministerpräsidenten Alcide de Gasperi einen ebenso überzeugten Mitstreiter für ein vereinigtes Europa hatte. Daß er sich mit dem einst reichsdeutschen Rechtsanwalt aus Elsaß-Lothringen und dem ehemals österreichischen Korporal aus Südtirol auf Deutsch unterhalten konnte, empfand der nicht allzu polyglotte frühere Kölner Oberbürgermeister als eine zusätzliche Ermunterung zu weiteren Gemeinsamkeiten.

All’ das stand in den Augen des Kanzlers der Bundesrepublik Konrad Adenauer jedoch zur Dis-position, wenn die Moskauer „Friedensvertrags-Initiative“ ihre erhoffte Resonanz im Westen finden würde. Da kam es ihm zupaß, daß die deutschen Heimatvertriebenen entschieden gegen die in der Moskauer Note geforderte Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsche Ostgrenze Stellung nahmen und vor einem „unbedachten Entgegenkommen des Westens“ warnten. Entsprechend geschlossen standen sie hinter Adenauers Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, der am 12. März 1952 in einer Rundfunkansprache zum einschlägigen Punkt im sowjetischen Friedensvertrags-Entwurf erklärte: „… Nur eines muß gesagt werden: Deutschland kann auf unbestreitbar deutsche Gebiete nicht Verzicht leisten. Wir haben ja schließlich auch die klare Bestätigung der Westmächte, daß in Potsdam keine endgültigen Beschlüsse über die künftigen Grenzen gefaßt wurden.“

Dem widersprach erwartungsgemäß die DDR-Regierung in Ost-Berlin. In einer Regierungserklärung vor der Volkskammer führte dazu Ministerpräsident Otto Grotewohl (SED) am 14. März 1952 aus: „Die im Entwurf der Sowjetregierung vorgeschlagene Regelung der territorialen Fragen auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse stellt die einzige reale Lösung dieser Frage dar. Die Großmächte haben sich im Potsdamer Abkommen über die Grenzen Deutschlands geeinigt. In enger Zusammenarbeit mit der Regierung Polens ist die Oder-Neiße-Grenze zu einer wirklichen Friedensgrenze zwischen Deutschland und Polen geworden. Es wird keiner chauvinistischen Hetze mehr gelingen, das enge Freundschaftsbündnis zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk zu trüben.“ Worte, die deutsche Heimatvertriebene aus Schlesien, Pommern und Ostdeutschland 45 Jahre später inhaltsgleich bekanntlich wieder hören sollten - nur diesmal von Vertretern einer gesamtdeutschen Regierung und nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks. 1952 sollte nach den Vorstellungen Moskaus eine gesamtdeutsche Regierung als Vorstufe zur Friedenskonferenz gebildet werden, um sie an den Verhandlungen der Siegermächte zu beteiligen und von ihr die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsche Ostgrenze bestätigt zu bekommen. Ein Ansinnen, das damals - nicht zuletzt auch auf Betreiben Kanzler Adenauers - abgelehnt wurde, zumal die Sowjetunion die von ihr vorgeschlagene gesamtdeutsche Regierung nicht aus freien Wahlen hervorgehen lassen wollte.

Noch weniger akzeptabel erschien den Westmächten die vom Kreml geforderte Neutralisierung Gesamtdeutschlands. Sie sahen - im Verein mit dem deutschen Bundeskanzler - in einer solchen Festlegung nicht nur eine Bevormundung des deutschen Volkes sondern darüber hinaus auch den durchsichtigen Versuch Moskaus, die sich damals gerade formierende westeuropäische Einigung zu stören. Die am 18. April 1951 begründete Montan-Union und die am 14. September des selben Jahres ausgesprochene „Billigung eines westdeutschen Wehrbeitrages“ durch die drei Westmächte sollten durch die sowjetrussischen Vorschläge in Frage gestellt werden und die in jenen Wochen des März 1952 zur Unterzeichnung anstehenden Verträge „über die Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Westmächten“ sowie die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Papierkorb landen. Adenauer betrachtete jedoch diese Verträge als ganz wesentliche Bestandteile seiner Außen- und Deutschland-Politik und wollte sie nicht durch die sowjetischen „Friedensvorschläge“ gefährden lassen.

