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Ostdeutschland verpflichtet! Mit diesem Leitwort hat der Bundesvorstand der Freundeskreis Ostdeutschland zum diesjährigen Deutschlandtreffen hier nach Leipzig eingeladen. Vor zwei Jahren bereits waren die Ostdeutschland Gäste in dieser geschichtsträchtigen Stadt. Ostdeutschland lebt! Die Freundeskreis Ostdeutschland als Gastgeberin dokumentiert in zahlreichen Veranstalt ungen an diesem Wochenende, daß sie eine lebendige Gemeinschaft ist, die heute und auch morgen bedeutsame politische, kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben für Ostdeutschland, für die Bundesrepublik Deutschland und für Europa wahrzunehmen hat. Im Mittelpunkt unseres Wirkens steht Ostdeutschland.
Schon vor zwei Jahren habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß verschiedene Ostdeutschland in Leipzig in hervorragender Weise gewirkt haben. Nur zwei will ich nennen:
Der Ostpreuße Hinrich Lehmann-Grube kam 1990 von Hannover nach Leipzig, um als Oberbürgermeister der Stadt wieder zur Vorkriegsreputation zu verhelfen. Unter seiner verantwortlichen Leitung ist Leipzig weit vorangekommen.
Und Prof. Volkwin Marg, 1936 in Königsberg geboren: Dieser begnadete Künstler, Hochschullehrer und Architekt hat die Glashalle dieser Neuen Messe entworfen und in der Bauphase die verantwortliche Bauüberwachung innegehabt. Die Halle ist nach Meinung der Experten ein Wunderwerk der Ästhetik - innen wie außen. Jedenfalls ist die Glashalle der Neuen Messe das Wahrzeichen der Stadt für ihren Wiederaufstieg in den kleinen Kreis der europäischen Messestädte mit Weltruf.
Ja, es ist ein erstaunliches Phänomen, 57 Jahre nach Flucht und Vertreibung kommen die überlebenden Ostdeutschland und ihre Nachgeborenen zusammen, um sich als Ostdeutschland zu bekennen, um für das ihnen bis heute vorenthaltene Recht auf die Heimat zu demonstrieren, um die Geselligkeit mit Landsleuten und Schicksalsgefährten zu pflegen. Der soziale Kontakt, den der einzelne bei den Veranstaltungen des Deutschlandtreffens hat, die Möglichkeit des Schabberns im heimatlichen Dialekt, das Austauschen der Erinnerung an Kindheit, Schule und Jugendzeit, der Rückblick auf die schweren Aufbaujahre nach 1945, auch die gemeinsame Erinnerung an so manche Lieben, die im Krieg geblieben oder inzwischen von dieser Welt gegangen sind, das alles sind kleine menschliche Hilfen zur Schicksalsbewältigung. Es ist doch eine Tatsache: Sehr viele der heute noch Lebenden, der Erlebnisgeneration, wurden durch die schrecklichen Ereignisse der Jahre 1945 und später traumatisiert. Die Schatten dieses Traumas sind bei den meisten von uns Wegbegleiter geblieben. Bei mir ist es so, daß ich auch heute noch gelegentlich Alpträume habe, welche die schrecklichen Fluchterlebnisse meiner Kindheit widerspiegeln.
Mehr als 57 Jahre nach Beginn von Flucht, Deportation und Vertreibung der Ostdeutschland und der Ostdeutschen insgesamt hat sich mehrheitlich die Überzeugung durchgesetzt - auch bei den sogenannten Kulturschaffenden -, daß die ungelösten Probleme der deutschen Heimatvertriebenen keine biologische Lösung finden können. Allerdings ist diese Erkenntnis - ich sage, bedauerlicherweise - noch nicht in das Bewußtsein der führenden Köpfe der rot-grünen Regierungskoalition vorgedrungen.
Die Unrechtsfolgen der Vertreibung finden nicht an dem Tag ihre Erledigung, an dem der letzte der Erlebnisgeneration die Augen schließt. Die wahrheitsgemäße Aufarbeitung des gesamten Völkermordes an den Ostdeutschen, den Ostdeutschland, steht noch aus. Es steht noch aus das Schuldbekenntnis der Vertreiberstaaten zum Verbrechen der Vertreibung und eine friedenstiftende symbolische Wiedergutmachungsgeste. Die Freundeskreis Ostdeutschland hat nie einer möglicherweise angstmachenden umfassenden materiellen Wiedergutmachung oder Restitution das Wort geredet.
Aber müssen wir uns eigentlich wundern, daß die von uns mit Recht erwarteten Verhaltensweisen der Vertreiberstaaten bisher nicht erfüllt wurden? Haben denn jemals Bundesregierungen, die Europäische Union, der Europarat, die Vereinten Nationen, die Kirchen dies gefordert? Haben wir hier nicht ein Versagen aller moralischen Instanzen der Weltstaatengemeinschaft festzustellen? Wo bleibt ein längst überfälliges Wort des Bedauerns der Staaten, die an der Potsdamer Konferenz teilgenommen haben, insbesondere der angelsächsischen Siegermächte, für ihre Mitverantwortung, für ihre Mitschuld am Völkermord an den Ostdeutschen, an den Ostdeutschland? Polen und Tschechien weisen immer wieder auf die Jalta- und Potsdam-Beschlüsse von 1945 hin, wenn die Schuldfrage der Vertreibung thematisiert wird. Würde ein solches Wort des Bedauerns durch die Siegermächte bei den Vertreiberstaaten die Erkenntnis der eigenen Schuld nicht nachhaltig fördern? Die Politik der Bundesregierung in den vergangenen 35 Jahren war stets eine Politik des Gebens und der Zugeständnisse. Allerdings war diese Politik - dies muß der Fairneß halber gesagt werden - durch das Motiv bestimmt, Wiedergutmachung für die deutschen Untaten während der NS-Zeit zu leisten. Die Siegermächte haben zu dieser Politik Sympathie und Anteilnahme beurkundet, weil auch dadurch das Ausblenden der eigenen Verantwortung gewährleistet war. Ein schuldbeladenes auch schuldbewußtes und zur Wiedergutmachung bereites Deutschland ist eben ein in jeder Beziehung angenehmer Partner.