Dem vom Moskauer Kreml vorgetragenen Gedanken, Deutschland eigene nationale Land-, Luft- und Seestreitkräfte zu gestatten, parierte er am 16. März 1952 mit den Worten: „Die in der Sowjetnote vorgeschlagene nationale deutsche Aufrüstung ist in Anbetracht der fortschreitenden Waffentechnik nicht möglich. Seit 1945 sind in der militärischen Forschung so große Fortschritte gemacht worden, daß Deutschland aus finanziellen und materiellen Gründen allein auf sich gestellt eine nationale Rüstung nicht aufbauen kann“, um dann das Grundkonzept seiner Politik mit dem Satz zu beschreiben: „Ziel der deutschen Politik ist nach wie vor, daß der Westen so stark wird, um mit der Sowjetunion zu einem vernünftigen Gespräch zu kommen“.

Diese als „Politik der Stärke“ in die Geschichte eingegangene außenpolitische Strategie wurde bekanntlich 30 Jahre später von US-Präsident Ronald Reagan gegenüber Michail Gorbatschow neu aufgenommen und von seinem Nachfolger George Bush schließlich zum Erfolg gebracht. Späte Erfüllung einer Vision des „Alten von Bonn“, die ohne die Abwehr der Stalin-Note vom März 1952 schwerlich eingetreten wäre.



Vor 50 Jahren: Die Stalin-Note
Moskaus gescheiterter Störversuch / Teil II (Schluß)
von Alfred Schickel

Die Stalin-Note verursachte einen diplomatischen Schlagabtausch, der bis zum Herbst 1952 dauerte. Er konzentrierte sich immer mehr um die Frage, auf welche Weise eine gesamtdeutsche Regierung zustande kommen sollte. Der Kreml wollte sie aus „Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik“ und der „Deutschen Bundesrepublik“ hervorgehen lassen. Der Westen vertrat dagegen die Meinung, daß sie durch freie gesamtdeutsche Wahlen legitimiert sein sollte und teilte dies der Sowjetregierung in einer gemeinsamen Note Großbritanniens, Frankreichs und der USA am 23. September 1952 mit: „Es kann vor Abhaltung von Wahlen weder eine gesamtdeutsche Regierung gebildet noch Deutschland vereinigt werden.“ Und weiter: „Vor der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung, die in der Lage ist, frei zu verhandeln, ist es unmöglich, die Bestimmungen eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erörtern. Ein Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland kann durch eine deutsche Vertretung weder verhandelt noch angenommen werden, die nicht die Regierung Gesamtdeutschlands ist, die ihn durchzuführen hätte.“ Doch: „Eine solche Regierung kann nur aus freien Wahlen hervorgehen.“ Und über deren Definition gingen schließlich die Auffassungen zwischen West und Ost fundamental auseinander. Die Note der Westmächte vom 23. September 1952 machte dies unmißverständlich klar, indem sie darauf bestand, „daß wahrhaft freie Wahlen der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung vorausgehen und sie vorbereiten“. Denn „die bittere Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, daß der Ausdruck ‚freie Wahlen‘ in der üblichen Sprache einen und im amtlichen sowjetischen Sprachgebrauch einen anderen Sinn hat. Der Gegensatz zwischen der Vorstellung von freien Wahlen, wie sie in Westdeutschland und wie sie in der Sowjetzone herrscht, ist offensichtlich.“

Nach diesen Klarstellungen verlor der Kreml sichtlich jedes weitere Interesse an der Fortsetzung des Notenwechsels, zumal sich der Westen geschlossen zur Weiterführung seiner bisherigen Deutschlandpolitik bekannte und die Bundesrepublik konsequent Schritt für Schritt zur politischen Selbständigkeit führte.

Konrad Adenauer wurde freilich die Sorge über eine mögliche Verständigung der Westmächte mit ihrem einstigen Kriegsverbündeten Rußland über den Kopf Deutschlands hinweg nicht ganz los. Dies dokumentiert ein Brief, den Mitarbeiter der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) in der Eisenhower-Forschungsstätte (,Dwight-D-

Eisenhower-Library‘) in Abilene/Kansas gefunden haben und den der Kanzler am 29. Mai 1953 an den neu gewählten US-amerikanischen Präsidenten geschrieben hatte. Darin setzte er sich gleichermaßen kritisch wie freimütig mit der Haltung Großbritanniens beziehungsweise seines damaligen Premierministers Winston Churchill auseinander. Ohne diplomatische Schnörkel schrieb Adenauer an den einstigen US-Oberbefehlshaber in Europa und nunmehrigen amerikanischen Staatschef: „Wir werden positive Ergebnisse in der Auseinandersetzung mit Sowjetrußland nur erzielen, wenn wir selbst klar und eindeutig wissen, was wir wollen, und dies auch vor dem Beginn einer Verhandlung mit Sowjetrußland deutlich zum Ausdruck bringen.“