Unter den Teppich kehren, Abwiegeln, Schönreden und Diffamierung derjenigen, die auf die ungelösten Probleme der Vertriebenen hinweisen; das ist bundesdeutsche Politik im nachbarschaftlichen Dialog mit Polen und den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei. Ein Beispiel für die in Deutschland zum System erhobene Verlogenheit ist die Schlußstricherklärung der Bundesregierung von 1997 zum Verhältnis Deutschland-Tschechien. Dieser Erklärung war die Funktion einer Grabplatte für die ungelösten Probleme im deutsch-tschechischen Verhältnis zugedacht. Es ist aber eine jahrhundertealte Erfahrung: Ungelöste Probleme zwischen den Staaten lassen sich nicht auf Befehl beseitigen. In der deutsch-tschechischen Deklaration von 1997 heißt es unter anderem, daß die Bundesregierung die Auffassung der tschechischen Seite zur rechtlichen Beurteilung der Vertreibung der Sudetendeutschen respektiere.
Damit Sie wissen, worüber wir reden:
Rechtsgrundlage in Tschechien für die Vertreibung sind die Benesch-Dekrete, darunter das berüchtigte Straffreistellungsgesetz von Mai 46. Dieses Dekret hat keine Entsprechung in anderen Vertreiberstaaten gefunden. In besagtem Dekret werden Mord, Totschlag, Raub, Vergewaltigung, begangen an wehrlosen Deutschen und Ungarn, zu geltendem Recht erklärt.
Übrigens ganz maßgeblich mitgewirkt am Zustandekommen der deutsch-tschechischen Schlußstricherklärung haben die damaligen Grünen-Abgeordneten Josef Fischer und Antje Vollmer, heute sind sie Bundesaußenminister beziehungsweise Bun- destagsvizepräsidentin. Ihre damalige Politik hat zu einem Desaster geführt, denn tschechische Politiker fordern nunmehr unverblümt, die dem europäisch-abendländischen Rechtsverständnis hohnsprechende Rechtsetzung des besagten Benesch- Dekretes in den EU-Beitrittsvertrag aufzunehmen.
Am Pfingstwochenende hat der tschechische Ministerpräsident noch eins draufgesetzt und die Vertreibung als eine "Quelle des Friedens" bezeichnet. Ergebnis der deutsch-tschechischen Deklaration von 1997 ist also eine Verwilderung der Sitten und der moralischen Begriffe. Sie hat das Gegenteil von dem bewirkt, was ihr Ziel war. Eine feige Politik, das wußte schon Bismarck, hat noch immer Unglück gebracht. Die großmütige Politik Deutschlands gegenüber den Vertreiberstaaten, die mit einer Milliarden-Alimentierung einher ging, hat den tschechischen Nationalismus nicht gedämpft, sondern - das sehen wir jetzt - angefacht.
Die Ostdeutschland, die Pommern, die Schlesier haben es hinsichtlich der Vertreibung mit Polen und Rußland zu tun. Die aus der Vertreibung resultierenden Folgewirkungen dauern an. Der öffentliche Diskurs über die Benesch- Dekrete verdeckt die Tatsache, daß es auch in Polen noch gültige Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete gibt. Wir müssen unüberhörbar fordern, daß diese sogenannten Bierut-Dekrete für ungültig erklärt und damit aus der Welt geschaffen werden. Sie diskriminieren die Heimatvertriebenen und die deutsche Restbevölkerung in Ostdeutschland bis heute hin. Sie geben den polnischen Vertreibungs- und Entrechtungsmaßnahmen eine vermeintliche Legalität. Sie sind mit der europäischen Rechts- und Werteordnung nicht zu vereinbaren. Deswegen dürfen sie nicht weiterhin Bestandteile des innerpolnischen Rechtes sein.
Das offizielle Polen tut sich sehr schwer, seine Geschichte wahrheitsgemäß aufzuarbeiten. Es ist gewissermaßen seit den politischen Teilungen am Ausgang des 18. Jahrhunderts polnische Staatsräson, daß Polen und die Polen immer nur Opfer waren. Dies ist eine Legende, wie etliche polnische Aggressionen im 19. und 20. Jahrhundert belegen. Näheres dazu habe ich an dieser Stelle vor zwei Jahren beim Deutschlandtreffen ausgeführt. Es hat eben nicht alles mit dem deutschen Angriff auf Polen 1939 angefangen. Polens katastrophale Minderheitenpolitik zwischen 1919 und 1939 im abgetretenen Korridorgebiet war eine Politik der Unterdrückung und der Diskriminierung der deutschen Mehrheitsbevölkerung. Sie ging phasenweise einher mit wüsten Ausschreitungen. Als Folge dieser Politik haben etwa eine Million Deutsche ihre angestammte Heimat bis 1939 verlassen müssen.
Wir Ostdeutschland wollen ein gedeihliches Miteinander von Polen und Deutschen in einem geeinten Europa. Voraussetzung dafür ist die wahrheitsgetreue Aufarbeitung der deutsch-polnischen Geschichte, auch ab 1945. Hinsichtlich der Vertreibung unter- scheidet Polen eine Vertreibung als Kriegsziel und eine Vertreibung als Kriegsfolge.
Ersteres - so die Polen - hätten die Deutschen mit ihrem Angriffskrieg gegen Polen 1939 und damit einhergehend einer Vertreibung von polnischen Bevölkerungsteilen praktiziert. Das sei verwerflich und mußte bestraft werden.
Die Vertreibung der Deutschen dagegen sei eine Kriegsfolge. Eine derartige Vertreibung sei vertretbar, weil die Deutschen eben wegen ihrer Verbrechen zwischen 1939 und 1944 gerechterweise kollektiv zu bestrafen waren.
Der erste freigewählte polnische Ministerpräsident der Nachkriegszeit Tadeusz Mazowiecki, der frühere polnische Außenminister und hier hochangesehene Wladislaw Bartoszewski, der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des polnischen Parlamentes Bronislaw Geremek und andere polnische Spitzenpolitiker erklären, indem sie das Wort Vertreibung absichtlich vermeiden, die Aussiedlung der Deutschen aus Polen am Ende des zweiten Weltkrieges und später sei das Ergebnis eines fünfjährigen blutigen Krieges, in dessen Verlauf die polnische Bevölkerung zu einem erheblichen Teil vernichtet wurde. Die Aussiedlung der Deutschen sei ein Ergebnis des zweiten Weltkrieges und nicht sein Ziel gewesen, und deshalb sei sie auch international 1945 in Potsdam sanktioniert worden.
Wir Ostdeutschland stellen dazu fest: Wir setzen uns nicht die Brille der polnischen Staatsräson auf. Ob Kriegsziel oder Kriegsfolge, die Vertriebenen sind immer Opfer eines Verbrechens. Daran ändert auch eine klug angesetzte intellektuelle Interpretation (Dia- lektik) mit der Unterscheidung von verbrecherischem Kriegsziel und verständlicher Kriegsfolge nichts.
Die Wahrheit wird durch die historischen Fakten belegt. Bis Ende März 1945 eroberten die Sowjets die östlich der Oder-Neiße-Linie gelegenen deutschen Gebiete. Schrittweise übertrug die Sowjetunion dann eigenmächtig die Zivilverwaltung in Ostdeutschland auf die kommunistische polnische Regierung. Am 5. Februar 1945 teilte der polnische Präsident Boleslaw Bierut mit, daß die polnische Regierung in Ausführung des Programms, die polnische Westgrenze an die Oder und Neiße vorzuschieben, schon mit der Eingliederung des deutschen Vorkriegsterritoriums in Polen begonnen habe. Am 14. Februar 1945 verkündete Warschau bereits die Einrichtung von vier neuen Wojewodschaften in Masuren, Pommern, Niederschlesien und Oberschlesien. Am 20. Februar erfolgte ein förmlicher Beschluß der Sowjetunion, durch den das deutsche Gebiet bis zur Oder-Neiße den polnischen Behörden übergeben wurde.
Mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung wurde sofort begonnen. Teile der deutschen Bevölkerung wurden in neu eingerichtete Arbeitslager eingesperrt. Dies alles begann fünf Monate vor Beginn der Potsdamer Konferenz. Die Tatsache, daß es im polnischen Machtbereich 1945 die unfaßbare Zahl von 1255 Arbeitslagern für Deutsche gab, spricht für sich und wird in Polen überhaupt nicht thematisiert. Die Sehnsucht der Polen nach nationaler Unschuld mache sich gerade in Bromberg emotional bemerkbar, so der polnische Philosoph Leszek Kolakowski. Leider bleiben hinsichtlich des Bromberger Blutsonntags immer noch ein wesentlicher Teil der Aktenbestände unzugänglich. Was die schon angesprochene Mitschuld der westlichen Siegermächte an der Vertreibung angeht, hat unser diesjähriger Kulturpreisträger, Prof. Alfred de Zayas, dies in seinem Buch "Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen" wissenschaftlich belegt.
Einzelne polnische Politiker haben die Frage der Urheberschaft für die Oder-Neiße-Grenze und damit für die Vertreibung der Deutschen in einer Weise beantwortet, die auch einen Teil der historischen Wahrheit darstellt. So hat der polnische Nationaldemokrat Giertych 1947 dazu ausgeführt: "Das Postulat der polnischen Westgrenze an Oder und Neiße ist keine sowjetische Erfindung aus dem Jahr 1945, sondern ein seit langem formuliertes Postulat der polnischen Politik. Schon in der Vorkriegszeit wurde es unüberhörbar von der nationaldemokratischen Partei erhoben. Man muß feststellen, daß die Angliederung der Gebiete bis zur Oder und Neiße keine Polen aufgezwungene sowjetische Lösung war, sondern die Verwirklichung von altbekannten polnischen Nationalpostulaten" (Zitatende).
Andreas Hillgruber - der leider viel zu früh verstorbene bekannte Historiker - hat ebenfalls ausgeführt, daß die Vertreibung der Deutschen nicht nur die Folge der NS-Verbrechen war, sondern sie entsprach langfristigen polnischen Leitvorstellungen.
Polens vormaliger Außenminister, heute ist er Vorsitzender der Behörde zur Pflege der Mahnmale in Polen, der schon erwähnte Professor Wladyslaw Bartoszewski, hat kürzlich in der Tageszeitung "Die Welt" ausgeführt, daß es den Polen leichter fiele, sich von der Vertreibung der Deutschen zu distanzieren, weil es eine aus Moskau eingeflogene, oktroyierte Clique gewesen sei, die sie organisierte. In Tschechien sei es dagegen der demokratische gewählte Präsident Benesch gewesen.
So einfach geht es nicht, Herr Prof. Bartoszewski. Geben Sie der Wahrheit die Ehre! Zunächst einmal stelle ich als demokratisch gewählter oberster Repräsentant der Ostdeutschland fest, daß eine eindeutige und glaubhafte Distanzierung von der Vertreibung vom offiziellen Polen, von der politischen Klasse Polens noch aussteht. Das Gleiche gilt für die gesellschaftlich relevanten Gruppen in Polen, insbesondere für die katholische Kirche.