Hintergrund seiner Kritik war eine Rede Churchills vor dem britischen Unterhaus am 11. Mai 1953, in welcher der Londoner Premierminister für eine „Konferenz auf höchster Ebene zwischen den führenden Mächten“ eingetreten war und dazu wörtlich gemeint hatte: „Diese Konferenz sollte nicht durch eine gewichtige und rigorose Tagesordnung belastet sein oder zu einem Irrgarten oder Dschungel technischer Details führen, die zelotenhaft von Horden von Experten und Beamten verfochten werden, die in einer weiten und schwerfälligen Schlachtordnung aufgereiht sind. Die Konferenz sollte auf die kleinstmögliche Zahl von Mächten und Personen begrenzt werden. Sie sollte mit einem Maß von Informalität und einem noch größeren Maß von Geheimhaltung in Abgeschiedenheit abgehalten werden.“

Dieser mit den Bündnispartnern nicht abgestimmte Vorschlag einer Gipfelkonferenz erinnerte den Kanzler an die überraschende Stalin-Note vom 10. März 1952 und ließ ihn fürchten, daß die Allianzen von Teheran und Jalta wiederauferstehen und Deutschland isolieren könnten. Von dieser Sorge konnten ihn auch die überaus schmeichelhaften Worte Churchills, er sei „der weiseste Staatsmann seit den Tagen Bismarcks“, nicht befreien; vielmehr betonte er in seinem Brief an Eisenhower, „daß die Alliierten keine Regelung der Deutschlandfrage mit den Sowjets treffen sollten, ohne daß die Bundesregierung gehört worden ist und ihre Zustimmung erklärt hat“. Damit nicht genug. Adenauer regte „angesichts der schicksalhaften Bedeutung einer Regelung der Deutschlandfrage für das deutsche Volk und für Europa“ Eisenhower gegenüber noch zusätzlich an, vor einem etwaigen Treffen mit den Sowjets eine Konferenz der westlichen und deutschen Außenminister-Stellvertreter abzuhalten, „in welcher eine Übereinstimmung des für die Lösung der Deutschlandfrage auf einer Viererkonferenz einzuschlagenden Weges erzielt werden sollte“. In der begründeten Annahme, daß Präsident Eisenhowers amtierender Außenminister, John Foster Dulles, die Notwendigkeit einer solchen vorherigen gegenseitigen Abstimmung genau so sah, brachte Adenauer seine Überzeugung zum Ausdruck, „daß einer solchen Bitte die Berechtigung nicht versagt werden kann, wenn man an die Aufgaben denkt, die Deutschland innerhalb der westlichen Gemeinschaft gestellt“ seien.

Der Kanzler trat also in seiner Intervention bei Präsident Eisenhower keineswegs nur als ergebener Bittsteller auf, sondern nahm auch auffallend selbstbewußt die deutschen Interessen wahr.

Dies um so mehr, als er seiner obigen Feststellung gleich eine zweite Erwartung folgen ließ, nämlich den Vorschlag, daß die Bundesrepublik „am Verhandlungsort einer Viererkonferenz durch eine Persönlichkeit vertreten“ sein sollte, „die laufend und in vollem Umfang von den Delegationen der Westmächte über die Verhandlungen unterrichtet wird“. Damit wäre in den Augen Adenauers „eine schnelle Abstimmung der Auffassungen gewährleistet“. Um gleich etwaigen Zugeständnissen der Westmächte zu Ungunsten Deutschlands vorzubeugen, fügte der Bundeskanzler seinem Schreiben „eine Skizze von Gedanken und Zielen“ bei, „deren Beachtung“ ihm „vom deutschen Standpunkt für die Lösung des Deutschlandproblems wesentlich“ erschien.

Stalins Tod am 5. März 1953 und die nachfolgenden Turbulenzen in der Moskauer Führungsschicht ließen die Wahrscheinlichkeit einer baldigen Vierer- kon- ferenz freilich schnell schwinden - und mit ihr auch Adenauers Sorgen um die Zukunft einer freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik. Schließlich sollte diese das Muster für das anzustrebende wiedervereinigte Deutschland bleiben.

Fototext: Konrad Adenauer: Seine Ablehnung der Note Josef Stalins vom 10. März 1952 um der Westbindung willen bewegt bis heute die Gemüter.
 
     
     
 
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