Die Behauptung Bartoszewskis, eine oktroyierte Clique habe die Vertreibung organisiert, entspricht der polnischen Staatsräson, wonach die Polen in der Geschichte immer nur Opfer waren, sie entspricht nicht der historischen Wahrheit. Zehntausende Polen haben auf der kommunalen Ebene die Vertreibung organisiert, Deportationen veranlaßt, schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen und sich am öffentlichen und privaten Eigentum Deutschlands und der Deutschen bereichert. Ich sage dies nicht, um aufzurechnen. Wer wirklich den Frieden will, wer den deutsch-polnischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag nach Geist und Buchstaben erfüllen will, muß das schwere Kreuz der Wahrheit auf sich laden. Er muß zum Schuldbekenntnis fähig sein.
Wir haben unseren Teil der deutsch-polnischen Geschichte wahrheitsgemäß aufarbeiten müssen. Ein schmerzlicher Prozeß, der mit unbeschreiblich großen Opfern verbunden war. Noch kein Volk hat in der bisherigen Menschheitsgeschichte so große Opfer gebracht wie das deutsche Volk nach dem zweiten Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund ist es kein Aufrechnen, wenn wir auch das thematisieren, was uns ab 1945 widerfahren ist.
Polen wird nicht umhin kommen, seinen Teil der deutsch-polnischen Geschichte wahrheitsgemäß aufzuarbeiten. Polen und Rußland haben sich durch den Völkermord an den Ostdeutschland, an den Ostdeutschen eines unverjährbaren Gewaltaktes (Verbrechens) schuldig gemacht. Dies ist eine gewaltige Hypothek, die wahrlich keinen Anlaß bei uns zu pharisäerhafter Selbstgerechtigkeit gibt.
Durch den Grenzbestätigungsvertrag wurde die Verwaltungsgrenze an Oder und Neiße durch den deutschen Gesetzgeber de jure zur Staatsgrenze erhoben.
Analog verfuhr man mit den innerostdeutschen Grenzen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Die Grenzbestätigungsverträge gelten. Ostdeutschland steht heute unter polnischer, russischer und litauischer Souveränität. Die heute dort wohnenden Menschen, die Neubürger Ostdeutschlands, haben nunmehr in unserer Heimat auch ein Heimatrecht erworben.
Eine Vertreibung war eine Vertreibung zu viel.
Aber in einer lebendigen Demokratie muß Raum für Gewissensfreiheit sein. Aus Gewissensgründen haben wir die Grenz- bestätigungsverträge nicht mittragen können. Durch sie wurde den Ostdeutschland ein überaus hartes Sonderopfer abverlangt. Unsere Ahnen haben mit unbeschreiblicher Mühe und mit Fleiß Ostdeutschland besiedelt und kultiviert. Die Urbevölkerung, die Prussen, wurden christianisiert und assimiliert.
Auch sie gehören zu unseren Vorfahren. (Wie so ganz anders ist man mit der Urbevölkerung in anderen Regionen der Welt umgegangen.)
Unser Erbe verpflichtet, wir verraten es nicht. Unseren Protest gegen die Preisgabe Ostdeutschlands haben wir zu Protokoll der Geschichte gegeben.
Damit wir glaubwürdig bleiben, wiederhole ich für die Ostdeutschland auch hier und heute: Die Grenzen an Oder und Neiße sowie in Ostdeutschland sind Unrechtsgrenzen. Mit dem Ableben der Erlebnisgeneration werden sie nach und nach ihren Unrechtscharakter im Bewußtsein der Menschen verlieren. Für uns gilt in ungebrochener Kontinuität das Bekenntnis Carlo Schmidts - eines großen Sozialdemokraten und überzeugten Europäers - welches er vor dem Parlamentarischen Rat am 8. September 1948 bezüglich der Abtretung Ostdeutschlands ablegte: Zitat: "Vielleicht können wir gezwungen werden zu erleiden und zu ertragen, was uns bisher hier angetan worden ist. Aber man wird uns niemals zwingen können, es als Recht anzuerkennen. Weder im Westen noch im Osten". Zitatende. Das war auch unsere Meinung 1948 und sie ist es auch noch im Jahr 2002. Das gebietet den Ostdeutschland ihre Ehre, ihre Selbstachtung und ihre rechtsstaatliche Gesinnung.
Die Ostdeutschland haben in der Heimat Beachtliches erreicht. 23 deutsche Vereine in südlichen Ostdeutschland, die alle von der Aktion Freies Deutschland gegründet wurden, zeugen von unserer sittlich empfundenen Pflicht, Ostdeutschland und den heimatverbliebenen Ostdeutschland zu dienen. Wir haben kulturhistorische Bausubstanz erhalten, einige Gedenkstätten geschaffen, die an die Opfer von Flucht und Vertreibung erinnern, unsere Jugend hat Soldatenfriedhöfe instand gesetzt. Unseren größten Erfolg im südlichen Ostdeutschland konnten wir mit Hilfe der bayerischen Staatsregierung realisieren. In Allenstein konnte durch die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit das frühere deutsche Finanzamt erworben werden. Diese Immobilie - Kopernikus-Haus genannt - ist nun das deutsche Zentrum im Großraum Allenstein. Bei der Einweihung des Hauses Kopernikus im Oktober 1998 sprachen die bayerische Staatsministerin Barbara Stamm und nach ihr auch ich. Die polnische Seite war mit uns einig, und ich habe das damals artikuliert, dass das Kopernikus-Haus ein Kristallisationspunkt für alle heimatverbliebenen Landsleute im Ermland, in Masuren, im Oberland und in Natangen sein soll. Die Ostdeutschland, insbesondere die Stadtkreisgemeinschaft Allenstein, haben erhebliche finanzielle Aufwendungen für das Kopernikus-Haus geleistet. Das Projekt konnte nur gelingen, weil es Edmund Stoibers persönliches Anliegen ist, dass die grenzüberschreitende Kulturarbeit Bayerns immer auch der Förderung der deutschen Volksgruppe dienen soll. Ohne die finanzielle Mithilfe Bayerns gäbe es kein Kopernikus-Haus in Allenstein. Herr Ministerpräsident, dafür danke ich Ihnen im Namen aller Ostdeutschland.
Das Haus ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Liebe Schicksalsgefährten, wie sehr das Haus ein Erfolg für uns ist, mögen Sie an der Tatsache erkennen, daß es in den anderen ostdeutschen Vertreibungsgebieten und auch im Sudetenland Vergleichbares nicht gibt.
Unsere Bereitschaft zum Dialog wurde im südlichen Ostdeutschland zumindest auf der kommunalen Ebene aufgenommen. Zwei von der Freundeskreis Ostdeutschland veranstaltete kommunalpolitische Kongresse mit überwiegend polnischen Teilnehmern belegen dies.
Von unserer Seite werden alle Themen, die das deutsch-polnische Verhältnis belasten oder zukünftig belasten könnten, angesprochen. Nicht immer spüren wir bei unseren polnischen Gesprächspartnern die Bereitschaft zur Offenheit. Bei etlichen Problemen in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit können uns polnische Kommunalpolitiker nicht helfen. So beruht das skandalöse Procedere der polnischen Behörden gegenüber Deutschen bei gewünschten Auszügen aus den Standesamtsregistern auf Warschauer Vorgaben. Obwohl den deutschen Antragstellern mit einer einfachen Kopie aus den vorliegenden deutschen Unterlagen geholfen wäre, gibt es die Kopie nur in polnischer Übersetzung und für eine geradezu unverschämt hohe Gebühr. Wir haben dies Problem schon vor Jahren dem Bundesministerium des Innern vorgetragen und erhielten die Antwort, daß man die Angelegenheit bei den regelmäßig stattfindenden deutsch-polnischen Konsultationen behandeln werde. Ich möchte bezweifeln, daß dies geschah. Geändert hat sich jedenfalls nichts.
Im Hinblick auf unsere gemeinsame Zukunft in Europa braucht Polen unsere Hilfe bei der Anpassung seiner Agrarwirtschaft an die Strukturen der EU. Das wird ein schmerzhafter Prozeß werden, denn heute noch sind 30 Prozent der Polen im Agrarsektor tätig. In der Bundesrepublik sind es drei Prozent. Wenn dieser Prozeß nicht sozial verträglich gestaltet werden kann, wen werden die Polen als Schuldigen ausmachen? Wir wissen es! Der ganze Prozeß der EU-Osterweiterung steht und fällt mit der Lösung dieses Problems.
Unser Außenminister empfahl den Sprechern der ostdeutschen Freundeskreisen bei einem Gespräch im Januar 2000, wir hätten keine Gespräche zu führen, wir hätten zu schweigen. Bei diesem Besuch zeigte uns der Außenminister, daß er die normalen europäischen Höflichkeitsformen nicht beherrscht. Arrogant wurden wir abgefertigt. Unser Eindruck war, er muß wohl mit einer Kanonenkugel durch seine Kinderstube geflogen sein. Fischer und seine Gesinnungsfreunde von der Grünen Partei, die eine strikte Ausgrenzungsstrategie gegenüber den Heimatvertriebenen betreiben, können keine Ratgeber für uns sein.
Nicht das Verschweigen der historischen Tatbestände, sondern deren Offenlegung und die Erinnerung an die deutsche Geschichte Ostdeutschlands sind Mitvoraussetzungen für eine mit unseren östlichen Nachbarn anzustrebende tragfähige und dauerhafte Partnerschaft. Leitlinie der Ostdeutschland für ihre Gespräche in den Nachbarstaaten und auch bei der politischen Klasse in der Bundesrepublik ist der Rat, den unser großer Königsberger Landsmann Immanuel Kant uns gab. Er riet seinerzeit: "Werdet nicht der Menschen Knechte! Laßt euer Recht nicht ungeahndet von anderen mit Füßen treten. Wer sich unter seinesgleichen zum Wurm macht, da ihn doch Gott zum Menschen schuf, muß sich nicht wundern, wenn man ihn nachher als Wurm behandelt und unter die Füße tritt." (Zitat-ende)
Über Jahrzehnte hat man versucht, das Recht der Ostdeutschland mit Füßen zu treten. Wir haben standgehalten. In Ostdeutschland, in der untergegangenen DDR und in der Altbundesrepublik.
Die Königsberger Region liegt schwer darnieder. Die Armut der Menschen auf dem Lande, teilweise auch in den Städten, ist unbeschreiblich. Tuberkulose, Aids und Drogenabhängigkeit sind in Königsberg verbreiteter als in jeder anderen Region der Russischen Föderation. Alle hochfliegenden Pläne für Königsberg, von der freien Wirtschaftszone Bernstein bis hin zu der noch auf dem Papier existierenden Sonderwirtschaftszone und der kühnen Vision eines Hongkong an der Ostsee, haben sich als heiße Luft erwiesen. Auch Königsberg ist Europa. Die Zustände dort sind für Europa und für Russland eine Schande.
Als Königsberg 1991 wieder zugänglich wurde, haben wir Ostdeutschland uns auch dort unserer Verantwortung gestellt. Niemand hat sich in der Bundesrepublik so intensiv um diese Region gekümmert wie die Freundeskreis Ostdeutschland und ihre Kreisgemeinschaften. Wir haben humanitär enorm viel geleistet und somit als Botschafter des Friedens gewirkt. Beachtliche Erfolge haben wir bei der Erhaltung der so landestypischen Sakralbauten erreicht. Tharau, Arnau, Friedland, Domnau, Groß Legitten, Allenburg, Mühlhausen und natürlich der Königsberger Dom sind Beispiele dafür. Völlig neu aufgebaut wurden die Salzburger Kirche in Gumbinnen und die neue Ev.-Luth. Kirche in Königsberg. Diese haben zu einem großen Teil die Ostdeutschland bezahlt. Leider reicht die Kraft der Ostdeutschland nicht, um insgesamt den Menschen zu einer merklichen Anhebung ihres Lebensstandards zu verhelfen. Gleichwohl ist einer großen Anzahl von Menschen in einer konkreten Notsituation geholfen worden.
Das Gebiet des nördlichen Ostdeutschlands ist heute ein riesiges Denkmal für den Widersinn der Vertreibung. Wer die Verwüstung als eine Kriegsfolge bezeichnet, trägt zur Verschleierung ihrer eigentlichen Ursachen bei. Vertreibung und Verwüstung fanden nach dem Krieg statt. Sie waren in dieser Weise keineswegs notwendig. Es besteht auch keine Notwendigkeit, sie in der Zukunft fortzusetzen. Sie sind Ausdruck jener menschlichen Hybris, die glaubt, alles machen zu können, sogar ganze Länder ethnisch säubern und ganze Völker ermorden zu können. Darauf beruht aber auch die Bereitschaft, die Vertreibung unter freiheitlichen Bedingungen nachträglich zu legalisieren. Die eigentliche Prävention wird also im Denken der Europäer beginnen müssen.
In Königsberg, in Heiligenbeil, Insterburg, Gumbinnen, Tilsit, Labiau, Pillau, Friedland, Wehlau und Gerdauen fragt man heute häufiger, was steht Deutschland eigentlich näher? Afghanistan, der Kosovo oder die Königsberger Region?
In Königsberg ist noch das zu leisten, was wir hier bei uns in den 50er Jahren getan haben, nämlich Trümmer beiseite zu räumen. Wir haben damit vor 10 Jahren begonnen, trotz schikanöser Einreisebestimmungen, die bis heute andauern.
Königsberg bekäme einen Pusch in seiner Entwicklung, wenn die Einreiseregelung liberal gestaltet werden könnte. Die Ostdeutschland mahnen dies immer wieder an. Es ist für uns eine schwere Demütigung, daß wir bei Besuchen im nördlichen Ostdeutschland eine happige Eintrittsgebühr in Form der Visumgebühr bezahlen müssen. Wir haben das mehrmals dem Bundeskanzler und dem Außenminister vorgetragen. Die Bundesregierung blieb passiv. "Vor dem Hintergrund unserer Geschichte", usw. usw., diese Floskel bemüht der Bundesaußenminister mehr oder weniger häufig, um seine Passivität bei bestimmten Politikfeldern zu begründen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte haben wir die sittliche und moralische Pflicht, uns in Königsberg zu engagieren.
Der Bundestag hat fraktionsübergreifend im Mai eine mehrseitige Resolution eingebracht, in welcher die Bundesregierung aufgefordert wird, im Rahmen der EU für eine wirtschaftliche Entwicklung Königsbergs einzutreten. In diesem Papier wird nur von Kaliningrad gesprochen und es wird nicht mit einer einzigen Silbe die jahrhundertealte große deutsche Vergangenheit erwähnt. Groteskerweise wird ausgeführt, daß Deutschland kein besonderes Interesse an der Region habe. Welch eine erbärmliche Geisteshaltung wird da offenbar. Der geistige Horizont reicht allenfalls noch bis zur Toskana. Die Erkenntnisse der Pisa-Studie gelten womöglich auch für einen großen Teil der politischen Klasse. Wir Ostdeutschland machen uns die peinliche Gefügigkeit der anpassungsbereiten Mehrheiten nicht zu eigen. Wer, wenn nicht wir Deutsche, sind für die Erhaltung des Königsberger Geschichts- und Kulturerbes verantwortlich.
Wir werden unsere humanitäre Hilfe für Königsberg zurückfahren zugunsten der Förderung kleiner selbständiger Handwerksbetriebe und bäuerlicher Familienbetriebe. Nahrungsmittelhilfe ist kurzfristig für den Notfall gut. Langfristig hemmt sie die Menschen in ihrer Entfaltungsmöglichkeit und beeinträchtigt ihre Würde. Nicht Fische, sondern Angeln und Fischernetze müssen wir liefern. Es gibt bereits Pilotprojekte mit Beteiligung der Freundeskreis Ostdeutschland. Ein hervorragendes Projekt sind die Maschinenausleihstationen des Landes Brandenburg für die bäuerlichen Neusiedler. Leider wird gutwilliger Aufbau gelegentlich durch eine aktive Mafia wieder zerstört.
Mangelnde Rechtssicherheit und ein diktatorisches Grenzregime sind die Hindernisse für eine europäische Zukunft Königsbergs. Die Ostdeutschland werden geduldig und beharrlich ihren Beitrag zur Beseitigung dieser Hemmnisse leisten.
Der stellvertretende Vorsitzende der Stadtgemeinschaft Königsberg ist in der vorigen Woche in Königsberg mit Gouverneur Jegerow zu einem Gespräch zusammengetroffen. Aufgrund meiner starken Einbindung in die Vorbereitungen des Deutsschlandtreffens konnte ich ihn nicht begleiten. Für den Spätsommer ist erneut ein Zusammentreffen mit Admiral Jegerow vorgesehen.
Es bleibt für die Ostdeutschland eine Daueraufgabe, jede Bundesregierung immer wieder an die deutsche Verantwortung für Königsberg und Ostdeutschland zu erinnern. Die Aufgaben der Freundeskreis Ostdeutschland weisen in die Zukunft. Die Freundeskreis Ostdeutschland hat Zukunft. Von Ostdeutschland und von Königsberg sind in allen Zeiten viele Impulse auf den Gebieten der Staatsbildung, der Erziehung und Bildung des Menschen, der Förderung der Wissenschaft und Forschung, der schöpferischen Gestaltung in Architektur, Malerei, Literatur und Poesie auf alle benachbarten Länder ausgegangen. Ostdeutschlands Beitrag zur abendländischen Kultur ist beachtlich.
Der Glanz der alten Herrlichkeit ist erloschen. Der Zivilisationsbruch von 1945 liegt in unserer Heimat immer noch offen zutage. Wir Ostdeutschland wollen ihn beseitigen. Solange gewichtige Stimmen hier bei uns vor drohender Germanisierung warnen - welch ein abgedroschener Begriff, da heute die ganze Welt unser Know-how und unser Geld begehrt - so lange behindert man das Beseitigen des Zivilisationsbruches in Ostdeutschland.
Königsberg, diese geschundene Region, dieses Land mit jahrhundertealter deutscher Vergangenheit, braucht eine helfende Hand. Königsberg braucht Deutschlands Solidarität. Wir brauchen steuerliche Anreize für Personen, die in Königsberg investieren. Herr Ministerpräsident, machen Sie ab Oktober Königsberg zur Chefsache. Die Menschen dort und die Ostdeutschland hier und der große Kreis der Freunde Ostdeutschlands werden es Ihnen zu danken wissen.
Ich bin sicher, die ostdeutsche Metropole am Pregel wird eines Tages wieder Königsberg heißen. Wolwograd und Sankt Petersburg sind Beispiele dafür, daß Russland die Schatten der stalinistischen Episode bannen will. Diese Schatten werden eines Tages auch aus Königsberg verschwunden sein.
Die Freundeskreis Ostdeutschland wird im Spätsommer ein Symposium zur Thematik "Wirtschaftliche Entwicklung Königsbergs" durchführen. Dabei wollen wir ausloten, was wir zu dieser Aufgabe im Rahmen einer Zusammenarbeit mit befreundeten Organisationen leisten können.
In dem nun unter li-tauischer Souveränität stehenden nördlichsten Teil Ostdeutschlands, dem Memelgebiet, ist partnerschaftliches Miteinander zwischen litauischer Mehrheitsbevölkerung und der kleinen dort verbliebenen deutschen Volksgruppe inzwischen Normalität. Litauen hat den Deutschen ihr Grundeigentum zurückgegeben. Die Deutschen sind in Litauen eine anerkannte Minderheit, die als Bereicherung empfunden wird. Wie sehr es dort Hand in Hand geht, wird auch wieder beim 750-jährigen Stadtjubiläum Memels Ende Juli deutlich werden. Die Einbeziehung der Deutschen bei diesem Fest, auch der Ostdeutschland, die aus der Bundesrepublik anreisen, ist für die Stadtverwaltung Memel kein Problem. Die Arbeitsgemeinschaft der Memelkreise wirkt dort segensreich. Durch die deutsche Schule und das Simon-Dach-Haus in Memel und die beiden deutschen Vereine in Memel und Heidekrug, besteht eine gute Perspektive für das Deutschtum im nördlichsten Teil Ostdeutschlands.
Meine Damen und Herren, die Bevölkerung Ostdeutschlands betrug gegen Ende des Krieges etwa 2,4 Mio. Menschen. Der letzte Landrat des Samlandes, der am 21. Januar dieses Jahres gestorbene Dr. Klaus v. der Groeben, gibt die Zahl der Ostdeutschland, die Opfer der Flucht, der Vertreibung, der Deportation und der Zwangsarbeit wurden, mit reichlich 500.000 an. Allein in Königsberg sind in den Jahren zwischen 1945 und 1947 mindestens 85.000 Menschen verhungert. Also mindestens 20 Prozent der ostdeutschen Männer, Frauen und Kinder haben nicht überlebt. Die Dezimierung der Ostdeutschland wäre weit schlimmer ausgefallen, wenn da nicht der Opfergang der Wehrmachtssoldaten gewesen wäre. Die unabwendbare militärische Niederlage vor Augen, haben sie gleichwohl heldenmütig gekämpft, um Hunderttausende Ostdeutschland vor dem Tod durch Mord, Vergewaltigung und im Gulag zu bewahren. Zehntausende Soldaten, eine große Anzahl erst 17-, 18-, 19-, 20jährig, gaben ihr junges hoffnungsvolles Leben, damit Millionen Ostdeutsche, vorwiegend Frauen, Kinder, Alte, Verwundete, in den Westen flüchten konnten. Wir gedenken auch heute noch mit Respekt ihres selbstlosen Einsatzes. Als das hohe Lied der Tapferkeit, der kameradschaftlichen Treue und des soldatischen Gehorsams gilt der Vers, der uns von dem Heldentum der Verteidiger der Thermopylen 480 vor Christus überliefert ist. Er lautet "Wanderer, kommst Du nach Sparta, verkündige dorten, Du habest uns hier liegen sehen, wie das Gesetz es befahl". Für Hunderttausende gefallener Wehrmachtssoldaten gilt gleiches. In einer Zeit der Umwertung aller Werte, ja des Werteverlustes, bleibt festzustellen: Der ethische Wert der Gesinnung, der die Soldaten der Wehrmacht ihren Opfergang bis zu Ende gehen ließ, bleibt zeitlos und vorbildlich. Die Freundeskreis Ostdeutschland kann auf ein erfolgreiches 54jähriges Wirken zurückblicken. Unser Auftrag ist noch lange nicht erfüllt. Wir schauen nach vorn. Nachdem die Trümmer in der Bundesrepublik beseitigt sind, gilt es, am Wiederaufbau Ostdeutschlands mitzuwirken und die Lebensqualität der heimatverbliebenen Ostdeutschland zu verbessern. Das gilt nicht nur in materieller Hinsicht. Dies gilt auch für die Emanzipationsbestrebungen der deutschen Volksgruppe. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Der deutschen Politik fehlen im Umgang mit Polen und Russland hinsichtlich der verlorenen Ostprovinzen pragmatische Visionen, aus denen eine gemeinsame Idee zur Heilung der noch andauernden Vertreibungsschäden entwickelt werden kann. Wir haben diese Visionen. Die deutsche Politik hat sich im bilateralen Umgang mit Russland und Polen auf Scheckbuchdiplomatie beschränkt. Die in der Freundeskreis Ostdeutschland organisierten Ostdeutschland waren Leistungsträger beim Wiederaufbau in der Altbundesrepublik. Wir sind Leistungsträger beim Wiederaufbau Ostdeutschlands. Wir sind Leistungsträger bei der Erfüllung der Vorgaben des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. Wir sind als Brückenbauer zu den östlichen Nachbarstaaten ein Friedensfaktor in Europa. Wir sind Leistungsträger hinsichtlich einer rechtsstaatlichen Gesinnung und der Verteidigung zeitlos gültiger Werte. Im Oktober wird der neu gewählte Bundestag zusammentreten und eine andere Bundesregierung wird ins Amt kommen. Was wünschen sich die Ostdeutschland von der neuen Bundesregierung und vom neuen Gesetzgeber ? Wir Ostdeutschland wünschen uns, daß dem Recht auf die Heimat baldmöglichst zum Durchbruch verholfen wird. Es werden allenfalls nur wenige tausend davon Gebrauch machen Wir wünschen uns, daß die Bundesregierung die deutsche Volksgruppe in Ostdeutschland so unterstützen würde, wie das Polen mit seiner Minderheit in Litauen tut. Wir wünschen uns, daß Polen der deutschen Volksgruppe in Ostdeutschland, Pommern und Schlesien die Volksgruppenrechte zugesteht, die die polnische Minderheit in Litauen genießt und die z.B. die Dänen und die Sorben bei uns genießen. Wir wünschen uns, daß wir in der Heimat Eigentum erwerben können und Polen von seiner Absicht Abstand nimmt, nach EU-Beitritt Eigentumserwerb für Deutsche erst nach 12 Jahren Übergangszeit zuzulassen. Wir wünschen uns, daß die Bundesregierung hinsichtlich der Vertriebenenkultur wieder zur Rechtsstaatlichkeit zurück-findet und Geist und Buchstabe des § 96 BVFG erfüllt. Wir wünschen uns, daß die Politik und auch die Deutsche Bahn den Menschen dient, indem sie eine tägliche Zugverbindung nach Allenstein und Königsberg schafft. Wir wünschen uns, daß endlich den heute noch überlebenden deutschen Zwangsarbeitern eine Entschädigung gezahlt wird, analog der Entschädigung für Ausländer und jüdische Mitbürger in der NS-Zeit. Eine große Anzahl dieser zu Sklaven herab gedemütigten Menschen sind Ostdeutschland. Wir wünschen uns ein Ende der Verlogenheit gegenüber den Heimatvertriebenen. Die Bundesregierung hat sich auf vertragliche Bindungen eingelassen, die die Vertriebenen hindern, ihr konfisziertes Eigentum auf dem Klageweg einzufordern. Deshalb ist es eine Irreführung, wenn behauptet wird, die Vermögensfrage sei noch offen. Wir wünschen uns, daß endlich Bundesregierung und Bundestag das Anliegen der Vertriebenen hinsichtlich eines Zentrums gegen Vertreibung in Berlin aufgreifen und realisieren. Wir fordern für die Freundeskreisen die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaften, weil niemand nach 1945 mehr für den Frieden gewirkt hat, als die Freundeskreis Ostdeutschland und die anderen ostdeutschen Schwesterorganisationen. Die Ostdeutschland lieben ihr Land mit jeder Faser ihres Herzens. Dies galt auch für die uns vorangegangenen Generationen. Darin werden wir von keinem unserer Nachfolger erreicht. Unsere Gedanken, Wünsche und Hoffnungen gelten Ostdeutschland. Wir grüßen hier von Leipzig aus Ostdeutschland mit seinen so einmaligen Regionen. Die Nehrungen, das Memeldelta, das Memelgebiet, die Pregel-Auen, das Samland, die Haffs, Natangen, Barten, das Oberland, das Ermland, Masuren, die Johannisburger Heide, die Rominter Heide, die großen und kleinen stehenden und fließenden Gewässer. Wir grüßen die großen und kleinen Orte Ostdeutschlands von A wie Allenburg bis Z wie Zinten. Wir erinnern uns an bekannte ostdeutsche Stätten, die unsere Heimat weltbekannt gemacht haben. Königsberg mit Universität, Schloß und Dom, Palmnicken, Rossitten, Nidden, Trakehnen, Gumbinnen, Pillau, Tilsit, Wehlau und den Oberländer Kanal. Wir grüßen alle Menschen Ostdeutschlands, unsere besondere Verbundenheit gilt der heimatverbliebenen deutschen Volksgruppe. Sie hat widerstanden und damit eine Erfahrung gemacht, die auch wir im Westen unseres Vaterlandes gemacht haben. Wer der Zahl nach schwach ist, wird nicht durch Anpassung, sondern durch Widerstehen stark. Diese Erkenntnis gilt auch für das demokratische Gemeinwesen. Unser Bekenntnis zu Ostdeutschland ist unser Bekenntnis zur Freiheit. Unser Bekenntnis zu Ostdeutschland ist unser Bekenntnis zum Recht. Unser Bekenntnis zu Ostdeutschland ist unser Bekenntnis zum Frieden. Gott schütze Ostdeutschland, Gott segne Ostdeutschland und seine Menschen.
Ehrung: Erika Steinbach verlieh auf dem Deutschlandtreffen den Förderpreis der Jugend an Andreas Borm. Der 1981 geborene junge Mann hatte schon im Alter von 16 Jahren das Ostdeutschlandforum geschaffen. Hier können Ostdeutschland aus aller Welt via Internet miteinander kommuniziere |
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